Kapitel 3

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AMALIA

Während Bruno und ich für die Ratten das Drehbuch schrieben und uns über die verschiedenen Charaktere und Kostüme redeten, vergaßen wir komplett die Zeit. Erst als es Zeit fürs Abendessen wurde und Pepa und Julieta nach uns riefen, kamen wir aus unserem Versteck geklettert. Wir klopften uns den Staub und Dreck von unseren Klamotten, bevor wir schnell nach unten ins Esszimmer gingen, wo alle schon auf uns warteten.
"Tut uns leid, wir sind zu spät. Wir haben total die Zeit vergessen", entschuldigte ich uns und setzte mich zwischen Pepa und Julieta auf meinen gewohnten Platz. Bruno nahm uns gegenüber Platz, neben seiner Mutter, die am Kopfende des Tisches saß. So saßen jetzt alle auf ihren gewohnten Plätzen.
"Das haben wir bemerkt. Wo wart ihr zwei? Wir konnten euch nirgends finden!", fragte Alma neugierig nach, während wir uns alle etwas zu essen nahmen. Ich sah Bruno an, doch der zuckte nur die Schultern. Weder er noch ich wollten unser Versteck verraten, also mussten wir uns etwas einfallen lassen.
"Ach, wir waren ein bisschen hier und da", wich ich aus. "Draußen und drinnen, wie wir gerade wollten." Alma nickte nur, schien aber nicht ganz überzeugt zu sein. Sie schien aber zu merken, dass wir nicht mehr preisgeben wollten, also beließ sie es dabei und wandte sich dem Essen zu.
"Habt ihr mitbekommen, dass morgen ein Tanzfest auf dem Marktplatz stattfindet?", fragte Pepa irgendwann aufgeregt und als sie das sagte, bildete sich ein kleiner Regenbogen über ihrem Kopf. Sie musste sich darüber also wirklich freuen.
"Nein, um ehrlich zu sein nicht. Was ist damit?", fragte ich neugierig zurück.
"Da könnten wir morgen doch hingehen! Alle zusammen! Das macht bestimmt Spaß!", antwortete sie, Julieta nickte zustimmend.
"Ja, genau! Wir haben heute schon ein bisschen beim Aufbauen geholfen und es wird absolut toll!", stimmte sie ihrer älteren Schwester zu, aber Bruno schüttelte sofort den Kopf.
"Geht ihr nur, aber ich bleibe hier. Ich gehe nicht ins Dorf, sonst passiert nur wieder etwas", lehnte er ab und wirkte allein schon bei der Vorstellung an das Fest total nervös. Alma sah ihn an.
"Brunito, du kannst nicht als einziger hier bleiben! Wie sieht das denn aus? Reiß dich bitte mal ein bisschen zusammen!", wandte sie streng ein, aber bevor Bruno etwas dagegen sagen konnte, griff ich über den Tisch, um seine Hand zu nehmen.
"Wie wäre es, wenn wir später nachkommen? Dann haben wir genug Zeit, um uns ein bisschen vorzubereiten und vielleicht noch mal ein bisschen das Tanzen zu üben. Wäre das eine Idee?", schlug ich vor und sah Alma und Bruno an. Alma nickte, während mein bester Freund immer noch unsicher schien. Er kratzte sich nervös am Arm und warf sich etwas Salz über die Schulter.
"Ja, wieso nicht?", stimmte Alma zufrieden zu. "Dann kommt ihr zwei einfach nach."
"Sehr gut. Oder, Bruno? Dann können wir uns die Zeit nehmen, die wir brauchen", sagte ich und sah ihn an, er zuckte die Schultern.
"Wenn es sein muss", willigte er unzufrieden ein. "Aber ich bleibe nicht lange, sonst will nur irgendwer seine Zukunft wissen und macht mich wieder für sein Pech verantwortlich!"
"Du solltest dir das nicht so zu Herzen nehmen, hermanito. Manchmal wissen die Leute einfach nicht, was sie da sagen und was sie damit anrichten. Vergiss sie, ok?", wandte Julieta ein, wofür ich ihr wirklich dankbar war. Irgendwer musste den armen Jungen ja auch mal ein bisschen aufmuntern! Bruno seufzte und nickte.
"Ist ja gut, ich versuche es. Aber das ganze Dorf wird mich anstarren und wieder verteufeln, wie sie es immer tun", willigte er gereizt ein.
"Bruno, bitte, übertreib nicht! Du weißt genau, dass das alles nicht wahr ist!", widersprach Alma ihm streng. "Hab morgen Abend einfach Spaß! Das wird dir auch mal guttun, anstatt immer nur zu verschwinden und dich zu verstecken! Du kannst nicht ewig in deinem Zimmer bleiben!" Bruno krallte die Nägel in die Arme und ich bemerkte, dass ihn der Kommentar seiner Mutter auf hundertachtzig brachte. Aber bevor er sich aufregen konnte, sprang ich ein.
