Ace soll Köder spielen

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Ace starrte Nero mit großen Augen an, und Branwyn tat es ihm gleich. Sie war die erste, die ihre Stimme wiederfand. "Das ist nicht dein Ernst."

"Sehe ich aus, als mache ich Scherze?" Keine Ahnung. Ace wäre am liebsten laut geworden. Keine Ahnung, denn seit deine Stimme diese Dinge macht, ist es verdammt schwer, irgendwas da rauszulesen. Sprich doch wenigstens wie ein normaler Mensch! Stattdessen biss er die Zähne aufeinander und knurrte: "Ich hoffe für dich, dass du Scherze machst. Du glaubst doch nicht echt, dass wir dir das durchgehen la-!"

Der Schuss löste sich, und die Kugel schlug so nah neben Aces Ohr ein, dass er einen Moment lang gar keinen Ton mehr rausbrachte. Sein ganzer Körper zitterte. Und obwohl er das Loch in der Wand aus dem Augenwinkel sehen konnte, brannte eine Phantomempfindung seine Ohrmuschel entlang, als wäre er getroffen worden. In seinen Ohren fiepte es so aufdringlich, dass er das Gefühl hatte, die Worte zwischen Nero und Branwyn nur undeutlich zu verstehen.

"-em, nicht wahr?" Ace schüttelte seinen Kopf, ganz, ganz langsam, in der Hoffnung, es könnte das aufdringliche Fiepen vertreiben. Es war, als wären seine Ohren unter Wasser. Alles war verzerrt und gedämpft. Ace meinte, er würde er fernes Kratzen hören, wie von Krallen, die eine Tür entlangschabten, aber auch das konnte nur Einbildung sein... hoffte er.

"Wir hätten -... wir hätten dich einfach liegenlassen sollen. Oder gleich abknallen." Die Worte entlockten Nero nur ein Schulterzucken.

"Stimmt. Hättet ihr. Und jetzt hör auf zu jammern. Du wirst deinen Körper unbeschädigt haben wollen, sonst kannst du die andere Nervensäge nicht mitschleppen." Branwyn hatte die Fäuste geballt. Ihr Körper bebte unter wütenden, angespannten Atemzügen. Aber sie hörte auf zu jammern, und ihrem Gesichtsausdruck nach schien sie sich elend zu fühlen. Ace dagegen war endlich wieder geistig soweit vorhanden, dass er protestieren konnte.

"Du meinst das nicht ernst." Die Stärke war aus seiner Stimme verschwunden. Er klang nicht aggressiv, er klang, als würde er betteln - und so ungern er das wollte, war da immer noch dieses nachlassende Fiepen in seinen Ohren, dass ihm erklärte, jetzt war der falsche Zeitpunkt für Angriffe.

"Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen-" Nero räusperte sich kurz. Der leise, raspelnde Ton blieb, aber diesmal ließ ihn das nicht weniger angsteinflößend wirken. "-Sehe ich aus, als mache ich Scherze? So, wie die Dinge stehen, wirst du so oder so draufgehen. Da draußen hast du die Möglichkeit, dass es schnell geht. Hier drinnen werde ich mir Zeit lassen."

"Und du glaubst, ich schau da einfach tatenlos zu?!" Wo Ace verschreckt war, schien Branwyn sich wieder gefangen zu haben. Sie fauchte, als würde sie gar nicht hören, wie draußen langgezogenes schrilles Quietschen ertönte, wie Nadeln auf Metalltür. Branwyn drehte sich nicht einmal um. Und unter anderen Umständen wäre er ihr dankbar für ihren Einsatz, aber aktuell konnte Ace nicht an mehr denken als an diese Mündung, die auf ihn gerichtet war.

"Ich würds dir raten." Für einen kurzen Moment schwenkte die Waffe um, aber diesmal zielte sie nicht auf Branwyn, sondern auf die bewusstlose Katherine. "Sonst lass ich sie die Konsequenzen tragen für jede Dummheit, die du glaubst, veranstalten zu müssen."

Branwyn hatte die Zähne zusammengepresst. Ihre Fingerknöchel waren weiß vor Anspannung und Zorn, aber die Drohung gegen Katherine schien ihr stärker zuzusetzen als jede Gefahr für ihre eigene Gesundheit.

"Nero..." Aces Stimme klang inzwischen jämmerlich. Wo war all sein trotziger Mut von zuvor hin? Als würden sie seine Panik schmecken können, wurde das Kratzen und Scharren vor der Tür lauter. Irgendwo darunter meinte Ace, eine Stimme zu vernehmen. Er war sich ziemlich sicher, dass es keine menschliche war. "Nero, ich will das nicht."

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