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Ich war müde, aber konnte nicht schlafen. Meine Gedanken machten mich verrückt. Ein Blick auf die Uhr sagte mir das es bereits zwei Uhr nachts war und ich lag immer noch wach. Unter mir schlief meine jüngste Schwester schon längst, aber ich fand einfach keine Ruhe. „Denk an den Rasierer" wispert eine Stimme in mir. Wie gut würde es jetzt tun... fest entschlossen quälte ich mich aus meinem Bett und lief leise zu der neuen Kommode. Ich holte den Rasierer raus und zerschnitt ihn, bis ich alle klingen in der Hand hatte. Ich wählte die mittlere und lief ins Bad. Die Musik auf den Ohren lenkte mich zu sehr ab und ich rutschte ab. Blut quoll aus der Wunde und tropfte ins Waschbecken. Die Haut an meinem Handgelenk ist dünn, es konnte also gut sein das ich etwas getroffen hatte. Rund um die Wunden wurde die Haut blau, vermutlich sammelte sich Blut darunter. Immer mehr tropfte in das Waschbecken und eine Pfütze bildete sich. Ich wusch es immer wieder ab, aber es hörte nicht mehr auf zu bluten... angst machte sich breit. Ich hatte nichts da um einen Druckverband zu machen. In Panik rief ich eine Freundin an. Ich wusste ich konnte auf sie zählen und ich vertraute ihr wie fast niemandem. Sie war noch wach. Sie beruhigte mich und leitete mich an was ich tun sollte. Tatsächlich bekam ich die Blutung gestillt und kroch todmüde in mein Bett zurück. Es war fast drei. Ich dankte ihr und beendete das Telefonat. Irgendwann viel ich endlich in einen tiefen Schlaf.

Als ich wach wurde lagen die Erinnerungen der letzten Nacht irgendwo im Dunkeln meiner Erinnerung. Ich quälte mich durch den Tag und machte mich gegen Mittag bereit in den Stall zu fahren.

Ich fuhr an den unteren Ställen vorbei und sog die Luft ein. Es roch nach Pferden und nach Stall. Ich liebte diesen Geruch. Ich stellte mein Fahrrad in die Halle damit es nicht nass wurde falls es regnen würde und lief zu den Boxen der drei Stuten. Opening out begrüßte mich freudig und auch orinda zeigte Interesse und schmuste mit mir, nur oroya zeigte wenig Interesse. Zu ihr hatte ich auch am wenigsten Bindung aufgebaut. Ich holte alles was ich brauchte und fing an opening out fertig zu machen. Sie war nicht draußen gewesen, also so gut wie sauber und ich hatte kaum etwas zu putzen. Also hatte ich mehr Zeit zum schmusen. Ich machte ihre „Wärmflasche" und begann zu satteln. Wie unbequem diese Rennsättel doch waren... ich trenste und lief mit ihr zur Halle. Nachdem wir beide warm waren bekam ich die Erlaubnis mal zu galoppieren, allerdings war ich nach dem Sturz nicht mehr galoppiert. Ich überlegte nicht lange, gab mir keine Zeit Angst zu haben und ging in den leichten Sitz. Ich machte eine Bridge und schnalzte. Sie galoppierte ruhig an und ich war glücklich. Für diesen Moment war alles okay und die letzte Nacht vergessen. Den Wind im Gesicht, das laufende Pferd unter mir. Ich war glücklich. Besser konnte es doch gar nicht laufen! Natürlich mussten auch die anderen beiden bewegt werden. Ich war nach dem ganzen galoppieren müde und beendete die Stunde etwas früher als sonst. Ich zog ihr eine Abschwitzdecke an und ging rüber zu Oroya. Ich machte sie fertig zum longieren und ging mit ihr in den longierzirkel. Das longieren lief nicht gut. Die Stute testete mich aus und hörte schlecht. Es war schwierig sich durchzusetzen. Fix und alle beendete ich dies nach einer halben Stunde. Da danach beide Zirkel besetzt waren ging ich mit orinda in die Halle und machte ein wenig bodenarbeit. Dies stärkte nochmal das Vertrauensverhältnis. Müde fuhr ich abends nach Hause und kam pünktlich zum Abendessen um sechs nach Hause. Hungrig verschlang ich einen Teller Nudeln und packte meine Sachen um zurück zur Klinik zu fahren.

