Kapitel 16

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BRUNO

Ich hatte mich verspätet - unbeabsichtigt. Ich hatte tatsächlich ein altes Buch bei Mamá gefunden, in dem ich einen weiteren Grund gefunden hatte, diese Hochzeit zu verhindern. Ich hatte mich so hineingelesen, dass ich beinahe die Zeit vergessen hatte. Aber als ich die Tür zur Kirche aufstieß, schien ich gerade noch rechtzeitig zu kommen. Alle drehten sich erschrocken zu mir um, nur meine Familie und Lia wirkten erleichtert. In der hinteren Reihe hörte ich zwei Mädchen tuscheln.
"Das ist Bruno Madrigal! Ist er etwa hier, um die Hochzeit zu zerstören?" Oh ja, das war ich! Aber nicht so, wie sie das wahrscheinlich meinten. Ich ging den Gang hinab, auf Lia zu.
"Ich hab etwas gegen diese Ehe! Ich liebe Lia nämlich! Und diese Ehe ist auch nicht rechtmäßig! Sie wird dazu gezwungen! Und die Kerze wird es beweisen!", rief ich und wollte zu Lia gehen, aber ihr Vater stand auf und hielt mich zurück.
"Du verschwindest sofort von hier! Du wirst Lias Leben nicht noch mehr zerstören!", fauchte er wütend, aber ich ignorierte seinen Kommentar und schob ihm bestimmt zur Seite, um zu Lia zu gehen. Sie lächelte mich glücklich an.
"Die Kerze reagiert auf Liebe. Sie wird bei sich Liebenden stärker brennen! Und deswegen kann ich beweisen, dass Cristiano und Lia nicht heiraten dürfen!", erklärte ich und nahm die Kerze vom Altar, um sie Lia in die Hand zu geben. Die Kerze schien beinahe auszugehen, als sie sie Cristiano hinhielt. "Da seht ihr es! Das ist reiner Zwang!" Ich schob Cristiano zur Seite und ging zu Lia, um ihre Hände zu nehmen. Sofort begann die Kerze grell zu leuchten, so grell, dass wir die Augen schließen mussten, um nicht temporär zu erblinden. Ich hörte vermehrtes erstauntes Aufkeuchen und dann Gemurmel, bevor ich die Kerze wieder auf den Altar stellte. Lias Vater kam wütend auf uns zu und auch Cristiano sah so aus, als würde er mich am liebsten erdolchen wollen. Irgendwie mussten wir hier rauskommen. Ich nahm Lias Hand und sah Pepa an, der ich knapp zunickte. Sie schloss die Augen und nur sekundenspäter zog ein heftiger Sturm in der Kirche auf, in dem man kaum mehr als einen halben Meter sehen konnte. Alle schrien erschrocken auf, während ich gegen den Wind ankämpfte und Lia mit mir aus der Kirche zog. Ich hörte die anderen Leute schreien, besonders Lias Vater, der nach seiner Tochter rief. Doch die sagte nichts und folgte mir nach draußen, wo noch die Sonne schien. Sobald wir aus der Kirche entkommen waren, ließ Lia mich los und fiel mir um den Hals.
"Du bist gekommen! Ich dachte schon, du hättest meinen Brief nicht bekommen!", rief sie glücklich und gab mir einen Kuss, den ich erwiderte.
"Doch, das hab ich. Ich hab bloß die Zeit vergessen, weil ich das mit der Kerze rausgefunden habe. Ich wollte noch ein extra Argument im Ärmel haben", beruhigte ich sie und drückte sie an mich. "Lass uns von hier verschwinden, bevor Pepas Sturm nachlässt, ja?"
"Ja." Wir wollten gerade zu Casita laufen, als die Kirchentür laut aufschlug. Cristiano, Esteban und der Rest der Kirche stürmten klitschnass nach draußen, worauf ich Lia einige Meter zurückschob.
"Du bleibst sofort stehen!", brüllte Esteban mich an. "Du kannst nicht einfach meine Tochter entführen! Sie wird jetzt heiraten!"
"Und zwar mich und nicht dich, du mieser Idiot!", fügte Cristiano wütend hinzu. Ich sah Mamá, Julieta und Pepa hilfesuchend an, die sofort zu mir kamen. Sie bauten sich schützend vor Lia und mir auf, während Pepas Sturm immer heftiger wurde und auch den Himmel hier draußen kräftig eintrübte. Ich drückte Lia an mich, um sie vor dem starken Wind zu schützen, sie vergrub ihren Kopf an meiner Schulter.
