Kapitel 21

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AMALIA

Obwohl Bruno mir nicht allzu sauer schien, dass ich weg gewesen war, fühlte ich mich deswegen noch sehr schuldig. Ich hatte ihn alleine gelassen, in einer Zeit, in der er sowieso wahrscheinlich sehr anfällig für alles mögliche gewesen war, schließlich waren die letzten paar Tage und Wochen nicht gerade einfach gewesen. Weder für ihn noch für mich. Aber als ich am nächsten Morgen mit Bruno zum Frühstück ging, schien all das vergessen zu sein. Alle sprangen sofort auf, als sie mich sahen und umarmten mich so stürmisch, dass ich beinahe umfiel. Über Pepa bildete sich ein riesiger Regenbogen und die Temperatur wurde plötzlich irrsinnig heiß. Sie freute sich wohl wirklich, dass ich wieder hier war. Ich mich auch.
"Da bist du ja wieder! Wo warst du denn? Wir haben uns alle riesige Sorgen gemacht! Besonders Bruno! Der konnte kaum was essen!", rief Julieta erleichtert, worauf ich meinen Freund ansah.
"Ach ja? Du hast nicht mal was gegessen?", fragte ich nach, er wurde leicht rot und nickte verlegen.
"Mag sein, ich hab dich eben vermisst", gab er zu, ich lächelte und umarmte ihn.
"Ich dich auch, Brunito. Es war eine blöde Idee von mir zu gehen", erwiderte ich und ließ ihn langsam wieder los, damit ich die anderen ansehen konnte. "Ich muss nur noch eine Sache erledigen: Ich will, dass meine Mutter sich von meinem Vater trennt. Es kann so nicht weitergehen."
"Das wissen wir, Lia, aber deine Mutter möchte das nicht, um uns alle zu schützen. Wie willst du sie überzeugen?", erwiderte Alma besorgt.
"Ich schreibe meinen Großeltern. Die werden sich darum kümmern, dann kriegen wir das sicher hin. Sie werden meinen Vater bestimmt zurück zu sich holen, wenn sie rausfinden, was er getan hat", antwortete ich. "Ich bräuchte bloß etwas Briefpapier."
"Das bekommst du!", sagte Pepa und rannte nach oben in ihr Zimmer.
"Hast du eigentlich vor deiner Mutter zu sagen, dass du wieder hier bist? Sie hat sich riesige Sorgen gemacht, sie war jeden Tag hier!", fragte Julieta nach, ich nickte.
"Ja, ich gehe später nach Hause und sage Bescheid. Ganz egal, was Papá dann macht, aber ich sage Mamá Bescheid", antwortete ich ihr, worauf Bruno mir eine Hand auf die Schulter legte.
"Dann komme ich wohl lieber mal mit und passe auf dich auf", meinte er. "Nicht, dass dein Vater wieder blöd wird und anfängt, dir oder Ines etwas anzutun."
"Das ist lieb von dir, danke, aber ich will nicht, dass du in Schwierigkeiten kommst. Du musst nicht mitkommen", wandte ich ein, aber er schüttelte den Kopf.
"Ich komme mit, keine Widerrede. Ich helfe dir", widersprach er mir, ich seufzte.
"Ist gut, dann komm mit", willigte ich ein. "Aber du passt auf dich auf, ja? Keine irren Aktionen."
"Das sagt gerade die Richtige", gab er grinsend zurück, als Pepa auch schon wieder zu uns kam. Sie hielt mir etwas Briefpapier hin.
"Hier, bitte. Dann kannst du den Brief gleich aufsetzen", sagte sie, ich lächelte sie an.
"Danke, Pepa", erwiderte ich und nahm das Papier an. "Dann werde ich den Brief gleich schreiben und später abschicken. Danach gehe ich nach Hause."
Sobald wir gegessen hatten und ich den Brief aufgesetzt hatte, gingen Bruno und ich zu meinem Haus. Ich war zwar wirklich nervös wegen dem bevorstehenden Gespräch, aber ich wusste auch, dass es sich nicht vermeiden ließ, wenn ich meiner Mutter helfen wollte. Ich holte tief Luft, als wir vor der Tür standen und sah Bruno an.
"Bereit?", fragte ich ihn, er nickte und drückte meine Hand.
"Ja, so bereit wie es geht. Und keine Sorge, ich bin direkt neben dir, wenn etwas sein sollte", antwortete er, also hob ich die Hand und klopfte gegen die Tür. Sie wurde mir nach einer kurzen Weile von meiner Mutter geöffnet, die mich überglücklich ansah und mich dann umarmte. Ich erwiderte die Umarmung.
"Mi hija, wo warst du denn? Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht!", rief sie erleichtert und ließ mich wieder los, während ihr vor Freude Tränen in den Augen standen.
"Es tut mir leid, ich hab mich nur einfach so schuldig gefühlt und musste weg! Es tut mir wirklich leid, Mamá. Aber jetzt bin ich wieder da und ich kümmere mich um alles, versprochen. Ich lasse nicht zu, dass Papá dir weiter wehtut", antwortete ich ihr und drückte ihre Hände. Da erklangen Schritte hinter Mamá, bevor Papá an die Tür kam. Er sah Bruno und mich gereizt an.
"Ach nein, sieh an, wer wieder da ist. Die Abtrünnige und ihr verkommener Freund", knurrte er gereizt, aber ich verschränkte die Arme und sah ihm trotzig in die Augen.
