Ace, der Frauenversteher

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Seine Zimmergenossen mussten irgendwo Anhang gefunden haben, denn sie blieben bis spät in die Nacht fort und machten die Stadt unsicher - aber da weder Quentin noch Eugene extrovertiert genug für Clubbesuche wirkten, konnte Ace nur vermuten, dass sie Soda mit kompliziert erschlichenem Alkohol mischten und sich auf der Betonfläche hinter irgendeinem Walmart zu lauter Boxenmusik betranken.

Das klang langweilig. Zumindest hatte Ace entschieden, dass es langweilig klang, nachdem er eine zeitlang ein Stechen bei dem Gedanken gespürt hatte, dass er niemanden hatte, der mit ihm laute Musik hören und schlecht gemixte Getränke trinken wollte. Vielleicht lag es irgendwie an seinen Eigenarten. Zynismus, Bissigkeit und Niedergeschlagenheit waren eine schlechte Mischung, um Bekanntschaften zu vertiefen.

Ace hatte bis spät gezeichnet, und als er müde geworden war, fünfmal dasselbe Auge neu ansetzen zu müssen, hatte er sich durch Youtube-Videos geklickt. Wie so oft nahm Ace die vergangenen zwei Stunden erst wahr, als er auf die Uhr blickte.

Aus den hochspannenden Berichten über kranke japanische Kriegsverbrechen, 'Sind deine Freunde Narzissisten' und einem Satirevideo über den Israel-Konflikt (das er sich anschauen wollte, um sich klüger zu fühlen, nur um dann kaum die Hälfte zu verstehen) hatte ihn sein Körper gerissen. Seine Blase, um genauer zu sein, die sagte, es wurde Zeit, das Zimmer zu verlassen. Ace kam ihrem Gebot nach.

Er war gerade auf dem Rückweg vom Jungsklo und genoss das Gefühl von zufriedenen Organen, als er das Geräusch hörte. Verhaltenes Schluchzen klang aus der Tür neben ihm.

Mit bangen Gefühl blieb Ace stehen, sah auf das Schild, dass in der Flurbeleuchtung deutlich die Mädchentoilette auswies, und rang mit sich. Das war nicht seine Angelegenheit. Am Ende würde man sauer auf ihn sein, weil er sich einmischte. Außerdem sollte sich lieber ein anderes Mädchen drum kümmern, denn es waren sicherlich Mädchenprobleme, und - ... und der menschenleere Flur sah nicht danach aus, als würde rasche Hilfe kommen.

Ace zwang das Gefühl in seinem Magen weg. Wenn die Person nicht mit ihm darüber reden wollte, dann konnte sie das ja immer noch sagen, und sie würden die Konversation beide unbeschadet verlassen. Und mit diesem Gedanken drückte er sachte die Tür zum gefliesten Raum auf.

Seine Schritte waren leise, als er weiter bis zu den Kabinen schritt, von denen zwei frei waren und die Dritte besetzt. Das Schluchzen hallte inzwischen deutlicher in seinen Ohren. Dennoch konnte Ace das Gefühl nicht ablegen, hier falsch zu sein - als würde er etwas ganz und gar illegales machen, wenn er sich als Junge in die Mädchentoilette begab. Hoffentlich hatte die Toilettenpolizei heute ihren freien Tag.

Zaghaft hob er die Hand und klopfte mit den Knöcheln gegen die abgeschlossene Tür. "Hey, äh... bist du okay?"

Schniefen ertönte, und Schweigen. Eine - vermutlich, wenn sie nicht von Rotz und Tränen verhangen war - süße Mädchenstimme erkundigte sich schließlich leise: "Wer da?" Das klang schonmal vielversprechender als 'Hau ab'.

Er ließ sich behutsam gegen die Wand der nächstgelegenen Toilette sinken, von der aus er immer mal zur Tür schielen konnte. Sicherheitshalber. "Ace. Ähm... Ace Johnson. Ich bin mit meiner Klassenstufe hier." Kurz überlegte er, ob er mitteilen sollte, dass er sich für gewöhnlich nicht des Nachts auf die Mädchentoilette schlich, aber irgendwie kam ihm 'Ich mach sowas hier eigentlich nicht' kurz vor dem Aussprechen doch seltsam vor. Er behielt es lieber für sich.

"Ich kenn dich. Idiot", wurde ihm zwischen zwei leisen Schniefern mitgeteilt. Ace fragte sich, ob das schon das Hau ab war. Er war nicht immer gut darin, den Subtext in den Worten anderer Menschen mitzulesen. Allerdings war er nun auch in der Lage, die Stimme einzuordnen. Das war Quinn. Puppengesicht-Quinn, 'Ich will das Trophäengirl für einen der beliebtesten Typen sein'-Quinn. Aber auch das sprach Ace klugerweise nicht aus.

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