32 Little girl.

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L o u i s │04.03.2017 │London



Innerlich war ich unheimlich wütend, doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Mein Blick lag auf El, die sich müde die Haare kämmte und zu einem Zopf band. Sie sah nicht aus, als hätte sie wieder viel geschlafen, trotzdem kam es mir so vor, als würde sich ihr Körper langsam verändern. 

Als würde er etwas weicher werden. Wie gerne würde ich das genauer wissen. Sie berühren, in meinen Armen halten und wissen, was sie dachte, was sie fühlte und was ich ihr getan hatte, dass sie mir so übel mitspielte.

Noch in Dublin hatte ich eine Nachricht von meinem Anwalt bekommen und alleine bei dem Gedanken daran, rauschte nur noch Eis statt Blut durch meine Adern.

»Mr Tomlinson, verzeihen Sie die späte Störung, aber mir liegt ein Schreiben wegen eines Sorgerechtsstreits vor. Ich bin mir nicht sicher, wie Sie das handhaben wollen, deshalb wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich mit mir in Kontakt setzten würden.«

Ich hatte Mr Lewis noch direkt nach der Landung angerufen und erfahren, dass El tatsächlich einen Antrag auf alleiniges Sorgerecht gestellt hatte, noch bevor das Kind überhaupt geboren war. In seiner Kanzlei hatte mir Mr Lewis erklärt, dass ich mir das nicht bieten lassen musste und einen Gegenantrag stellen konnte. 

Je nachdem, wie sich der Verlauf der Verhandlungen entwickeln würde, käme es schließlich zu einem gerichtlichen Verfahren. Ich wollte nicht bis vors Gericht, ich wollte das außerhalb klären, aber scheinbar war El fest entschlossen mich mit allen Mitteln aus ihren Leben zu drängen.

„Du musst nicht mit", riss El mich aus meinen Gedanken. Sie schlüpfte in ihre Schuhe und zog sich die abgenutzte Lederjacke über, die sie immer trug. Ich erkannte sie, denn ich hatte sie ihr einst zum Geburtstag gekauft.

„Pech für dich, ich habe Urlaub", sprach ich und schnappte mir ihren Haustürschlüssel, damit sie nicht auf die Idee kam, dass sie mich vorschnell wieder los wurde. Ich sprang leichtfüßig die Treppen herunter, da der dämliche Aufzug immer noch nicht funktionierte. 

El ließ sich Zeit dabei mir zu folgen. Draußen zog ich mir einen Beanie über und setzte die Sonnenbrille auf, obwohl die Sonne es nicht schaffte, sich gegen die trüben Regenwolken durchzusetzen.

Ich schloss mein Auto auf und reichte El einen Becher mit Smoothie.

„Was ist das?", fragte sie skeptisch und zog an dem Strohalm. Sofort entspannte sich ihr Gesicht. Ich wusste, dass sie rote Früchte am liebsten mochte und bei so wenig Essen, das sie zur Zeit bei sich behielt, würde ich sie wohl mit allem vollstopfen, was ich finden konnte. 

El machte das Radio an und während der Fahrt herrschte bei uns einträchtiges Schweigen. Mir war das ganz recht so, denn ich wusste, dass sie mir entweder eine ein-Wort-Antwort gab, oder gar keine.

Dicke Regentropfen klatschten gegen die Scheibe. Perfektes englisches Wetter. Passend zu meiner Stimmung. Doch wenn ich ehrlich war, Sonne hätte mich im Augenblick nur furchtbar aggressiv gemacht.

„Hast du deine Mom schon angerufen?"

Irritiert brauchte ich etwas, bis ich begriff, dass El tatsächlich mit mir sprach. Ich nickte: „Ja, sie weiß Bescheid." Aus dem Augenwinkel sah ich, das sie mich abwartend ansah, in der Hoffnung, das ich ihr verriet, was meine Mutter gesagt hatte. Doch ich schwieg. 

Das Telefonat war nicht einfach gewesen und hätte ich meine Mutter nicht vorab gebeten sich hinzusetzten, wäre das Ganze wohl mit einer Platzwunde am Kopf ausgegangen. Danach hatte sie nur noch geheult, weshalb Lottie ihr den Hörer aus der Hand genommen hatte. Selbst am Telefon waren meine Schwestern chaotisch wie immer.

Twisted perfection ✓Where stories live. Discover now