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POV Cody

Samstag. Das Hallenbad leer wie immer. Cody schwamm seine Bahnen. Hier konnte er sich entspannen. Der Alpha ging ihm seit Wochen auf die Nerven. Neulich war der Bär extra weit hinaus mit dem Bus gefahren, um in einem See zu schwimmen. Plötzlich tauchte der Alpha mit Gefolge dort auf. Das hatte ihm den Tag versaut. Seither absolvierte er sein Training in der Schwimmhalle. Es wäre ja noch schöner, dass ihn der stinkende Wolf hier auch noch belästigte. Natürlich wusste Cody, wieso der Alpha ihn praktisch verfolgte. Der Wolf folgte seinem Instinkt. Was das anging, verließ sich Cody lieber auf seinen Kopf. Er brauchte keinen Gefährten. Niemals!
Frustriert schlug Cody ins Wasser. Wieso ging ihm dieser blöde Wolf nicht aus dem Kopf? Er legte seine Arme auf den Beckenrand und seinen Kopf darauf. Vielleicht sollte er klettern gehen. Eine Option. Sein Blick auf die große Uhr an der Wand verriet ihm, dass der Hausmeister gleich hier abschließen würde. Die Kletterhalle hatte ebenfalls schon geschlossen.
Schnaubend zog er sich aus dem Wasser. Eine Dusche würde ihm gut tun und diesen furchtbaren Gedanken aus seinem Kopf vertreiben.
In seiner Wohneinheit bereite er sich Tee zu. Er entspannte Cody. Selbst wenn dieser Wolf in seinem Kopf spuckte. Der Bär musste zugeben, dass der Schwarzhaarige etwas Unwiderstehliches an sich hatte. Trotzdem. Mal abgesehen von seinem Instinkt, was wollte der Wolf nur von ihm? Natürlich kannte Cody – nicht zuletzt aus dem Unterricht – die Besonderheiten der Wolfswandler. Stehts treu zu ihrem Rudel und für ihre Seelenverwandter versetzten sie sogar Berge.
Nur wollte und brauchte Cody so ein Tamtam nicht. Er wollte in Frieden seinen Tee genießen und sein Leben leben. Seufzend lehnte er an seinem Bett. Seit er neulich eine Tasse auf seiner Decke verschüttet hatte, hockte er lieber vor statt auf dem Bett. Wenn auch der Boden unbequem war, ließ er sich deutlich leichter reinigen.
Das Ganze wäre auch vermeidbar gewesen. Hätte sich nicht eine Taube entschlossen gegen seine Fensterscheibe zu fliegen um Selbstmord zu begehen. Cody musste über sich selbst lachen. So laut war der Schlag sicher nicht wirklich gewesen. Aber seine Gedanken waren mal wieder mit dem Wolf beschäftigt. Arg. Und schon wieder! Genervt stand der Bärenwandler auf. Die leer Tasse stellte er auf die Spüle. Sein Blick fiel dabei auf den Stundenplan. Ab Montag startete die einmonatige Projektphase. Sie sollte zu mehr Kommunikation zwischen den einzelnen Wandlerarten sorgen. Die jeweiligen sechsköpfigen Teams pro Thema wurden ausgelost. Cody konnte nur hoffen, dass ihm das Schicksal einmal gut gestimmt sein würde.
Oder. Auch. Nicht! Cody landete mit dem Wolf und vier anderen Schülern in einer Gruppe. Konnte es noch schlimmer kommen? Ihr Thema war die Hölle. Sie sollten am Monatsende ein Diagramm vorzeigen, dass die Spezifikation der verschiedenen Wandler zeigte. Welche genau wurde nicht vorgeschrieben. Das würde sicherlich Diskussion auslösen, auf die Cody weder Lust, noch irgendeinen Grund sich daran zu beteiligen. Wozu auch? Er hatte nicht um diese Gruppenkonstellation gebeten. Der Wolf war natürlich andere Ansicht. Ständig versuchte er den Bären miteinzubeziehen. Mehr als Kopfschütteln, grimmige Blicke oder gelegentliches Nicken bekam der Alpha nicht von ihm. Mit verschränkten Armen tat er wenigstens so als würde er zuhören. Immer wieder rümpfte Cody die Nase. Dieser seltsam süßliche Geruch. Er ging von dem Wolf aus. Es roch wie Honig und irgendwie auch nicht. Von Minute zu Minute vernebelte es seinem Verstand.