Wir gingen zusammen in den Ausgang und N hatte mir wie versprochen Vodka mitgebracht. Ich exte fast eine halbe Flasche und vergaß das ich ja nichts mehr groß vertrug. Ich hatte lange nicht mehr richtig getrunken und mein Körper war nach dem langen Untergewicht schnell voll. Ich schwankte und war gut drauf. Ich konnte kurz allen Stress und Druck vergessen. Lachend lief ich mit den anderen durch den Park und bekam mich gar nicht mehr ein. Ich laberte eine Menge scheiße und verschickte sprachnachrichten die ich im Nachhinein bereute. E nahm mir die Flasche weg was mich mächtig wütend machte. Ich versuchte sie wieder zu bekommen aber er sagte ich habe längst genug und leerte den Rest in zwei Zügen. N trug mich ein Stück denn ich schwankte und war völlig weg. Hitze stieg mir ins Gesicht und ich hatte rote Wangen. Auf Station musste ich so tun als sei nichts was mir echt schwer viel. Mir war schlecht und alles drehte sich. N bugsierte mich in unser Zimmer und war so nett auf mich aufzupassen. Sie bezog mein Bett und l brachte mir einen Tee. Irgendwie zog ich mich noch um und viel todmüde in mein Bett. N deckte mich zu und ich schlief augenblicklich ein. Sie erzählte am nächsten morgen ich sei wohl nochmal aufgestanden und aufs Klo gegangen und wäre nochmal aufgewacht um ihr mitzuteilen das ich meinen Kopf gestoßen hatte. An das meiste niedergeschriebene konnte ich mich kaum erinnern ich habe N gefragt was passiert ist. Ich würgte einige Male aber übergab mich nicht, auch wenn das vermutlich besser gewesen wäre.

Der nächste Tag war die Hölle. Ich wachte auf mit höllischen Kopfschmerzen und Übelkeit. Logischerweise hatte ich einen Kater. Ich durfte mir nichts anmerken lassen und ging zum wiegen und verbandwechsel. Zum Frühstück würgte ich so gut es ging etwas runter und machte mich auf zur Schule. Ich konnte mich kaum konzentrieren. Trotz der langen Nacht war ich müde und mein Kopf fühlte sich an als würde er platzen. Es waren komische Kopfschmerzen, katerkopfschmerzen. Nach der Schule ging ich duschen das hatte ich am Vortag nicht mehr geschafft. Ich hatte extremen SV Druck und klappte mein Buch auf. Die Klinge war weg! Ich wurde wütend und war irgendwie verletzt. Ich hatte n vertraut. Ich wusste das sie die Klinge nur zu meinem besten entfernt hatte aber sie tat es doch selbst! Sie verstand doch weshalb ich das tat! Ich würde sie zur Rede stellen wenn sie aus der Schule kommen würde. Immer wieder suchte ich alles ab, nichts. Sie musste sie entfernt haben. Die Kopfschmerzen wurden langsam besser, es ging auf Mittag zu. Mir war allerdings noch schlecht, das konnte allerdings auch der Stress sein. Wie sollte ich etwas zu essen runter bekommen?

