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Sie sah mich nicht an als sie antwortete „Ich weiß wer du bist Lorenzo. Menschen wie du ziehen einen runter und wenn du das mit meinem Bruder machen willst nur zu. Aber lass mich in Ruhe" ihre Worte klangen ernster als alles was ich seit langem gehört hatte.

Doch so einfach würde ich mich nicht geschlagen geben. „Ich finde deinen Namen auch ohne dich heraus wenn ich will" gab ich zu und nun sah sie mich erneut an.

„Du nervst" war das einzige was sie sagte. „Und ich kann dich noch viel schlimmer nerven" gab ich ihr verstehen. Sie blieb stehen und verschränkte die Arme „Such dir irgendwen anders zum schikanieren Lorenzo. Ich sage es dir ein letztes mal also schalt den AFK Modus aus und hör zu. Du Sollst. Mich. In. Ruhe. Lassen" sie betonte jedes Wort ihres letzten Satzes einzeln.

Dann setzten sich ihre Beine erneut in Bewegung und ich blieb tatsächlich an Ort und Stelle stehen. Solch eine Abfuhr hatte ich noch nie zuvor in meinem Leben bekommen.

Und die Tatsache, dass ich jedem sonst dafür ins Gesicht geschlagen hätte machte es nicht gerade besser. Doch natürlich war ich kein Frauen Schläger. Ich war vieles aber solange ich keinen wirklich guten Grund dazu hatte würde ich niemals eine Frau schlagen.

Für heute würde ich es wohl also auf sich beruhen lassen. Aber was hatte ich schon erwartet?

Hatte ich ernsthaft erwartet, dass sie gleich zustimmen würde mit mir abzuhängen?

Der restliche Tag verlief zugegeben ziemlich uninteressant. Als ich nach Hause kam begann es zu regnen und die Stimmung Zuhause war auch nicht die beste. Meine Mutter war noch nicht Zuhause und mein Vater hatte mal wieder im Wohnzimmer geraucht.

Der Qualm stand bis unter die Decke und es stank nach Zigaretten. Obwohl ich selbst Raucher war ekelte mich die Menge welche mein Vater rauchte an. Er war seit Jahren Kettenraucher.

Meine Mutter hatte schon oft versucht ihm seine Sucht einzuschränken aber bisher stets ohne Erfolg.

„Du bist schon Zuhause?" fragte er ohne mich anzusehen. „Ja" antwortete ich. Solche kurzen Gespräche waren das einzige was wir zu Stande brachten. Ich wusste ich war ihm nicht egal aber sich für mich interessieren tat er auch nicht.

Denn sonst hätte er sicherlich nach meinem Gesicht gefragt. Wann genau es so merkwürdig geworden war wusste ich nicht. Doch ich wusste, dass es nicht immer so gewesen war. Immerhin zeigten ein Haufen Fotos das genaue Gegenteil zu dem wie es jetzt war.

Ich lief die Treppen nach oben in mein Zimmer hinauf, dann seufzte ich. Die Tatsache, dass ich Einzelkind war machte das Leben in diesem Haus nicht wirklich einfacher.

Aber alles in einem war ich auch irgendwie froh darüber, dass es kaum laut im Hause war. Ich ließ mich auf mein Bett fallen und blickte in Richtung Fenster.

Manchmal fragte ich mich ob mein Leben in einer anderen Familie anders gelaufen wäre. Wenn mein Vater nicht mein Vater wäre und meine Mutter nicht meine Mutter. Ich war mir sicher, dass mein Leben einfacher wäre.

Realistisch betrachtet hatte ich nicht wirklich eine erfolgreiche Zukunft in Aussicht. Und das nicht nur, weil mein Vater ein Ex Knacki und meine Mutter eine ehemalige Prostituierte war. Sie wussten lange Zeit nicht, dass ich darüber Bescheid wusste.

Meine Mutter hatte ihr Leben zwar nach meiner Geburt umgekrempelt und versuchte mich davor zu bewahren im Knast zu enden. Doch alles in einem hatte ich bei solchen Vorbildern wie ihnen nie wirklich die Chance eine gute Zukunft aufzubauen.

Die Leute tratschten eben und der Ruf meiner Familie litt seit Jahren darunter. Während meiner Kindheit war es so schlimm gewesen, dass wir mehrmals Umzogen und doch verfolgte die Vergangenheit uns immer wieder. Ich glaubte sie wussten, dass ich es wusste.

Doch wir alle schwiegen es einfach Tod. Wir hatten offen gestanden nie darüber geredet und ich glaubte auch niemand von uns wollte wirklich diese Art von Gespräch führen.

Ich ließ mich in mein Bett fallen und rieb mir mit meinen Händen über das Gesicht. Ich machte mir keine Sorgen über meine Zukunft doch ich machte mir Sorgen darüber eines Tages allein zu enden.

Ich war mir sicher es hätte Vorteile ein paar mehr Freunde als Feinde zu haben. Doch meine Soziale Fähigkeit war alles andere als bereit für weitere Freunde. Ich würde vermutlich also nicht nur ohne Job enden sondern oben drauf auch noch allein sein.

Ich griff nach meinem Handy und warf einen Blick auf die Uhrzeit. Es war bereits früher Abend und mein Magen machte sich allmählich bemerkbar. Das Essen in der Kantine ähnelte mehr einem misslungenem Chemie Experiment weswegen ich meist erst am Abend dazu kam etwas zu essen.

Dass das ungesund war wusste ich. Aber es war mir schlichtweg egal. Genauso egal war es mir, dass ich vermutlich nun aufstehen sollte um etwas zu essen.

Die heutige Mission war es den Namen des Mädchens heraus zu finden und alles was ich dafür brauchte war der Instagram Account ihres Bruders.

Jetzt da ich seinen Vor und Nachnamen kannte würde es nicht schwer werden sie zu finden. Ich öffnete das Fenster mit seinem Account. Sein Profil war wirklich langweilig und ich hoffte, dass er sie irgendwo markiert hatte.

Denn dann müsste ich nicht erst seine Follower unter die Lupe nehmen. Tatsächlich wurde ich fündig.

Ihr Account hieß Katie.andrxws und ich war neugierig darauf ob ihr Profil weniger langweilig war als das ihres Bruders.

Auf den ersten Blick schien es genau so langweilig zu sein. In der Bio hatte sie lediglich einen Schildkröten Emoji stehen.

Ihr Profil war öffentlich zugänglich und somit war es ein leichtes es genauer unter die Lupe zu nehmen. Ein Beitrag und zwei Highlights waren der Inhalt ihres Profils und ich beschloss sie mir anzusehen.

Immerhin könnte mir das im Nachhinein zu gute kommen. In einem ihrer Highlights postete sie lediglich Bilder von sich selbst.

Mir fiel auf, dass die Bilder von Zeit zu Zeit weniger aus ihrem Leben Preis gaben. Dies schien auch auf ihr zweites Highlight zuzutreffen. Offen gestanden interessierte mich das gar nicht so genau.

Doch immerhin wusste ich jetzt ihren Namen.

Katie Andrews.

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(1013 Wörter)

:)

97 DaysWhere stories live. Discover now