Ace will ein mutiger Junge sein

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Sich mutig und abgebrüht zu geben, war eines. Es zu sein, war eine ganz andere Angelegenheit, und Ace war es nicht - war es niemals gewesen. Er hatte den Anfang der Bewegung wahrgenommen und zog die Tür mit erschrockenem Keuchen zu. Wenige Momente später knallte etwas mit dumpfen Klingen gegen das Metall, und Ace spürte sich am ganzen Körper zittern, während seine Hände sich um das Rad herum verkrampft hatten.

„G-gute Spezialeffekte haben sie schonmal." Scheiße. Er klang wie eine verängstigte Hausfrau. Das war nie und nimmer sein Ziel gewesen, und Ace hoffte inzwischen um seiner selbst willen, dass keiner zusah.

Andererseits – wenn keiner zusah, war er allein. Und Ace fühlte sich weniger und weniger wohl damit, allein zu sein.

Mit schweißnassen Händen drehte er das Schott zu und lehnte sich schweratmend dagegen. Das Einzige, was bei seiner Stimmung noch fehlte, war gruselige atmosphärische Musik. Und sobald wieder irgendwas aus dem Nichts auf ihn zurannte, musste sie sich zu einem blutfrierenden Crescendo emporschrauben, dann wäre er wenigstens zu geschockt zum Quieken.

Er holte sein Handy heraus, als könnte es die Einsamkeit bekämpfen, sich dumme Katzenvideos und Memes anzuschauen, und durfte feststellen, dass er weder Internet noch Empfang besaß. Hervorragend. Verfickt großartig? Wie hatten sie das nun wieder-...

Ace starrte das Gerät an und spürte die leise Irritation tief in seinem Kopf. Was sie sagte, war das ist dein Handy. Und zwar exakt sein Handy. Mit demselben Sperrbildschirm von seinem allerliebsten Anime-Ehemann, und derselben Hülle, und demselben Kratzer in der oberen rechten Ecke. Und die Tatsache, dass er sein exaktes Handy in der Hand hielt, konnte nur heißen –

Das hier musste real sein. Denn virtuelle Realitäten würden so etwas nicht nachahmen können.

Oder zumindest so real, wie eine Freizeitspark-Spukhausfahrt nunmal war. Vielleicht war das hier doch auf Neros Mist gewachsen. Vielleicht hatte der in seiner Recherche irgendwas über eine geschlossene Attraktion gelesen und beschlossen, sie Ace einmal ausprobieren zu lassen. Blöder Drecksack.

Ace brauchte eine Weile, bis er sich von der Tür löste. Er war zwei Schritte gegangen, dann warf er noch einmal einen Blick zum unglückverheißenden Schott. 5:30:26. Was auch immer man ihm damit sagen wollte.

Er wollte ungern noch lange bleiben, aber hatte die üble Vermutung, dass der einzige Weg aus seiner Misere am Schock-Monster vorbeiführte. Und ganz egal, ob es animatronisch war oder doch nur eine VR-Erscheinung, Ace ahnte, dass es nicht so schnell von ihm ablassen würde.

Aber das hier war nicht so viel anders als ein Videospiel, oder? Ace kannte Videospiele. Gut beleuchtete, freundliche Videospiele, bei denen die Gegner von weit weg betrachtet werden konnten, um sie weniger bedrohlich zu machen, und bei denen man Gesundheitsanzeigen hatte, um genau zu wissen, wann sich gruselige Gestalten im Schatten nicht mehr rührten ... Egal. Egal, entschied er. Es war doch nicht wirklich, als hätte Ace eine andere Wahl!

Nach etwas Abwägen beschloss er, dass er da auf keinem Fall unbewaffnet langgehen wollte. Und falls er versehentlich einem Freizeitpark-Mitarbeiter den Schädel einschlug, dann würde es ihm zwar sehr leid tun, aber es war auch nicht okay, Ace ohne sein Einverständnis so zu erschrecken. Er rüttelte an verschlossenen Spindtüren, bis endlich eine aufsprang, und ertastete ein großes, schweres Gerät darin, dass an einer Art Kunststoff-Schnur befestigt war. Ace zog es heraus. Sein Gehirn, das sich gerade noch einen äußerst modernen Kettenmorgenstern ausgemalt hatte, nahm war, was die Augen ihm mitteilten, und schickte empörte Enttäuschung aus. Die Augen wiederum konzentrierten sich auf den sehr waffenfähigen Handstaubsauger, den sie in Aces' Händen erblickten. Er hätte gelogen, hätte er behauptet, das wäre die Waffe seiner Wahl.

FrostbyteOù les histoires vivent. Découvrez maintenant