"Esteban, es reicht jetzt! Die Kerze hat gesprochen! Sie entscheidet, ob sich Paare lieben und sie ist das Herzstück unserer Gemeinde! Wir werden uns nicht gegen sie entscheiden!", wandte Mamá streng ein. "Und wenn Bruno und Lia sich lieben, dann können wir sie nicht auseinander reißen!"
"Du vielleicht nicht, aber ich kann das! Ich werde nicht wegen irgendeiner Kerze die Zukunft meiner Tochter aufs Spiel setzen!", widersprach Esteban ihr.
"Ich will diese Zukunft aber nicht! Ich hasse Cristiano!", schrie Lia ihn verzweifelt an. "Ich werde so nicht glücklich und ich will es nicht! Ich will mein eigenes Leben leben und meine eigenen Entscheidungen treffen!" Sie hielt sich an meinem Poncho fest, worauf ich sie an mich drückte. Ich würde sie nie wieder gehen lassen, ganz sicher nicht.
"Deine Entscheidungen sind absolut hirnrissig! Sieh dir doch nur an, was du hier veranstaltet hast! Du zerstörst den ganzen Tag!", widersprach Esteban ihr sauer.
"Sie zerstört gar nichts! Du zerstörst alles! Und Lia wird bei mir bleiben, da kannst du tun, was du willst! Ich liebe sie und ich würde ihr nie etwas antun - im Gegensatz zu dir!", verteidigte ich meine Freundin und hielt ihre Hand fest. Sie drückte meine.
"Du zerstörst mein ganzes Leben! Amalia gehört mir, sie wurde mir versprochen! Und du wirst dafür bezahlen, Bruno Madrigal!", schrie Cristiano mich wütend an und wollte auf mich losgehen, aber Pepa schrie auf und ein Blitz schoss aus der Wolke über ihr und traf Cristiano. Dieser taumelte erschrocken zurück, bevor er sich auf den Boden sinken ließ. Ich sah meine Schwester an, die ebenso geschockt schien wie alle anderen. Noch nie hatte sie jemanden verletzt, aber sie hatte es getan, um Lia und mich zu beschützen.
"Pepa, das...", begann ich, aber sie schüttelte den Kopf.
"Schon gut", murmelte sie und holte tief Luft, während die Luft wie einzugefrieren schien. "Ich wollte euch nur beschützen."
"Danke."
"Diese Hochzeit ist beendet! Julieta, hilf bitte Cristiano, wir gehen solange zu Casita", sagte Mamá, bevor sie uns in Richtung von Casita schob. Lia klammerte sich an meinen Arm und winkte Casita zu, die uns freudig die Tür öffnete. Erschöpft ließ Lia sich auf einen Stuhl in der Küche fallen und öffnete ihre Haare, sodass ihre Locken ihr locker auf die Schulter fielen. So gefiel sie mir schon wesentlich besser. Ich lächelte sie an und strich ihr eine Strähne zurück. Das schwierigste war geschafft, wir hatten die Hochzeit verhindert. Jetzt konnte Lia nichts mehr passieren. Ich würde mich um sie kümmern.
"Willst du dich vielleicht umziehen? Dieses Kleid ist ja nicht gerade nach deinem Geschmack", fragte ich, sie nickte.
"Ja, gerne, aber ich hab nichts hier. Und nach Hause kann ich gerade wirklich nicht", antwortete sie, ich lächelte sie an.
"Das macht nichts, ich leihe dir gerne was von mir, bis wir deine Sachen hier haben", wandte ich ein und stand auf. "Warte hier, ich bin gleich wieder da." Sie nickte und blieb in der Küche mit Pepa und Mamá sitzen, während ich nach oben ging, um Lia eine Hose, ein Hemd und einen Poncho zu holen. Es würde ihr guttun, aus diesem Kleid rauszukommen und es wegzulegen. Dann konnte sie diesen Tag vielleicht auch leichter verdauen. Und ich würde ihr bestehen und sie keine Sekunde aus den Augen lassen. Das versprach ich mit meinem Leben.

Ich brauche dich, BrunoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt