Kapitel 26

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„Autsch."

Ich stieß einige unschöne Flüche aus, weil ich durch das Klingeln meines Telefons mit den Nadeln abgerutscht war und mir eine davon in meine linke Hand gerammt hatte.

„Henstridge?", murmelte ich undeutlich, weil ich noch immer mehrere Nadeln zwischen meine Lippen gesteckt hatte. Mein Smartphone klemmte ich mir zwischen Schulter und Kopf, sodass ich weiterhin den Stoff feststecken konnte.

„Hier ist Lenny."

Verblüfft nahm ich die Nadeln aus dem Mund und hielt mir das Smartphone nun doch ans Ohr. Mein neuster Entwurf musste eben warten.

„Hi." Ich wusste gar nicht so recht was ich sagen sollte, so überrascht war ich, dass Ashers Schwester mich so plötzlich anrief. Nur weil ich sie nach der Beerdigung ihres Vaters wegen Jeremy getröstet hatte, war ich nicht davon ausgegangen, dass wir jetzt zu besten Freundinnen wurden.

Es war eher eine stille Übereinkunft gewesen, einander nicht mehr feindselig gegenüber zutreten.

„Asher ist verschwunden."

„Wie verschwunden?" Mein Herzschlag verdoppelte sich augenblicklich und ich musste mich sehr beherrschen, dass ich nicht in Panik ausbrach. Schreckliche Bilder zogen an meinem inneren Auge vorbei, von Asher der als Thronerbe von Radikalen entführt wurde, oder von Gegnern der Monarchie hinterhältig getötet wurde. Dass so etwas leicht passieren konnte, wusste ich von Willow.

Lange Zeit war das englische Volk ihr gegenüber sehr kritisch gewesen und es hatte eine radikale Gruppe gegeben, die sie unbedingt stürzen wollte. Diese Extremistin hatten sogar eine Veranstaltung von Willow überfallen.

Nur mit viel diplomatischem Geschick und Geduld war es meiner Schwester gelungen, die Wogen zu glätten und das Volk von sich zu überzeugen.

„Er hat vor drei Tagen gesagt, dass er Zeit für sich braucht, um mit der Situation klar zukommen. Seitdem hat ihn niemand mehr gesehen. Sein Handy ist aus und unserem Sicherheitsdienst ist er entwischt. Das hat er vorher noch nie gemacht."

Beinahe musste ich schmunzeln. Scheinbar hatte Ash von mir etwas gelernt. Zumindest wie man dem Sicherheitsdienst los wird.

„Ich weiß, vermutlich versucht er einfach nur das alles in Ruhe zu verdauen, ohne dass ständig jemand etwas von ihm will", fuhr Leonora fort. „Aber langsam mache ich mir wirklich Sorgen. Deswegen dachte ich, vielleicht weißt du ja wo er sein könnte und siehst nach ihm."

„Ich bin nicht gerade die Expertin was Trauerbewältigung angeht. Eher bin ich das Negativ-Beispiel. Außerdem weiß ich auch nicht wo er sein könnte."

„Sicher? Hat er vielleicht irgendwann mal über einen Lieblingsplatz gesprochen? Ein Zufluchtsort? Oder einen Ort, den er mit schönen Erinnerungen verbindet?"

Das Haus am See. Ich erinnerte mich daran, wie Asher mir mit einem Funkeln in den Augen erzählte, wie sie dort Urlaub gemacht hatten und er dort sogar laufen gelernt hatte.

„Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe so eine Idee wo er sein könnte."

„Ehrlich? Ich möchte dir nicht auf die Nerven gehen, aber es würde mir unheimlich viel bedeuten, wenn du zu ihm gehen würdest."

Erst vor ein paar Tagen hatte sie mir noch erzählt, dass ihr Bruder etwas Besseres als mich verdient hätte. Und jetzt flehte sie mich regelmäßig an, ihm beizustehen.

„Seit wann hältst du mich für die geeignete Person Ash zur Seite zu stehen?"

Lenny seufzte am anderen Ende der Leitung. „Die Dinge haben sich geändert, nachdem Paps gestorben ist." Sie versuchte es zu verbergen, aber das leichte Zittern ihrer Stimme nahm ich dennoch war. Sie kämpfte mit den Tränen, sobald sie an ihren Vater erinnert wurde.

Royal AffairWhere stories live. Discover now