Kapitel 11

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AMALIA

Mit klopfendem Herzen wartete ich auf Brunos Antwort. Ich wusste, dass ich da wirklich viel von ihm verlangte, aber ich wusste einfach nicht, wie ich sonst aus dieser Situation herauskommen sollte.
"Ich soll... dich heiraten?", fragte er schließlich verwirrt nach.
"Ich... nein, so habe ich das nicht gemeint. Ich hab mich vielleicht falsch ausgedrückt", wandte ich schnell ein, damit ich Bruno nicht sofort verschreckte. "Was ich meinte, war, dass du in die Kirche kommst und mich einfach von Cristiano wegholst. Ich würde einfach solange bei dir bleiben, bis sich alles wieder beruhigt hat. Es sei denn natürlich, du..." Ich brach ab und schüttelte den Kopf. "Vergiss es, ich war bescheuert. Ich will diese Hochzeit nur mit allen Mitteln verhindern."
"Nein, schon gut, ich kann dich ja verstehen. Es ist nur...", begann er, doch wurde durch das Aufgehen der Tür unterbrochen. Ich drehte mich um und sah Julieta und Pepa reinkommen.
"Oh, stören wir?", fragte Julieta verwirrt, als sie uns sah, aber ich schüttelte schnell den Kopf.
"Nein, schon gut", antwortete ich, worauf Pepa mir ein Nachthemd gab.
"Das sollte dir passen", meinte sie.
"Danke euch", erwiderte ich und lächelte die beiden Schwestern an, während ich sanft über den weichen, hellen Stoff strich.
"Ich mach es." Ich drehte mich zu Bruno um und sah ihn verwirrt an.
"Du... machst es?", fragte ich verwirrt nach.
"Ja, ich mach es. Ich hole dich aus der Kirche raus", erklärte Bruno und sah mich an. "Ganz egal wie, aber ich kann nicht zulassen, dass du unglücklich wirst. Du bist meine Freundin und egal, was es kostet, aber ich kann das alles nicht verantworten." Ich lächelte ihn an und fiel ihm glücklich um den Hals.
"Danke, Bruno! Du bist der beste Freund der Welt!", rief ich begeistert und drückte ihn so fest an mich, dass er leise aufkeuchte.
"Danke, aber kannst du mich wieder loslassen? Ich bekomme keine Luft mehr", keuchte er, worauf ich ihn schnell losließ.
"Oh, tut mir leid."
"Sekunde mal, wovon redet ihr da?", fragte Pepa verwirrt nach. "Wieso soll Bruno dich aus der Kirche holen und hier verstecken?" Ich sah Bruno an, der nach meiner Hand griff und sie bestärkend drückte.
"Weil Lia Cristiano nicht heiraten will. Und egal, was Esteban versucht, aber ich will nicht, dass er Lia zu etwas zwingt, das sie nicht will", erklärte er. "Deswegen hat Lia sich einen Plan ausgedacht, falls der Ernstfall eintreten sollte."
"Können wir euch auch irgendwie helfen?", fragte Julieta neugierig nach.
"Ähm... na ja, ich wüsste im Moment nicht wie, aber es geht bestimmt irgendwie", antwortete ich unsicher. "Wir überlegen uns was. Danke, dass ihr mir helft."
"Gerne." Die beiden umarmten mich. "Wir kriegen das hin, denk nicht so viel darüber nach, ja? Und schlaft gut, ihr zwei."
"Ihr auch." Die beiden verließen das Zimmer wieder und schlossen die Tür hinter sich, worauf ich Bruno umarmte. "Danke noch mal. Ich weiß, dass ich viel von dir verlange, aber du bist der einzige, mit dem ich mir ein Leben vorstellen könnte. Du bist der einzige, der immer für mich da war."
"Und du für mich - obwohl ich ein Fluch für das ganze Dorf bin. Selbst bei dir kann ich bloß eine schlechte Zukunft sehen", erwiderte er, worauf ich ihn ernst ansah.
"Du bist kein Fluch, du bist der beste und tollste Mensch der Welt! Und du bist kein Fluch und kannst absolut nichts für die Sachen, die du siehst! Glaub den Leuten das bloß nicht, ja? Und wir werden alles tun, um genau diese Zukunft zu verhindern. So einfach geben wir nicht auf", beruhigte ich ihn und lächelte ihn an. "Und jetzt legen wir uns erstmal hin, ok? Etwas Schlaf wird uns nach heute guttun."

