20. Kapitel

29 5 12
                                    

Auf Zehenspitzen huschte Linda den Gang entlang. Wer hatte eigentlich eingerichtet, dass Elben solch gute Ohren hatten! Sie selbst war leider keine und verursachte dementsprechend geringfügigen Lärm beim Laufen. Ihre Anwesenheit konnte sie den Gästen gut erklären, doch den Topf voll Essensresten unter ihrem Arm weniger.

Was ein Glück, dass Tauriels Zimmer direkt neben ihrem lag. Sie drückte vorsichtig die Türklinke hinunter, ein leises Flüstern empfang das Mädchen. „Alles gut, ich bin wach."

Erleichtert, die Wache nicht in ihrem Schlummer gestört zu haben, reckte die junge Frau die Beute triumphierend in die Höhe. „Schau mal, was ich heute alles für dich dabei habe! Es tut mir leid, dass es so spät geworden ist."

„Kein Problem", winkte die Rothaarige ab. „Óin war vorhin da und entließ mich aus seinen Diensten. Mein Bein sollte soweit geheilt sein, jedoch muss ich bald eine Belastungsprobe durchführen, unter seiner Aufsicht."

Währenddessen kramte die Zwergenlaie einen frischen Teller hervor und füllte den Krug mit Wasser neu auf. Sie schmunzelte insgeheim. Die Elbin redete in diesem Zimmer sehr viel mehr als sonst – doch wer sollte es ihr übel nehmen, jeder würde eingesperrt in dieser dunklen Kammer alle Gelegenheiten nutzen, mit echten Individuen zu reden.

„Genug von mir, es ist ohnehin jede Stunde nur dasselbe. Wie weit sind die Gespräche gekommen? Hast du ein gutes Gefühl?", endete Tauriel ihren Redefluss.

Linda überlegte kurz. Zwischen ihnen stand ungesagt, dass sie keine Staatsinterna verraten durfte. „Wir diskutieren gerade Möglichkeiten, wie die beiden Reiche in Zukunft besser über ihre Wirtschaft miteinander verbunden werden."

„Eine sehr diplomatische Antwort. Und du sagst „wir", darfst du mitreden?", stellte die Elbin blitzgescheit fest.

„Wie kannst du das so schnell aus meinen Worten hinauslesen?", wunderte sich die junge Frau.

Der Kerzenschein huschte über ihre Gesichter. Tauriel lächelte verhalten. „Meine Stellung erlaubte es mir, manchen Verhandlungen an Thranduils Hof beizuwohnen. Und obwohl ich abwesend erschien, habe ich dort viele der gefallenen Worte aufgesogen. Du darfst mir so gut wie nichts verraten, das ist klar, doch was gestattet Thorin dir zu tun?"

Natürlich. Eine gerissene Kämpferin war eine herausragende Beobachterin. „Er erlaubt mir einige Dokumente anzufertigen, allerdings nicht das Protokoll, oder in den Pausen, sobald wir unter uns sind, meine Meinungen und Vorschläge darzulegen. In den Sitzungen spreche ich nicht, keine Ahnung, ob der Elbenkönig mich überhaupt wahrnimmt."

„Unterschätze ihn niemals, er hat mit Sicherheit auch dich im Blick – insbesondere, wenn du lediglich schweigst." Die Bogenschützin nahm dankend den vorbereiteten Teller entgegen und sprach nach einer kleinen Pause weiter: „Ich weiß nicht, ob Thorin dir einen Gefallen tut, indem er dich in seine Politik miteinbezieht. Du musst ihn beeindruckt haben, dass er dir derartige Verantwortung zumutet."

„Danke dir für deine Ratschläge", meinte Linda mit heiserer Stimme. Sie räusperte sich, wusste nicht, woher diese Krächzigkeit plötzlich kam. „Ich muss leider weiter, die Treffen bereiten sich nicht von alleine nach. Sobald ich weiß, wann Thranduil endlich fortgeht, gebe ich dir Bescheid. Hab eine gute Nacht und mögen deine Träume von einem schöneren Platz sein als von deinem einsamen Zimmer."

Dieses „wann Thranduil endlich fortgeht" zögerte sich mit jedem Morgen weiter hinaus. Ohne Details geben zu wollen verliefen die Verhandlungen mit den Elben genauso wie mit den Menschen zu Beginn. Details, noch so unwichtig, wurden ausgebreitet und aufgearbeitet, keine der Parteien wollte nur einen Schritt von ihrer eigenen Position zurückweichen. Ein Kräftemessen wie aus dem Bilderbuch.

Tochter der Fremden - Mittelerde-FFTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang