Prolog

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Vorsichtig lauschte das Mädchen auf ihren Herzschlag. Er pochte beständig in ihrer Brust, ihr Blut strömte durch die Adern, warm und lebendig. Sie ballte ihre Hände zur Faust. Ihr Herz lebte.

Ja, das Mädchen spürte etwas, sie war nicht fort. Ihr Geist war wach wie lange nicht. Dennoch lag sie nicht länger auf dem kalten Boden vor den Ruinen, das konnte sie fühlen. Aber wo war der Rabenberg, wo waren Schnee und Blut?

Dann schlug sie die Augen auf. Sie befand sich in einem weißen Nichts.

Es traf Linda wie ein Blitz. Oh, sie wusste, wo sie war. Sie wusste es so genau. Dieselbe unheimliche Leere beherrschte die farblose Unendlichkeit. Nichts regte sich. Der junge Frau hoffte nicht, dass sie aus dem Grund diesen Ort wiedersah, von dem sie dachte, dass sie es tat...

Wo war Fíli? Wo war Mittelerde? Lebte Fíli überhaupt?

Lindas Brust zog sich zusammen. Sie konnte diese Frage nicht beantworten. Sie erinnerte sich nicht. Es war einfach... schwarz geworden. Nicht so wie bei den beiden zuvor, als sie dem Erwachen beiwohnen konnte.

War es möglich, dass die Wiederbelebung nicht funktioniert hatte?

Nun etwas hektischer suchte sie die weiße Umgebung ab. Es manifestierte sich keine überirdische Gestalt aus dem Nebel, kein Gott Mittelerdes kam, um ihre Fragen zu beantworten.

Ihr wortloser Schrei verhallte ungehört im Nichts. Was sollte das? Warum war sie hier?

Der Frau war alles recht, alles. Solange sie nur die Gewissheit hatte, solange sie nur dafür sorgen konnte, dass er lebte. Vor Lindas inneren Auge sah sie es wie einen Film ablaufen. Tauriel stand daneben, die Elbin konnte nicht eingreifen, während der Herzschlag des Mädchens immer langsamer wurde bei ihren vergeblichen Versuchen...

Was hatte sie falsch gemacht? Hatte sie ihn in den Tod geschickt? Die junge Kriegerin wusste nicht weiter. Der Zeitpunkt zum Aufgeben schlich sich immer näher heran.

Auf einmal hielt das Gedankenkarussell an. Sie überblickte vorsichtig die Umgebung. Irgendetwas hatte sich verändert. Die Schwarzhaarige war aus ihren Phantasien gerissen worden von- ja, wovon eigentlich genau?

Die Härchen auf ihrem Körper stellten sich auf und die Luft schmeckte anders, der nicht-farbige Hintergrund warf neue Schatten. Etwas näherte sich. Etwas Großes, ein Jemand und dann doch wieder nicht, kein Mensch, eine unfassbare Präsenz.

Linda zitterte, ohne es zu bemerken. Ihre Augen huschten unruhig hin und her.

Es war gewaltig, sie fühlte sich winzig. Die Moleküle um sie herum schienen sich neu anzuordnen.

Immer noch sah die Frau nichts, wenngleich sie wusste, dass diese Präsenz nun da war. Sie hörte diesen Jemand metaphorisch atmen. Nein, es war nicht ein Jemand, es waren zwei!

Eine Gestalt mit der Kälte des Nachthimmels und der Aura des Lichts der fernen Sterne. Die andere wie der bittere Winter in den hohen Bergen und dann doch wieder voller Tatendrang und Schmiedefeuer.

Varda und Mahal. Linda neigte den Kopf.

Die Valie schien zu lächeln. „Vor vielen, vielen Tagen in deinen Augen haben wir dir eine Frage gestellt. Heute hast du dieselbe Entscheidung noch einmal zu fällen. Du stehst vor derselben Wegkreuzung wie vor deiner Reise."

Schöne Worte mit einer verdeckten Bedeutung, hingehaucht wie ein einsamer Sternenschein. Es entsprach der Logik, dass die Königin der Valar nicht wahrhaftig mit einer Stimme sprach, sondern vielmehr auf einer zweiten Ebene mit der Menschenfrau kommunizierte.

Linda war verwirrt ob der Bedeutung. „Bin ich... bin ich gescheitert mit meiner Aufgabe?" Warum sonst sollten die Götter sie hierher bestellen? Sie verstand die Worte der Sternenentfacherin nicht wirklich.

Tochter der Fremden - Mittelerde-FFحيث تعيش القصص. اكتشف الآن