7. Kapitel

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Mit noch immer pochendem Herzen verfolgte Linda die letzten Goldmünzen, welche hangabwärts kullerten. Sie hatte Bilbo im Blick und lotste den verunsicherten Halbling zu ihr auf die Steinempore. Wobei – nur jemand, der den Hobbit kannte, sah dessen Anspannung. Lediglich die Augen des Meisterdiebes huschten über die instabil wirkenden Pfeiler und das alles zu verschlingen drohende Nichts aus Gold.

„Ja, das sieht soweit ok aus. Ich hab' bis jetzt auch übrigens keinerlei Schäden in der Deckenkonstruktion gefunden, also keine Panik, bitte." Wen Linda hier beruhigte, war ihr selbst nicht klar. Bilbo wirkte zwar etwas überrascht und nicht wohl mit der Situation, doch hatte er, wie sie auch, schon Schlimmeres überstanden.

Der Unterschied allerdings bestand darin, dass sie damals den Schrecken gekannt hatte und ihm vorbereitet gegenüberstand. Wer kam auch bitte auf die Idee, dass die Sicherheitsmängel in Arda auch innerhalb der errichteten Hallen existieren konnten?

Noch ein Hügel voller Gold, dann hatte es Bilbo geschafft. Der Meisterdieb kraxelte vorsichtig an der einen Seite hinauf, an der anderen wieder hinab. Ein wenig blass im Gesicht kam er auf der Plattform an, seine Miene aber zeigte Entschlossenheit.

„Ich wüsste nur zu gerne, was dieses Beben eben zu bedeuten hatte", murmelte er. Stück für Stück überprüfte er die Szenerie um sie herum auf Ungereimtheiten. Er fand sie nicht. Seufzend setzte er sich hin, Linda hockte neben ihm.

Ihr gefiel ganz und gar nicht, dass sie überhaupt keine Ahnung davon hatten, was hier gerade ablief. Es war geradezu unheimlich, sich die Möglichkeiten auszumalen. Linda holte tief Luft und versuchte, vom Thema abzulenken: „Dir fehlt nichts?"

Bilbo schüttelte den Kopf, bewegte seine Glieder, schüttelte wieder den Kopf.

Er erwiderte den Blick, den sie ihm eben zugeworfen hatte. Leicht besorgt, umsorgend, ein wenig tadelnd: „Und dir?"

„Ich bin nicht verletzt."

Sie war eher verstört. Höhlenunglücke... noch nie war sie damit konfrontiert gewesen. So etwas passierte in Filmen, niemals im wohlbehüteten Deutschland! Und wenn, dann lediglich leichtsinnigen Abenteurern, die ihre Grenzen nicht kannten. War es so weit mit ihr gekommen?

Zögerlich fing das Mädchen an zu erzählen, denn sie merkte, dass Bilbo gerne nachbohren wollte. „Du weißt doch, dass ich von einer anderen Welt komme. Es gibt dort auch Berge, ungesicherte Pfade, ungewisse Reisen... Ich habe es, das hier, genossen, solange ich wusste, was kam."

Linda schnaubte verächtlich. „Ja, natürlich, in meinem Kopf klingt es logisch, was alles in Mittelerde passieren kann. Doch ich hatte es nicht verinnerlicht. Bis jetzt. Ich hatte bisher einfach nie daran gedacht, was alles passieren kann."

„Und ja", fügte sie an, „ich weiß, dass Panik unangebracht ist. Und dass ich eine verdammte Schlacht überlebt habe."

Die Frau überraschte sich selbst, dass sie diese emporkriechenden Ängste laut aussprach, sich jemandem anvertraute. Wenn sie hinab auf den Schatz sah, kam es ihr beinahe so vor, als würde sie schlafen, waren doch das hier jene Bilder, die sie immerzu im Traum sah.

Bilbo neben Linda schwieg zunächst. Sein Blick verlor sich in den Schatten des Berges. Wie ging es dem Hobbit wirklich? Das Auenland war wahrlich der behütetste Ort auf ganz Arda, er müsste sich ähnlich Sorgen machen wie sie, würde er sie sogar verstehen?

„Ich will ehrlich zu dir sein: Keine Ahnung, wohin Fíli verschwunden ist. Was mit den anderen ist. Ich denke, Erebor hält so einiges aus. Schließlich hat gerade erst hier, wo wir gerade sind, ein übergewichtiger Drache jahrzehntelang hausiert..." Der Meisterdieb suchte nach Worten.

Tochter der Fremden - Mittelerde-FFWhere stories live. Discover now