Kapitel 7

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AMALIA

Carla bekam die Szene tatsächlich noch hin, bevor wir zum Mittagessen gerufen wurden. Wir ließen die Ratten oben im Kinderzimmer und versprachen ihnen, dass wir ihnen etwas zu essen mitbringen würden, bevor wir nach unten ins Esszimmer gingen. Alma, Julieta und Pepa warteten bereits auf uns, als wir uns setzten.
"Ihr seid schon wieder zu spät. Was macht ihr denn den ganzen Tag lang, dass man euch immer rufen muss? Könnt ihr nicht auf die Uhr sehen?", fragte Alma nach, konnte sich aber kein Grinsen verkneifen, da sie wohl wusste, dass wir uns wieder sehr in etwas hineinsteigerten.
"Wir bringen den Ratten ein neues Theaterstück bei. Carla hat so langsam den Dreh raus, aber mit Amigo müssen wir noch eine Menge arbeiten!", antwortete Bruno, worauf Julieta sich ein Lachen verkniff und Pepa die Augen verdrehte. Sie hielt nicht viel von Brunos felligen Freunden, aber solange sie ihr nicht zu nahe kamen, tolerierte sie sie. Zumindest mittlerweile. Als er sie zum ersten Mal mitgebracht hatte, hatte Pepa sich so erschrocken und aufgeregt, dass zwei Tage lang ein heftiger Sturm über Encanto gezogen war, den man kaum hatte kontrollieren können. Selbst Pepa hatte es beinahe nicht geschafft, aber nachdem Bruno ihr versichert hatte, dass Amigo und Carla lieb waren und ihr nichts tun würden, hatte sich der Sturm wieder beruhigt. Glücklicherweise, sonst wäre wahrscheinlich die ganze Ernte dahin gewesen!
"Dann hoffe ich, dass ihr euch vorher die Hände gewaschen habt", meinte Alma und sah uns vielsagend an, wir nickten.
"Natürlich, Mamá, das haben wir", stimmte Bruno ihr schnell zu.
"Keine Sorge, darauf achte ich schon", erwiderte ich und lächelte Alma beruhigend an, sie seufzte leise und nickte.
"Ich weiß, sehr gut", sagte sie beruhigt. "Ach, übrigens war ich vorhin im Dorf. Ich habe deine Eltern getroffen, Lia, und sie wollen, dass du in spätestens zwei Stunden zuhause bist. Keine Sorge, ich habe ihnen nicht gesagt, dass Bruno und du mit den Ratten etwas übt, ich habe ihnen gesagt, dass du Julieta in der Küche hilfst." Na toll, was wollten meine Eltern denn? Bruno und ich hatten noch eine ganze Menge zu tun und um ehrlich zu sein, wollte ich lieber mit ihm an unserem Stück arbeiten, als nach Hause zu gehen. Aber ich sollte meine Eltern nicht verärgern, also musste ich wohl leider gehen. Ich nickte und sah Bruno an.
"Ist das ok für dich?", fragte ich, er nickte.
"Na klar, kein Problem. Wir können ja morgen weitermachen", antwortete er schnell. "Ich muss sowieso noch die Kostüme machen."
"Na gut, alles klar. Dann gehe ich nach dem Essen", meinte ich unzufrieden. Wieso mussten meine Eltern mich immer wegholen, wenn ich Sachen zu tun oder einfach nur Spaß hatte? Hatten die beiden dafür ein Radar? Offensichtlich schon, aber mit etwas Glück konnte ich diese Sache schnell klären und dann wieder zurück zu Bruno. Zumindest hoffte ich das!
Also ging ich nach dem Mittagessen zurück nach Hause. Als ich die Tür öffnete, wirbelte meine Mutter durch die Küche, während sie versuchte gleichzeitig zu kochen und zu putzen, was allerdings bloß absolut chaotisch aussah. Papá saß auf dem Sessel in der Ecke und las, und sah nicht einmal auf, als ich reinkam und die Tür hinter mir schloss.
"Da bin ich, Alma hat mir gesagt, dass ich kommen soll. Was ist denn los?", fragte ich verwirrt nach, worauf meine Eltern zu mir aufsahen.
"Du warst wieder bei diesem Madrigal-Bengel, oder?", knurrte Papá wütend und sah mich gereizt an, aber ich schüttelte den Kopf.
"Nein, war ich nicht. Ich habe Julieta in der Küche geholfen, weil sie wissen wollte, wie ich meine Kekse backe. Alma hat mich zum Essen eingeladen, da konnte ich nicht ablehnen! Und dass Bruno nun einmal Julietas Bruder und beim Essen dabei ist, dafür kann ich ja wirklich nichts!", widersprach ich ihm sofort. "Aber jetzt bin ich ja hier! Was gibt es denn so Wichtiges?"