Essen lief sehr schlecht. Der Tag ging nur schleichend rum und ich hatte viel mit Panik zu kämpfen. Ich lag im Bett und starrte die Wand an, alles andere war zu anstrengend. Ich wollte doch entlassen werden... aber ich bekam nichts auf die Reihe. Ich hatte in allem versagt. Nichts lief mehr gut. Meine Therapeutin versuchte mich mit Hilfe einer zweiten zu überreden das ich blieb, sie setzten wirklich alles dran. Ich hasste in diesem Moment alles. Ich fühlte mich machtlos und klein. Verzweifelt sank ich zu Boden und weinte. Ich wollte nach Hause! Aber ich wusste das ich es zu Hause nicht aushalten würde. Es würde nicht funktionieren. Nirgendwo würde es funktionieren, denn der Fehler lag ganz alleine bei mir. Nur bei mir. Ich bekam einfach nichts auf die Reihe. Ich verletzte jeden und stieß ihn weg von mir und machte alles kaputt was mir wichtig war. Ich war unfassbar müde. Ich wollte nicht mehr. Ich wollte mir die Arme aufschneiden, trinken, Drogen nehmen, egal, einfach irgendwas im flüchten zu können, irgendwas um mich kurz besser zu fühlen. Aber wenn ich das tat würde ich sofort raus fliegen. Ich hatte Angst. Angst vor mir, Angst vor der Zukunft. Angst nicht gut genug zu sein. Angst zu versagen. Angst Fehler zu machen. Und daraus entstand unfassbar viel Druck, der Drang nach Perfektionismus. Ein Ehrgeiz der ins wahnsinnige ging. Egal bei was, in der Schule, beim reiten , zeichnen, backen, joggen. Ich war nie gut genug. Wollte immer besser sein. Nicht mal hungern konnte ich gut genug. Es reichte nie. Und daraus entstand unfassbar viel Stress. Stress der mir die Luft abschnürte. Stress, der mich in panikattacken rutschen ließ.  Aber ich wusste ich war alleine. Es interessierte keinen, den alle wussten das sie mir nicht helfen konnten. Anfangs waren sie bemüht, anfangs hatten sie es versucht, aber die meisten hatten begriffen das ich ein undurchdringbarer Nebel war. Ein zwei wenige waren noch da, aber ich wollte sie nicht belasten. Sie konnte mir sowieso nicht helfen. Ich konnte keinem sagen was ich wirklich fühlte, was wirklich in mir vorging. Also schrieb ich es hier nieder. Ich war müde. Unfassbar müde. Ich hatte keine Kraft mehr, für nichts. Ich war alleine, erstickte fast an den Tränen. Ich hatte Angst, denn ich war alleine. In mir tobt ein Sturm und wenn ich dann zu müde bin weil ich ihn nicht aushalte herrscht nur noch leere. Und Kälte. Ich wollte mir die Arme aufschneiden, irgendwas spüren um mich nicht umzubringen, aber ich durfte ja nicht. Ich wollte einfach nur schlafen, aber ich konnte nicht. Ich konnte dieses leid nicht in Worte fassen. Mein größtes Hobby, meine Leidenschaft, die Pferde, waren zu anstrengend und stressten mich. Alles fühlte sich taub an. Ich fühlte mich fett und eklig. Ich wusste nun was sie meinte. Ich wusste nun wie sie sich fühlte... sie... ob sie es jemals lesen würde? Ich liebte sie so sehr... aber ich spürte diese Liebe nicht mehr. Ich spürte nichts mehr. Aber ein winziger Funken Hoffnung war da, ich wollte sie nicht auch noch verlieren, aber nun wusste ich was sie immer versucht hatte mir zu erklären. Wie verzweifelt sie gewesen sein muss. Ich hatte Angst sie zu verlieren. Ich würde sie verlieren. Ich hatte keine Kraft mehr zu kämpfen und ich wusste sie würde auch aufgeben. Keiner von uns hatte genug Kraft für zwei zu kämpfen, wir konnten uns doch selbst kaum über Wasser halten. Ich wollte doch nur schlafen! Ich war so müde. Den ganzen Tag, die ganze schlaflose Nacht. Mein Kopf, er ließ mich nicht in Ruhe. Mein Herz war taub und kalt, in meinem Kopf tobte ein Sturm und mein Körper war schwer. I feel stupid.

Nie gut genug Where stories live. Discover now