Am nächsten Morgen war ich noch genauso fertig wie am Abend zuvor. Ich setzte mich im Bett auf und strich mir eine lose Strähne hinter mein Ohr, da ich meine Locken zum Schlafen immer öffnete. Sie fielen mir ins Gesicht, aber ich mochte mich mit offenen Haaren. Leider durfte ich sie draußen nicht offen tragen, weil mein Vater dagegen war. Er war der Meinung, dass nur Huren ihre Haare offen trugen und verbat mir deshalb, meine Haare außerhalb des Hauses offen zu tragen. Aber ich wollte sie offen tragen. Ich nahm mir die kleinen Bänder, die auf dem Nachttisch lagen und mit denen ich mir für gewöhnlich meine geflochtenen Zöpfe zusammenband. Ich band mir das rote Band um den Kopf und verknotete es in meinem Nacken. Jetzt fielen mir meine Locken nicht mehr ins Gesicht und es gefiel mir, meine Haare offen zu tragen. Ich sah zu Bruno rüber, der noch schlief und leise schnarchte. Ich musste leise kichern. Er sah wirklich süß aus, wenn er schlief. Ich ertappte mich mal wieder dabei, dass mein Herz bei seinem Anblick immer höher schlug. Was war dieses komische Gefühl? War ich etwa... verliebt in meinen besten Freund? Das konnte doch nicht sein! Andererseits würde es erklären, warum ich ihm quasi vorgeschlagen hatte mich zu heiraten. Ich schüttelte den Gedanken ab und stand auf. Mein Kleid lag auf der Kommode, also nahm ich es und zog es mir über. Ich wollte Bruno nicht wecken, also streifte ich mir leise die Schuhe über und ging zur Tür. Ich öffnete sie leise und wollte gerade das Zimmer verlassen, als ich ein leises Brummen hörte. Ich drehte mich um. Bruno hatte sich im Bett aufgesetzt und sah mich aus müden Augen an. Ich musste grinsen, als ich sah, wie seine schwarzen Locken wirr vom Kopf abstanden. Er musste sie wirklich dringend kämmen.
"Tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken", sagte ich und schloss die Tür wieder.
"Schon gut, ich wollte sowieso aufstehen", erwiderte er und gähnte. "Und wo willst du hin?"
"Runter in die Küche und etwas essen. Willst du mitkommen? Julieta macht bestimmt schon Frühstück", antwortete ich, er nickte und quälte sich langsam aus dem Bett.
"Ja, ich komme mit", murmelte er und wankte müde zum Schrank hinüber, um sich seinen Poncho überzuziehen. Wir gingen zusammen raus auf die Galerie und wollten gerade die Treppe nach unten gehen, als die Haustür aufging und Alma mit Mamá und Papá hineinkam. Ich blieb sofort stehen, worauf Bruno mir eine Hand auf die Schulter legte und mich sanft an sich zog. Ich hoffte, dass sie uns nicht sehen würden, aber zu meinem Pech entdeckte mein Vater mich sofort. Sein Blick verdunkelte sich und er stürmte wütend auf die Treppe zu. Ich wich einige Treppenstufen zurück, doch Casita kam mir zur Hilfe. Sie verwandelte die unteren Treppenstufen in eine Rutsche, sodass mein Vater wieder zurück ins Erdgeschoss fiel. Ich tätschelte sanft das Geländer.
"Danke, Casita."
"Wie siehst du denn aus?! Wie trägst du deine Haare?! Du siehst aus wie eine Hure!", schrie mein Vater mich zornig an.
"Esteban! So kannst du Lia nicht nennen!", wandte Mamá ein.
"Sieh dir deine Tochter doch nur mal an!", schrie Papá sie an. "So kann sie doch nicht rumlaufen!"
"Esteban, es reicht. Wir gehen in die Küche und reden über alles in Ruhe. Solange kann Lia ja noch einmal hochgehen und sich ihre Haare machen", wandte Alma ruhig ein und warf mir einen vielsagenden Blick zu, den ich nur zu gut deuten konnte. Sie wollte nicht wirklich, dass ich meine Haare änderte, sie wollte nur meinen Vater beruhigen. Dieser sah mich wütend an, bevor er wortlos in die Küche ging. Ich drehte mich auf dem Absatz um und lief die Treppen wieder hinauf.
"Wo gehst du hin?", fragte Bruno verwirrt nach. "Willst du dir etwa wirklich Zöpfe flechten? Mamá hat das nicht so gemeint!"
"Ich weiß, aber ich will wissen, was die da unten so bereden", erwiderte ich und kletterte hinter das Bild. "Kommst du mit? Ich könnte unter Umständen etwas Beistand gebrauchen." Er seufzte leise und kletterte mir nach.
"Was ich nicht alles für meine Freundin tu", murmelte er, bevor wir zusammen ins Geheimzimmer hinter der Küche gingen. Hoffentlich konnte Alma meine Eltern davon überzeugen, dass diese Hochzeit eine absolute Schnapsidee war!

Ich brauche dich, BrunoWhere stories live. Discover now