Ace darf mal entspannen

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Als Aces Bewusstsein sich zum ersten Mal zurück kämpfte, fühlte er sich nur halb erbärmlich - was seltsam war. Vorher hatte er sich gefühlt, als ob sich von seinem entzündeten Arm aus Eiszapfen in den Körper bohren würden. Neue Schmerzwellen mit jedem Herzschlag. Aber diesmal war es anders. Sein Untergrund war weich - weicher als mehrere Nächte in einem ungepolsterten Fahrzeug. Ihn umgab ein eigentümlicher Geruch. Es roch lebendig, nach Tieren und Pflanzen ... aber nicht schlecht.

Aces Arm pochte, und doch waren die Schmerzen weit weg, wie unter einer Nebelwolke versteckt. Er debattierte mit sich selbst, ob er die Augen aufschlagen wollte, doch Bequemlichkeit sprach am Ende dagegen. Ace wollte den ruhigen Dämmerzustand nicht eintauschen gegen die Schrecken, die die Realität für ihn bereithalten mochte. Nach kurzer Zeit riss ihn die Erschöpfung wieder fort, und es dauerte nicht lange, bis er erneut eingeschlafen war.


Zum ersten Mal wieder wach wurde er zum Geräusch einer Stimme, Druck an seiner Schulter und leisen Schmerzen im rechten Arm. Ace zwang sich, schwere, verklebte Lider zu öffnen. Einen Moment lang war noch alles verschwommen, und im nächsten sah er das fremde Gesicht direkt vor ihm hängen.

Die Haare waren glatt, die Haut dunkel, die Nase breit und stupsig und die Brauen so blass, sie könnten aufgemalt sein. Ace fühlte sich nicht überrascht - vielleicht war er dazu noch zu benommen. Außerdem waren die Augen der fremden Frau freundlich. Sie hatten etwas von einer Kuh, gutmütig und gelassen.

"Ey, Man. Du musst auch mal was trinken. Sonst gehst du uns trotzdem ein." Ace wollte sich äußern, aber merkte, dass seine Kehle trocken und zugeklebt erschien. Keine optimale Voraussetzung.

Erst jetzt ging ihm völlig auf, was für ein Lärm um sie herrschte. Es war nicht übermächtig, sondern glitt an seinem erschöpften Bewusstsein mal leiser und mal lauter vorbei, und doch hatte man das Gefühl, dass einfach überall Geräusche waren.

Störendes Piepsen, dass er weder Vogel noch Kleintier ganz zuordnen konnte, füllte den Dachraum über ihnen. Die Luft war dick, von schwerem, kräftigen Geruch erfüllt, und irgendwo weit hinter sich glaubte er tiefe, dröhnende Laute von Wesen zu vernehmen, die ein bisschen wie Schafe nach einem Stimmbruch klangen. Rascheln mengte sich darunter, und Fiepen, und leise Unterhaltungen von Personen, die zu einem unkenntlichen Wortschwall verschwommen. Man könnte meinen, er sei mitten in einem Wanderzirkus aufgewacht.

Selbst wenn seine Gesprächspartnerin einen großen Teil des Blickfeldes vereinnahmte, konnte Ace die Sonne erahnen, die hinter ihr hereinfiel. Sie umrahmte ihr Haar mit einem goldenen Kranz. Ace schüttelte den Kopf und bemühte sich ein weiteres Mal krächzend. "Wo... bin ich?"

"Oben in den Ställ'n", meinte sie, als wäre das die selbstverständlichste Antwort der Welt. "Wir brauchten dich irgendwo, wo wir'n Auge auf dich haben können. Nich, dass du wieder beginnst zu bluten."

"...Danke?", kam über seine verwirrten Lippen. Ace hob die Hand mühsam, und mit ihr die Decke, die über seinen Körper ausgebreitet war. Sie roch nach Bauernarbeit, aber das war nichts, worüber er sich aktuell beklagt hätte.

Seine Finger schienen taub und unförmig, als er sie hervorzog. Dann fiel der Rest der Decke zur Seite und Ace musste sich korrigieren. Unförmig ja. Aber es war unmöglich, dass sich irgendwo unter dem Verband um seinen rechten Arm noch Finger verbargen. Ace schluckte den Knoten im Magen beiseite. Es war okay. Er würde klarkommen. Irgendwie. Bisher hatte Ace sich ja sowieso benommen, als hätte er zwei linke Hände, und genutzt hatte ihm seine Fingerfertigkeit lediglich-

...zuhause.

Du wirst vielleicht nie mehr zeichnen können, erklärte eine Stimme in seinem Kopf. Ace versuchte, sie und all ihre entsetzlichen Implikationen zur Seite zu drücken. Nicht daran denken. Es wird sich ein Weg finden. Wo Magie existierte, fand sich doch immer ein Weg.

FrostbyteWhere stories live. Discover now