Prolog

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POV Cody

Neue Stadt. Neues Glück. Könnte man sagen. Nach einer anstrengenden Reise kam der stämmige Braunhaarige in Seattle an. Er wirkte etwas zu klein geraten für seine muskulösen Schultern. Mit seinen vierzehn Lenzen hatte er noch die Hoffnung einige Zentimeter rauszuholen.
Am Busbahnhof sollte ihn ein Mister Austin erwarten. Ein entfernter Verwandter, der die nächsten Jahre sein Vormund sein sollte. Der Braunhaarige drehte seinen Kopf in alle Richtungen. Nirgends konnten seine dunkelbraunen, fast schwarzen Augen eine Person mit passender Beschreibung ausmachen.
„Cody Jameson?" Der Junge drehte sich um. „Ich bin Mister Austins Sekretär. Bitte folge mir." Missmutig ging er mit dem Fremden zu einer Limousine. „Mister Austin besteht darauf, dass du im Wohnheim der Schule untergebracht wirst.", wurde er informiert. Cody war schon lange klar, dass ihn niemand haben wollte.
Das ging schon seit vier Jahren so. Seit dem Unfalltod seiner Eltern wurde er von Verwandten zu Verwandten weitergereicht. Nie war er länger als ein Jahr am selben Ort. Nun war dieser Mister Austin wohl an der Reihe. Er hatte Cody die einwöchige Reise mit Bus und Fähre von Alaska nach Seattle antreten lassen. Er sollte von nun an die hoch renommierte Franklin-High-School besuchen. Cody befand sich selbst als Durchschnittsschüler und daran wollte er auch nichts ändern. Was sollte er an dieser Eliteschule?
Der Wagen hielt vor einem mehrstöckigen Gebäude mit blauer Fassade am Rande des Campus. Der Sekretär wartete bereits am Eingang auf ihn. Leise seufzend folgte er dem Mann. „Das ist das Jungenwohnheim. Deine Zimmernummer und deine Zugangskarte." Cody wurde ein Umschlag übergeben. „Deine Unterlagen für die Schulanmeldung befinden sich ebenso im Umschlag. Gib diese bitte im Sekretariat ab. Ich muss jetzt leider zurück ins Büro. Ich wünsche dir einen schönen Schultag." Und da stand er nun. Allein. Frustriert drehte er die Zugangskarte zwischen den Fingern. Das Logo der Schule auf der einen Seite. Die Rückseite verriet den Namen des Besitzers und seine Verwaltungsnummer an der Schule.
Plötzlich spürte er etwas Nassen in seinem Nacken. Er sah nach oben. Der Himmel hätte sich verdunkelt. Einzelne Tropfen prophezeiten Regen. Am liebsten wäre Cody einfach stehen geblieben. Seine wenige Habe wollte er jedoch nicht schutzlos den Naturgewalten ausliefern. Missmutig betrat er das Wohnheim. Die Ziffern 333 standen auf dem Umschlag. Mit seiner Karte ließ sich seine Zimmertür entriegeln.
Ein offener Raum erschien hinter dem kargen Flur, von dem alle Wohneinheiten ausgingen. Sein Zimmer wurde, trotz des beginnenden Regens, von Licht geflutet. Ein Bett, Schreibtisch, Kleiderschrank, eine Küchenzeile und ein separates Bad mit Toilette und Dusche. Das war mehr als Cody sich erhofft hatte.
Vom Gang ertönte ein Gong. An der Wand über dem Schreibtisch hing eine Digitaluhr. Sie zeigte 7:45. Cody legte seinen Wanderrucksack auf dem Bett ab. Ausräumen musste auf später verschoben werden. Zunächst musste er das Sekretariat finden.


POV Easton

Endlich! Die Franklin-High-School. Easton war anfangs nicht begeistert zwei Stunden zu seiner neuen Schule zu fahren. Doch sein Vater hatte darauf bestanden. Alle Rudelmitglieder besuchten diese Schule. Da konnte sich auch der kündigte Alpha des Baker-Rudels nicht drücken.
Auf dem Weg von Bus zum Eingang band er sich seinen schwarzen Strähnen zusammen, die beidseitig von einem Sidecut flankierte wurden. Neben ihm trottete sein morgenmuffiger Beta Ralph her. Es war viertel vor acht. Drinnen wuselten die Schüler durch die Gänge, um den passenden Raum zu ihrem Stundenplan zu finden. Vor den beiden Freunden liefen die Omegas-Zwillinge Sam und Sarah aus dem Baker-Rudel. Sie würden dieselbe Klasse besuchen, deshalb latschte East – wie ihn seine Freunde nannten – blind hinterher. Zwischendurch neckte er seinen Beta, damit er endlich wach wurde. Sie bogen gerade um die Ecke als Sam von etwas abprallte. Er landete mit einem erschrockenen Laut vor Ralphs Füßen. Vor ihnen stand ein braunhaariger Junge mit breiten Schultern. Er musste neu sein. Der Junge machte keine Anstalten dem Omega wieder auf die Beine zu helfen. Ohne etwas zu sagen wollte er seinen Weg fortführen. So etwas anstandslos würde East ihn sicherlich nicht durchgehen lassen. Der junge Alpha half Sam auf die Beine. „Sag mal! Anstand haben dir deine Eltern wohl nicht beigebracht! Du könntest dich wenigstens erkundigen, ob er ihm gut geht, wenn du es schon nicht einsiehst dich zu entschuldigen!" Der Braunhaarige drehte sich um. „Lass mich in Ruhe." Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? Glaubte er wirklich, er könnte sich das als Neuer hier erlauben? Nicht mit Easton!
Er packte den Fremden am Arm und zog ihn ruckartig zurück, was den Braunhaarigen aus dem Gleichgewicht brachte. Fast im gleichen Augenblick hörte man Knochen brechen. Ein markerschütterndes Brüllen kam aus der tiefen Kehle des Jungen. East schob seine Rudelmitglieder in den nächsten Korridor zurück. Das war definitiv kein Wolfsgeheul. Panisch suchten die anderen Schüler Versteckmöglichkeiten. Ein wild gewordener Wandler glich einem wilden Tier. East versuchte seinen Onkel zu kontaktieren, der hier unterrichtete. Der Mindlink durfte innerhalb der Unterrichtszeit eigentlich nicht benutzen werden. Doch das hier war ein Notfall mit Lebensgefahr! Ein fast ein Meter großer Braunbär stand hier auf seinen Hinterläufen und brüllte alles an, was sich bewegte.
Endlich antwortete sein Onkel. Sie sollten sich alle ruhig und leise zurückziehen. Hilfe war unterwegs.
Draußen vor der Schule versammelte sich die Schülerschaft. Trotz des kalten Regens. Einfach, weil es hier sicherer war bis der Bärenwandler sich wieder besonnen hatte.
Bärenwandler. East hatte von ihnen gehört, aber noch nie einen gesehen. Bis auf Vögel, Fische und Insekten kannte der Alpha einige verschiedene Wandlerarten, wie Katzen, Otter, Kaninchen, Füchse und sogar eine Wildschweinfamilie. Von Bärenwandler hörte am höchstens aus Alaska. Aber was wollte der junge Bär in Seattle und noch dazu an der Franklin-High-School, wenn er nicht in der Lage war sich zu kontrollieren? Mal abgesehen davon, dass der Bär gleich wieder nach Hause zurückkehren konnte. Verwandlungen – kontrolliert oder nicht – wurden hier nicht geduldet.

Das Spiel von Bär und WolfWhere stories live. Discover now