"Wird er auch nicht, wir zwei gehen morgen tanzen, haben Spaß und trinken etwas. Dann sieht die Welt schon ganz anders aus!", beeilte ich mich zu sagen. "Begleitest du mich später noch kurz nach Hause? Wenn du willst, können wir vorher auch noch eine kleine Runde laufen gehen." Er holte tief Luft und nickte dann, während er sich merklich entspannte.
"Ja, ok, machen wir. Ich bringe dich nach Hause", stimmte er zu.
"Danke dir", sagte ich und lächelte ihn an. "Die frische Nachtluft wird dir guttun, ganz sicher."
Nach dem Abendessen nahm ich Bruno an die Hand und lief mit ihm runter ins Dorf. Es war mittlerweile recht kühl draußen geworden und eine sanfte Brise wehte durch das Dorf und bog die Palmenblätter leicht um. Mir gefiel die klare Nacht, in der man heute jeden einzelnen, hellen Stern und den vollen Mond sehen konnte. Er war wirklich wunderschön. Meine Gedanken schweiften leicht ab, bis sie an etwas hängen blieben, das ich erst vor kurzem gelesen hatte. Man konnte angeblich auch aus den Sternen die Zukunft lesen und vielleicht konnte ich es lernen und Bruno damit etwas entlasten. Wenn ich ihm auch nur ein Gramm Druck von den Schultern nehmen könnte, wäre es das schon wert! Aber wie und wo konnte ich das nur lernen? Gab es vielleicht noch ein Buch darüber? Oder wusste es vielleicht jemand im Dorf? Fragen kostete nichts, möglicherweise fand ich ja jemanden, der wusste, wie das ging. Ich sah Bruno an.
"Wie wäre es, wenn ich lerne aus den Sternen die Zukunft zu lesen?", fragte ich neugierig nach, worauf er mich verwirrt ansah.
"Wie kommst du denn jetzt darauf?", fragte er perplex nach.
"Na ja, ich dachte, dass ich ja lernen könnte aus den Sternen zu lesen, um dir ein bisschen zu helfen. Wenn ich dich nur ein bisschen entlasten könnte, dann würde ich mich schon besser fühlen, weil ich dir helfen konnte", erklärte ich ihm. Er lächelte mich an.
"Das ist lieb von dir, wirklich, aber du solltest dir nicht meine Bürden auflasten. Sonst hassen dich alle im Dorf auch noch und das könnte ich mir nie verzeihen", wandte er besorgt ein.
"Musst du auch nicht. Mir ist es total egal, was die anderen von mir denken, aber du bist mein Freund und ich will dir nur helfen! Also bitte, lass mich das machen, ja? Damit es dir besser geht", erwiderte ich und sah ihn bittend an.
"Na gut, wenn du unbedingt möchtest, kannst du das gerne machen. Ist ja nicht so, als könnte ich dich irgendwie davon abhalten", sagte er grinsend und hüpfte über die kleinen Risse und Fugen in der Straße. Es war zwar wirklich lustig anzusehen und ich mochte seine Eigenarten auch sehr, aber so mit ihm an der Hand zu gehen, war doch recht anstrengend. Trotzdem machte ich mit und hüpfte ebenfalls über die Fugen und Risse, während ich versuchte seine Hand festzuhalten. Das war allerdings schwerer als gedacht.
"Da hast du recht", gab ich lachend zu und sah ihn an. "Also? Dann lerne ich die Kunst des Sternenlesens und helfe dir, ja?" Er nickte.
"Danke, Lia. Was würde ich nur ohne dich tun?", erwiderte er dankbar und lächelte mich an, ich erwiderte das Lächeln.
"Traurig rumsitzen. Und damit genau das nicht passiert, werden wir morgen Abend tanzen gehen. Vergiss die anderen Leute dort, ja? Lass uns einfach Spaß haben und uns bloß auf uns konzentrieren. Das wird das beste für dich sein", sagte ich.
"Und wenn uns jemand sieht? Besonders deine Eltern? Alle werden uns anstarren und wenn deine Eltern mitkriegen, dass wir zusammen auf dem Fest sind, kriegst du richtig Ärger!", wandte er nervös ein, aber ich schüttelte den Kopf.
"Uns sieht schon keiner, ganz sicher. Und selbst wenn, wäre es mir egal. Ich finde immer einen Weg zu dir zurück, ok? Ich lasse dich bestimmt nicht mit diesen Irren alleine! Wir gegen den Rest der Welt, ja? Wie früher als Kinder. Nichts und niemand kann mich davon abhalten, auch nicht meine Eltern", beruhigte ich ihn, obwohl ich seine Sorgen verstehen konnte. Meine Eltern waren sehr traditionell und besonders mein Vater hasste Bruno. Leider hatte Mamá irgendwann angefangen ihm zu glauben und wenn die beiden uns zusammen sehen würden, würden sie mich für immer im Haus einsperren und Bruno die Hölle heiß machen. Das wollte ich natürlich nicht, aber ich würde Bruno deswegen auch nicht aufgeben. Niemals. Er war mein bester Freund und ich würde ihn niemals verlassen.

Ich brauche dich, BrunoWhere stories live. Discover now