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Heute einen Stuhlkreis zu wählen war wahrscheinlich nicht meine beste Idee gewesen.
Isabelles Mutter vor mir sah so aus als würde sie mir am liebsten an die Gurgel gegen und ohne schützenden Schreibtisch hatte sie freie Fahrt. "Mit der Vergangenheit sollte man es halten wie mit den Toten! Lasst sie ruhen.", sagte sie schnippisch und fühlte sich schon angegriffen, wenn man nur in ihre Richtung atmete. "Ich will es aber wissen!", rief Isabelle aufgeregt und hielt sich bedrückt die Brust. "Fangen wir doch ganz am Anfang an. Wie ist der Name von Isabelles leiblicher Mutter?" Damit wendete ich mich an den Vater und dieser überlegte nicht lange. "Phiebie."
"Sie waren ein Paar?" Daraufhin schüttelte er den Kopf. "Nein. Das Problem war einfach: es war nur eine kurze Affäre. Sie war schon vergeben und im Begriff zu heiraten, außerdem hatte sie bereits einen älteren Sohn und somit beendete sie die Affäre irgenwann, weil ihr Mann es herausgefunden hatte. Ich habe erst viele Monate später erfahren das sie schwanger war." Isabelle hörte gespannt zu und ballte nun die Fäuste auf den Knien. "Wie haben sie herausgefunden, dass sie der Vater sind?" Er überlegte kurz und schaute kurz zu seiner Tochter herüber. "Sie kam eines Tages und sagte das ihr Mann einen Test gemacht hätte und nur ich als Vater in Frage käme. Das war dann auch das letzte Mal, dass ich sie sah." In dem Moment atmete ihre Mutter tief aus. "Siehst du Kind. Lass es gut sein. Wieso bist du hinter jemand her, der dich deinem Vater in die Arme drückte und verschwand? Sei doch einfach zufrieden mit dem was du hast. War ich dir denn keine gute Mutter?"
Ich notierte mir alles fleißig und hatte mir eine Zeitleiste erstellt. "Ich will es aber wissen! Immerhin habe ich somit ja auch einen älteren Bruder und ich will wissen wo sie ist." Isabell wurde immer lauter und endlich schien alles aus ihr heraus zu brechen.
"Darf ich zusammen fassen?", fing ich an. "Also Isabelle stammt aus einer Affäre mit einer Frau die später ihren Verlobten heiratete, bereits einen Sohn hatte und ihnen das Baby einfach überließ. Sie, also als Vater, haben es nie für nötig gehalten es Isabelle zu sagen und sie, als ihre Stiefmutter ebenfalls nicht. Gleichzeitig halten sie Isabelle für nicht besonders helle und triezen sie dazu irgendwas mit ihrem Aussehen zu erreichen. Du Isabelle hast das mit deiner Mutter selbst auf dem PC entdeckt und um wenigstens einer Mutter zu gefallen hast du dich ins Extrem des Dünnsein gestürzt. Richtig soweit?". Ich sah in die Runde und hatte das Gefühl, dass gerade Isabelle etwas mehr auf dem Herz hatte. "Ich will nur das aus Isa etwas wird. Vielleicht hab ich etwas übertrieben?" Endlich fing ihre Mutter an sich selbst zu reflektieren. "Und sie? Was fällt ihnen zu alldem ein?" Der rundliche Mann war den Tränen nahe und nahm Isabelles Hand in seine. Sie war sichtlich zittrig. "Ich hätte es dir längst sagen müssen. Es war egoistisch zu denken ich müsste es nicht und alles könnte so weiter laufen. Ich wollte ja... Ich war damals kurz bei ihr. Ich dachte ich könnte zu deinem Wohle mit ihrem baldigen Mann sprechen, aber als ich klingelte und ihr Sohn die Tür öffnete konnte ich es nicht mehr. Da stand so ein zwölf jähriger Junge mit Sportkleidung und Bandagen um den Händen vor mir und ich konnte es nicht mehr. Später hörte ich, dass sie dort nicht mehr wohnen würde."
In den Moment fing Isabelle an zu weinen und schien sich nicht mehr beruhigen zu können. "Weißt du etwas mehr?" Sie nickte und schluckte immer wieder heftig, aber sie war so aufgelöst, dass sie kein weiteres Wort mehr heraus bekam. Plötzlich sprang sie auf und rannte zur Tür hinaus. Um sie nicht ganz alleine zu lassen eilte ich hinterher und schaffte es noch gerade so sie zu erwischen. Doch auch hier sprach sie nicht weiter, sondern presste sich nur gegen die Wand und schwieg. "Wir können ein anderes Mal hier weiter machen, wenn dir das hier jetzt zu viel wird.", versuchte ich sie zu beruhigen und mit einer heran gewunken Betreuerin ließ ich sie zurück in ihr Zimmer gehen. "Wir sind heute ein gewaltiges Stück weiter gekommen und um den Faden nicht zu verlieren würde ich so bald wie möglich weiter machen. Können sie noch diese Woche?", fragte ich als ich das Zimmer erneut betrat. Doch leider wurde ich enttäuscht, denn ihr Vater verkündete die nächste Woche nicht in der Stadt zu sein und auch ihre Mutter wäre beschäftigt.
Enttäuscht und etwas genervt setzte ich einen neuen Termin in einer Woche an und ließ sie wieder ihrer Wege ziehen.
Was mir aber keine Ruhe ließ war mehr über ihre Mutter erfahren zu wollen, doch so sehr ich mich die folgenden Stunden bemühte kein Amt wollte mir nur die kleinste Information liefern. Weder über den Nachnamen den sie damals trug, noch über den Namen den die Frau nach der Hochzeit annahm. Als würde ich gegen eine Windmühle pusten und hoffen sie würde sich anders herum drehen.

Live• AgainWhere stories live. Discover now