"Nein, deine Tochter und ihr fester Freund! Und ich wollte es dir nur gesagt haben: Ich lasse nicht weiter zu, dass du jeden hier wie einen Fußabtreter behandelst! Du wirst noch sehen, was du davon hast, aber ich lasse das nicht weiter zu! Und Bruno auch nicht! Wir werden dich aufhalten, darauf kannst du Gift nehmen!", erwiderte ich selbstsicher, doch er lachte daraufhin nur.
"Du und der kleine Hellseher wollen mich aufhalten? Wie denn? Und wovor? Ich kann tun und lassen, was ich will! Ich habe in diesem Haus das Sagen, da kannst du gar nichts machen, meine Liebe! Selbst, wenn du noch so stur bist! Aber dein Leben ist durchgeplant und das wird auch genauso verlaufen! Der Termin für die neue Hochzeit wird gerade verhandelt", wandte er spöttisch ein, worauf Bruno meine Hand drückte und mich einen Schritt zurückschob.
"Das kannst du vergessen, Esteban! Lia wird Cristiano nicht heiraten, sie will das nicht! Das war doch erst der Grund, warum sie überhaupt abgehauen ist! Ist dir das denn völlig egal?!", fuhr er ihn an, was ich wirklich mutig fand. Er hatte meinem Vater nun schon öfter die Stirn geboten, eine Sache, die sich bisher nur wenige Menschen getraut hatten. Und obwohl Bruno sonst so schüchtern war, war er auch sehr defensiv, wenn es um seine Freunde ging. Und das schätzte ich sehr an ihm.
"Du kleiner Wichtigtuer hast mir überhaupt nichts zu sagen! Amalia ist meine Tochter und sie wird tun, was ich sage! Und sie wird Cristiano heiraten, ganz einfach!", fuhr Papá ihn wütend an, doch Bruno schüttelte den Kopf.
"Nein, denn das kann sie nicht. Sie ist nämlich schon mit mir verlobt", konterte Bruno, worauf ich verwirrt innehielt. Hatte er das gerade wirklich gesagt? War das seine Version eines Antrags oder wollte er mich bloß beschützen? Ich wusste es nicht. Ich war zu verwirrt, um etwas zu sagen, deswegen blieb ich einfach still und beobachtete die Reaktion meines Vaters. Sein Gesichtsausdruck wechselte innerhalb von Sekunden von wütend zu verwundert und dann wieder zurück zu wütend. Er biss die Zähne aufeinander, bevor er auf Bruno losgehen wollte, aber ich zog meinen Freund schnell zur Seite.
"Du lästiger Nichtsnutz! Du zerstörst meine ganze Familie! Nur wegen dir spielen hier plötzlich alle verrückt!", brüllte er ihn zornig an, was auch die Nachbarn neugierig auf die Straße lockte. Bruno sagte nichts dazu, sondern versuchte nur weiter meinem Vater auszuweichen, während ich ihm nicht von der Seite wich.
"Esteban, Stopp!" Marco kam aus seinem Haus gerannt und hielt meinen Vater fest. "Du drehst durch! Bruno kann nichts dafür, dass du deine Pläne nicht durchsetzen kannst! Lia kann Cristiano nicht heiraten, das musst du doch einsehen! Sie liebt ihn nicht! Lass deiner Tochter doch wenigstens ein Mal ein bisschen Freiraum!", schrie er ihn an. "Und wenn Bruno und Lia sich lieben, dann musst du das akzeptieren und sie unterstützen." Papá riss sich los und ging zurück zu unserem Haus.
"Ich habe keine Tochter mehr! Sie kann tun und lassen, was sie will, aber sie verbaut sich das ganze Leben! Komm, Ines!", fuhr Papá uns an und wollte Mamá ins Haus ziehen, aber sie riss sich los.
"Nein, Esteban, so kann es nicht weitergehen. Ich möchte, dass du mein Haus verlässt. Geh bitte, du bist hier nicht länger willkommen", sagte Mamá mit fester Stimme und ich war noch nie stolzer auf meine Mutter gewesen. Endlich erhob sie mal ihre Stimme! Mein Vater sah sie wütend an und wollte etwas erwidern, aber Marco legte ihm eine Hand auf die Schulter.
"Ines bringt dir deine Sachen raus und du bleibst bei mir, ja? Wenn du dich beruhigt hast und wieder bei Sinnen bist, können wir ja vielleicht noch mal über alles reden", sagte er und schob Papá dann auch schon auf sein Haus zu. Ich umarmte meine Mutter.
"Ich bin stolz auf dich, Mamá. Du hast es geschafft, du hast uns befreit", meinte ich und lächelte sie an.
"Ich weiß, mi vida. Es tut mir nur leid, dass ich dafür so lange gebraucht habe. Ich will nur, dass du glücklich wirst", erwiderte sie und gab mir einen Kuss auf die Wange. "Ich hoffe nur, dass dir das jetzt endlich gelingen kann."
"Bestimmt." Ich sah Bruno an. "Und du? Hast du das mit der Verlobung wirklich ernst gemeint?" Er zuckte die Schultern und wurde wieder leicht rot.
"Na ja, ich hab keinen Ring, aber wenn du... also, ich meine, falls...", stotterte er unsicher, worauf ich lachte, ihn umarmte und küsste.
"Ja, ich will, Brunito. Ich will nur dich und niemand anderen! Mit Ring oder ohne, ganz egal! Aber ich brauche nur dich, Bruno Madrigal."
"Ich dich auch, Amalia García. Ich dich auch."

Ich brauche dich, BrunoTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang