Ace vertraut aufs Schlimmste

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Man hatte sie durch den Schnee geführt, und als Aces Beine unter ihm nachzugeben drohten, wurde er über einen Rücken geworfen und als halbwaches, traurig baumelndes Bündel weitergeschleppt. Ihre Angreifer hielten kurz am Wagen der Mädchen, aber nur um festzustellen, dass sich tatsächlich kaum etwas von Wert darin befand. Um den Innenspiegel war eine Jacke gebunden, und als einer der Typen sie löste, um die vollen Ärmel zu überprüfen, konnte Ace ihn fluchen hören, als sich der Rest ihres gesammelten Wassers über ihn ergoss. Er schien ungehalten deswegen, aber wenigstens konnte der das nicht an Ace auslassen. Für Nero wiederum galt das nicht. Aber er hatte kein Mitleid, erzählte sich Ace. Nero war halbschuld, dass sie sich diesen Kerlen überhaupt erst ausgeliefert hatten. Kein. Mitleid.

Sie wurden über einen Hof geschleppt - glaubte Ace, denn er hatte Pflasterstein unter seinem baumelnden Kopf - und in eine große Scheune hinein, von der stickiger Geruch ausging. Im Inneren ging es durch eine Bodenklappe und steinerne Treppe weiter nach unten in einen Keller, und obwohl die kahlen Wände und das fahle Licht Kühle vermittelten, kam es Ace hier weit wärmer vor als draußen im Schnee.

Er hatte sich mühselig hin - und hergestreckt in der Hoffnung, die Haltung seiner Hände ein wenig angenehmer gestalten zu können, aber vergeblich. Jetzt stach seine Schulter, und in seiner Seite jammerten irgendwelche Muskeln überbeansprucht, und Ace zählte im Kopf die Sekunden, bis man ihn endlich zu Boden lassen würde.

Nicht lange darauf tat sein Angreifer ihm diesen Gefallen. Er sackte unsanft zusammen, rutschte mit dem Rücken an etwas herunter, was Gitterstäbe zu sein schienen, und blieb als Häufchen Elend auf dem Boden hocken. Nero wurde neben ihn geschmissen - zumindest folgerte Ace das aus der Geräuschkulisse - und er hoffte schon, jetzt einen Moment Ruhe zu bekommen, als sich weitere Schritte näherten. Die Stimme, die kurz darauf erklang, war hart, aber zweifellos weiblich.

"Das waren alle?"

"Jep", grunzte einer der Männer. "Gab keine unangenehmen Überraschungen. Mani hatte Recht, die hatten wirklich nich' viel mehr als sie am Körper tragen."

"Was in manchen Fällen ja nicht allzu viel zu sein scheint." Schritte näherten sich. Ace konnte nur mutmaßen, dass sie vor Nero hielten. Eine zeitlang sprach keiner, und Ace konnte nur Rascheln vernehmen, sich bewegende Körper und zuletzt unwilliges Grollen. Dann erhob die Frau die Stimme wieder. "Der hier könnte Güteklasse eins sein, müssen nur die Haare loswerden. Seid ihr für die Kopfwunden verantwortlich?"

"Meinste die Schramme im Gesicht? Musste sein. Er hat aufgemuckt."

"Hätte ich sie gemeint, dann hätte ich Schramme gesagt. Ich meine das unter der Haarmatte." Nun ertönten wieder Schritte, und diesmal konnte Ace die schlanken Stiefel erkennen, die sich in sein Gesichtsfeld schoben. Unwillkürlich versuchte er ein wenig nach hinten zu rutschen.

"Hm?... Nee, da haben wir nichts gemacht." Der Mann verstummte, ehe er - wie auf einen Gedankenblitz hin - noch einmal hinzufügte: "Aber er hat versucht, uns Schiss zu machen. Mit irgendwelchen Namen, die ihn wohl kennen. Jemals von nem Jaschikoff gehört?" Raue Finger hielten Aces Kinn gepackt, drehten sein Gesicht hin und her, aber hielten inne, als die Frage durch den Raum klang.

"Bitte?" Sie beherrschte es, ein einziges, freundlich konnotiertes Wort klingen zu lassen, als wäre es Stahl.

"Yershikow", wurde korrigiert - von Nero, dessen Stimme vielleicht nicht schneidend, aber dennoch recht einnehmend war. Aber vielleicht war das auch nur eine Nero-Sache, und jeder andere wäre mit derart leisen Raspelworten schon übertönt wurden. Die Stille, die er durchbrochen hatte, kehrte zurück und machte sich breiter als zuvor.

"...Er hat versucht, dir mit Yershikow zu drohen?"

"Dumme Idee, ich weiß. Ich hätte ahnen sollen, dass der rangniedrigste Affe erstmal aufgeschmissen ist, sobald das Gespräch sich eine Ebene höher bewegt." Neros Ton klang beinahe freundlich. Allmählich hatte Ace das Gefühl, es war seine Art, Zufriedenheit auszudrücken.

FrostbyteWhere stories live. Discover now