Eine Hand legte sich auf seine verschränkte Arme. „Cody! Kannst du mich hören?" Verwirrt nahm er das Rütteln an seiner Schulter wahr. Der Wolf schaute ihm aufgebracht in die Augen. „Du musst dich beruhigen, hörst du!", sprach er mit sanfter Stimme. Cody schüttelte den Kopf, um ihn frei zu bekommen. „Ich muss an die frische Luft." Eilig stand er auf. „Ich begleitet..." „Nein!", unterbrach er den Alpha und verließ das Klassenzimmer. Sicherlich. Es war nur gut gemeint. Doch das Letzte, was er gerade brauchte, war der Duft des Alphas. Er hatte deutlich den Schrecken in den Augen der vier Nagetiere gesehen. Nur der Wolf hatte ruhig auf seine anbahnende Verwandlung reagierte. Cody ärgerte sich. Endlich dachte er seine Bärenform unter Kontrolle zu haben und dann tauchte dieser verdammte Wolf auf! Wenn Cody so darüber nachdachte, passierten diese ungeplanten Verwandlungen nur in der Nähe dieses einen Wolfes.
Nachdenklich führten ihn seine Beine zur Schwimmhalle. Leider hatte eine andere Klasse gerade Unterricht. Der Bär stampfte davon. Vom Haupthaus erklang der Gong um die Mittagspause anzukündigen. Cody setzte sich ins Gebüsch abseits der Schwimmhalle. Hier hatte ihn nie jemand ausfindig gemacht. Bis jetzt. Seufzend roch Cody den honigartigen Geruch. Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Wieso war er nicht einfach ins Wohnheim geflohen?
So leise wie möglich verließ er sein Versteck. Er kannte die Schnelligkeit des Wolfes. So wasserscheu er auch sein mochte, an Land machte er das tausendmal wieder wet. Vielleicht, nur vielleicht, konnte er dem Alpha entwischen. Am hinteren Ende der Schwimmhalle wucherten Ranken, die bis aufs Dach reichten. Ab und an wagte Cody den riskanten Aufstieg. Der Wolf wurde ihm niemals bis aufs Dach folgen. Er war größer und dadurch schwerer als der Kodiakbär. Dieses Risiko sollte für den sonst so besonnenen Wolf definitiv zu groß sein. Mit eiligen Schritten versuchte der Bär das Hallenende zu erreichen. Er durfte nicht laufen sonst würde es den Alpha-Wolf ebenso zum Rennen animieren. Der süßliche Geruch nahm zu. Fluchend rannte Cody das letzte Stück, sprang hoch und hangelte sich nach oben. Er zog sich gerade aufs Dach als er von unten jemanden rufen hörte. Die Stimme ignorierend lief er zur Mitte des Flachdachs. Er sollte wirklich darüber nachdenken hier oben Decken oder einen Klappstuhl zu verstecken. Genussvoll sog er die frische Luft ein. Gepaart mit Honigduft. Herrlich! Was?
Sofort flog Codys Kopf zu seinem Aufstiegspunkt. Das konnte doch nicht wahr sein! Keuchend hing der Wolf am Dachanfang und zog sich japsend hoch. Erschöpft blieb er auf dem Rücken liegen. Cody schielte auf die andere Ecke. Dort waren die Ranken noch sehr jung und ungeeignet zum Klettern. Aber immer noch besser als mit diesem übermotivierten Wolf in der Falle zu sitzen. Unbemerkt schlich Cody zum gegenüberliegenden Dachende.

Das Spiel von Bär und WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt