58

784 54 48
                                    

[Jungkook]

Sehun gab mir einen Tag zum Nachdenken. Aber diese Zeit brauchte ich nicht. Ich wusste jetzt schon, was das Richtige wäre. Die richtige Entscheidung lag auf der Hand. Die Entscheidung, die meine kleine Sünde ans Licht bringen, sowie Taehyung an meiner Seite behalten würde. Und wenn alles perfekt läuft, bleiben auch meine restlichen Freunde an meiner Seite.

Jedoch war dies der Punkt, welcher mich nervös werden ließ. Ich musste meinen Freunden die Wahrheit sagen, die schon viel früher offenbart werden sollte. Die Lüge sollte gar nicht erst begonnen werden, das war das Problem. Aber meine Freunde würden mir doch bestimmt verzeihen, oder?

Die Sache mit Sehun damals ließ mich da etwas unsicher sein. Wie er aus unserem Freundeskreis wegen einer Lüge verstoßen wurde. Würden meine Freunde das auch bei mir tun?

Egal was meine Freunde tun werden, wie sie darauf reagieren werden und was sie sagen werden, es ändert nichts daran, dass ich es verdient habe. Es ist nur richtig, dass ich es ihnen sage. Der Fehler dabei war jedoch, dass ich es gezwungen tat. Hätte Sehun mir nie gedroht, hätte ich es wahrscheinlich nie getan.

Lange blieb ich noch im Zimmer und versuchte mir selbst Mut zu geben und zu überlegen, wie ich es ihnen am besten sagen sollte. Sollte ich direkt sein, oder ein wenig das Thema einleiten? Sollte ich es jetzt tun, oder später? Sollte ich es ihnen gemeinsam sagen, oder jedem einzeln?

Okay, beim letzten Punkt war ich mir sicher, dass ich es ihnen gemeinsam sagen wollte. So musste ich ihre enttäuschten Blicke nur einmal sehen und nicht ganze fünf Mal. Und ich wollte es auch jetzt gleich tun, damit ich es dann hinter mir habe und ich es auch erledigt habe, bevor Sehun es tun kann.

Wahrscheinlich fragten meine Freunde sich schon, was ich hier so lange tat, denn sie haben sicherlich bemerkt, wie Sehun die Wohnung verlassen hatte und wussten dementsprechend auch, dass ich hier alleine stand.

Wie, als hätte ich es vorhergesehen, hörte ich ein Klopfen an der Tür, gefolgt von einer vertrauten Stimme. „Jungkook? Alles okay? Können Taehyung und ich reinkommen?"

Drei tiefe Atemzüge nehmend bewegte ich mich auf die Tür zu und öffnete diese, wo ich auf zwei besorgte Gesichter traf. Bevor jemand von ihnen etwas sagen oder fragen konnte, ging ich an ihnen vorbei und begab mich ins Wohnzimmer, wo mal wieder alle Augen zu mir wanderten.

„Und? Konntet ihr normal reden?" fragte Kihyun mich, worauf ich jedoch keine Antwort gab. Richtig klären konnten wir es auch nicht. Aber wenn ich jetzt nein sagen würde, müsste ich es noch ausführlicher erklären. Also wollte ich es erstmal sein lassen.

Ich hörte, wie Jimin und Taehyung mir folgten und sich zu mir stellten, ohne zu verstehen, was jetzt passierte.

Es ist nichts schlimmes, ich sollte aufhören, mir ständig so viele Gedanken zu machen. Ich würde ihnen nur beichten, dass diese Beziehung anfangs nicht echt war. Was ist denn schon dramatisch dabei?

Mit diesen Gedanken versuchte ich mich und auch mein klopfendes Herz zur Ruhe zu bringen, was auch tatsächlich klappte. Ich wusste, dass meine Freunde mich deshalb nicht vom Freundeskreis ausschließen würden. Sie hassten Lügen und sie wären bestimmt auch wütend auf mich. Aber nicht so wütend, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen würden. Das glaubte ich jedenfalls. Komplett sicher war ich mir da nicht, weil ich nicht wissen konnte, wie sie darüber denken würden.

„Ich muss euch etwas sagen." Fing ich nur an, um sie auf eine Beichte vorzubereiten.

Soll ich vielleicht beim Erzählen ein wenig lachen, in der Hoffnung, dass sie diese Geschichte genauso lustig finden würden wie ich? Nein, so sollte ich das nicht angehen. Ich sage es einfach und dann ist es auch gut. Ich sollte kein großes Drama daraus machen.

„Jungkook, meinst du das, was ich denke?" Fragte Taehyung mich dann leise, welcher neben mir stand und seine Hand an meinen Rücken legte.

Ich sah einfach nur zu ihm und nickte. Anders als erwartet, auch wenn ich nicht wirklich wusste, was ich erwartet hatte, bildete sich ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen, welches einen großen Teil meiner Nervosität nahm.

„Okay. Du brauchst aber nicht so nervös zu sein. Es ist alles gut." Sagte er und legte seine Hand auf meine Hände, die an meinem Ärmel zupften, während er mir einen Kuss auf die Nase gab. „Es ist nichts schlimmes", wiederholte er das, was ich mir selbst immer wieder sagte.

Ich nickte nur und sah wieder zu unseren Freunden. Nun begann ich zu erzählen.

„Ich habe euch vor einem halben Jahr mal stark angelogen. Und das tut mir wirklich sehr Leid. Ich hätte es nie tun sollen und ich hätte es auch viel, viel früher auflösen sollen."

Kurz blickte ich wieder zu meinem Freund, der einfach mit dem Daumen über meinen Handrücken strich, auch wenn diese Beichte wirklich nichts Dramatisches war, er aber wusste, dass ich irgendwie Angst vor diesem Geständnis hatte.

„Könnt ihr euch an den Tag erinnern, an dem ich euch das erste Mal von Tae erzählt habe?"

Meine Freunde nickten.

„Die Wahrheit ist, dass ich ihn da noch nicht einmal kannte. Ich habe ihn mir ausgedacht. Das dachte ich jedenfalls."

Ich erwartete offene Münder, geschocktes, tiefes Einatmen und große Augen, doch sie blieben ruhig. Ich konnte nur kleine Veränderungen an deren Gesichtern sehen, woran ich trotzdem erkennen konnte, dass diese Information sie überraschte.

„Als ihr immer gesagt habt, ich wäre auf eure Beziehungen eifersüchtig, habe ich einfach, ohne nachzudenken dummerweise gesagt, dass ich einen Freund hätte und habe ihn mir mehr oder weniger ausgedacht."

Immer noch waren sie still. Dies nahm ich als Zeichen an, weiter zu reden.

„Ich habe Taehyung das erste mal getroffen, als ich das erste Mal bei dem Japanisch Kurs war, der auf meine alte Schule verlegt wurde. Einen oder zwei Tage später kam es dann dazu, dass ich ihm von meiner Lüge erzählt und ihm auch gebeichtet habe, dass er eins zu eins meinen ausgedachten Freund widerspiegelt. Er kam dann auf die Idee so zu tun, als wäre er mein Freund, um mir zu helfen. Es ist aber nicht seine Schuld gewesen, dass es so gekommen ist, nicht dass ihr so denkt. Er hat nichts falsches getan, ich allein bin Schuld daran, dass es so weit gekommen ist. Er wollte mir nur helfen."

Im Augenwinkel konnte ich sehen, dass Taehyung immer noch dieses sanfte Lächeln auf den Lippen trug, welches auch ein wenig stolz aussah, weshalb ich mich nicht allzu allein in dem Moment fühlte.

Alle starrten mich an und dies ließ mich einsam fühlen. So war es schon immer. Wenn die gesamte Aufmerksamkeit auf mir lag.

Aber mit Taehyung an meiner Seite war es nicht so schwer, wie ich dachte.

„Also haben wir euch dann vorgespielt eine Beziehung zu führen. Erst, als wir bei der Villa von Hobis Tante waren, sind wir wirklich zusammen gekommen. Ich weiß, dass es wirklich scheiße von mir war und ich es nie hätte tun sollen. Aber es ist halt einfach passiert und ich hoffe wirklich sehr, dass ihr mir diesen Fehler verzeihen könnt. Wenn nicht, kann ich es auch verstehen."

Und nun kam die Angst wieder hoch. Ich musste auf eine Antwort warten, die entweder gut oder schlecht für mich ausfallen würde.

Abgesehen davon war ich in dem Moment glücklich darüber, dass ich es endlich geschafft habe und diese Last nun fast von meinen Schultern verschwunden war.

Erst, wenn meine Freunde mir verzeihen, verschwindet diese Last. Wenn sie es nicht tun, wird diese Last mich nochmal doppelt so stark runterdrücken.

Taehyung drückte meine Hand ein wenig, als ich ungeduldig unsere Freunde ansah und einfach nur wartete.

Ich stellte mir alle möglichen Antworten vor. Wie sie wütend auf mich sind, aber mir dennoch verzeihen, oder wie sie wütend auf mich sind und mir nicht verzeihen. Ich stellte mir sogar vor, wie sie mich ohne mir eine Antwort zu geben aus der Wohnung schmeißen. Aber es passierte etwas komplett anderes.

Sie sahen sich kurz an, warteten einige Sekunden, bis sie gleichzeitig anfingen zu lächeln.

„Endlich."

:):

FAKE | vkookWhere stories live. Discover now