"Amor, könntest du mir bitte beim Kochen helfen und dich dann umziehen? Wir bekommen gleich Besuch von den Marques", bat Mamá, worauf ich sie verwirrt ansah.
"Wieso habt ihr mir nicht gesagt, dass sie kommen? Dann wäre ich heute hier geblieben und hätte dir gleich geholfen!", erwiderte ich und ging zum Herd, um das Essen im Topf umzurühren.
"Du musst nicht immer alles wissen, Amalia. Mach einfach, was deine Mutter dir sagt", wandte Papá ein, aber das machte mich erst recht stutzig. Wieso hatten sie mir nichts von unserem Besuch gesagt? Was ging hier vor sich?
"Ja, mach ich ja, aber mir kommt das hier irgendwie spanisch vor. Was ist denn los? Wieso macht ihr so einen Wirbel um diesen Besuch?", hakte ich weiter neugierig nach. Mamá sah Papá an, worauf er seufzte und sein Buch zur Seite legte.
"Die Marques kommen mit ihrem Sohn Cristiano vorbei. Er wird um deine Hand anhalten und du wirst Ja sagen. Ich habe ihm schon zugesagt", antwortete er, worauf ich ihn fassungslos ansah und die Pfanne fallen ließ, die ich gerade aus dem Schrank geholt hatte. Was bitte sollte ich tun?! Ich würde bestimmt niemanden einfach so heiraten! Erst recht nicht jemanden, den ich nicht leiden konnte! Cristiano war ein arroganter Schnösel, der nur an sich selbst und seinem Ruf interessiert war. Niemand im Dorf konnte ihn leiden, am wenigsten ich. Und ich würde ihn ganz bestimmt nicht heiraten! Erst recht nicht nur, weil Papá das so wollte!
"Bitte was?!", schrie ich ihn wütend an.
"Amalia, mäßige deinen Ton!", fuhr Papá mich sauer an.
"Nein! Wie kommt ihr auf die Idee, dass ich diesen arroganten Idioten freiwillig heirate?! Ich kann ihn nicht mal leiden, er ist total selbstverliebt! Mit dem werde ich nie im Leben glücklich!", widersprach ich ihm aufgebracht. "Wieso wollt ihr mich dazu zwingen?! Was denkt ihr euch dabei?!"
"Amalia, Schluss jetzt! Du bist jetzt still und wirst dich später benehmen, verstanden?! Ich habe dich schon versprochen und damit Schluss! Das Gespräch ist beendet!", brüllte er mich an, aber so einfach würde er mich nicht dazu zwingen können.
"Für mich auch! Du kannst das vergessen!", schrie ich ihn an, bevor ich wütend aus der Tür stürmte. Ich konnte jetzt nicht länger im Haus bleiben, dazu war ich zu wütend. Aber wo sollte ich sonst hin? Zurück zu Bruno konnte ich nicht, dann würde Papá nur noch wütender werden. Ich hörte Mamá nach mir rufen, aber ich reagierte nicht darauf, sondern lief einfach weiter. Ich wusste nicht genau, wohin ich lief, aber ich wollte bloß noch weg. Bevor ich selbst verstanden hatte, wohin ich ging, stand ich auf der Lichtung im Wald, die ich Bruno erst vor kurzem noch gezeigt hatte. Ich blieb stehen und ließ mich erschöpft auf einem Baumstamm nieder, der halb im Fluss lag. Mein Kopf hämmerte und mir war schwindlig, ich musste mich kurz setzen. Wie konnte mein Vater nur glauben, dass ich diesen hochnäsigen Idioten freiwillig heiraten würde?! Was dachte er sich nur dabei?! Und wieso war Mamá damit einverstanden?! Ich dachte immer, dass wenigstens sie hinter mir stand, aber anscheinend doch nicht! Wieso war sie plötzlich mit einer erzwungenen Heirat einverstanden?! Ich seufzte leise und versuchte Luft zu holen, aber die Wut staute sich immer mehr in mir auf, bis ich vor Wut zu schreien und zu weinen begann. Ich konnte nicht aufhören, ganz egal, was ich versuchte. Ich krallte meine Hände in meine Haare, bis mir die Kopfhaut so sehr wehtat, dass ich loslassen musste. Langsam beruhigte ich mich wieder, aber ich wusste trotzdem noch nicht, was ich jetzt tun sollte. Nach Hause konnte ich nicht und wenn ich jetzt zu Bruno ging, würde mein Vater nur noch wütender werden. Was dann? Sollte ich zu Linda gehen? Das wäre zumindest eine Option. Ja, bis morgen würde ich bei Linda bleiben und mal sehen, was sie dazu meinte. Je nachdem würde ich dann sehen, wie ich weiter vorgehen würde.

Ich brauche dich, BrunoWhere stories live. Discover now