20. Laufen für die Seele?

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Hallöchen, passend zum Start ins Wochenende gibt's ein neues Kapitel! Habt alle schöne freie Tage, lehnt euch entspannt zurück, genießt die Sonne und lest ein paar gute Geschichten oder ein Buch 📕
Liebe Grüße von mir ☺️

Samia POV

Ich war völlig überrumpelt als Stefan mich an seine breite Brust zog aber vermutlich hätte ich mich auch nicht getraut, mich zu wehren wenn sich seine Handlung zuvor angekündigt hätte.
Ich wollte ihm nicht so nahe sein. Die letzten Minuten waren für mich aufgrund des übermäßigen Körperkontaks eh schon eine Qual gewesen aber nun, das war die Hölle auf Erden für mich.
Meint er seine Worte ernst? Sie wollen mir wirklich nichts tun? Zu gerne würde ich seinen verlockenden Worten Glauben schenken doch es konnte nicht so sein. Warum wäre ich sonst denn auch noch hier? Noch immer war ich überzeugt davon, dass sie mich in Sicherheit wiegen wollten, damit ich keinen unnötigen Ärger machte.
Hier stand ich also, an die Brust eines meiner Entführer gedrückt, den ich am liebsten mit meiner ganzen Kraft von mir gestoßen hätte um anschließend von ihm wegzulaufen. Dass ich nicht von diesem verfluchten Gelände kommen würde wurde mir leider immer bewusster aber zumindest könnte ich dieser ungewollten Nähe entfliehen.
Ein kleiner Teil in mir schöpfte dennoch Hoffnung aus Stefans Botschaft und gab sich der Illusion hin, dass er wirklich Recht haben könnte. Würde ich vielleicht doch lebend hier rauskommen und eines Tages mein Studium fortführen können, wieder ein ganz normales Leben führen? So ehrlich und für seine Verhältnisse emotional hatte er gesprochen, musste das nicht die Wahrheit sein?
Als der Mann begann, mir beruhigend über den Rücken zu streicheln, kämpfte sich diese Hoffnung in einer so hohen Geschwindigkeit und mit unaufhaltsamer Energie an die Oberfläche und nahm Besitz ein von meinen Gedanken und meinem Verstand. In dem Moment glaubte ich ihm. Es war ein wunderbares Gefühl dem ich mich hingab, welches mich alles drumherum vergessen ließ und meine Tränen brachen aus mir heraus.

Ich weiß nicht wie lange wir in dieser Umarmung verharrt hatten aber irgendwann kamen keine Tränen mehr nach und mein Zittern hatte abgenommen. Vorsichtig löste ich mich von dem Mann und wischte mir verlegen die Wangen trocken als ich den großen Fleck auf Stefans TShirt entdeckte, den ich hinterlassen hatte. „Entschuldige, dass ich dein Shirt versaut habe." nuschelte ich und ich konnte spüren wie meine Wangen heiß wurden.
„Das macht nichts, dafür gibt es ja zum Glück Waschmaschinen." stellte er fest und fügte dann hinzu „Geht's wieder?"
Ohne lange zu überlegen nickte ich und das entsprach der Wahrheit. Alle meine Gefühle, Ängste, Tränen, die ich seit Stunden zurückgehalten hatte, waren gesammelt hochgekocht und der Druck hatte dadurch vorerst ein wenig abgenommen. Vielleicht wurde ich aber auch schon verrückt? Möglicherweise die ersten Schutzmechanismen meiner Psyche? Ich nahm mir vor, es im Auge zu behalten aber ich hatte für den Moment akzeptiert, dass es mir nicht weiterhalf, wenn ich mich verrückt machte. Ändern würde meine Hysterie jedenfalls nichts und wenn die Männer mir diese verhältnismäßige Freundlichkeit doch nur vorspielten und ich doch früher oder später eine Kugel in meinem Kopf oder in meiner Brust haben würde, änderte das Wissen darüber rein gar nichts am hier und jetzt. Diese Erkenntnis schien ernüchternd doch tatsächlich baute es mich ein kleines bisschen auf, möglicherweise beflügelte mich auch einfach die Hoffnung, dass ich doch noch eine Chance auf ein Leben nach dieser Hölle hatte.
Ich schob meine Gedanken beiseite und schaute Stefan möglichst selbstsicher an und fragte vorsichtig:
„Darf ich trotzdem den Rest des Hausen noch sehen?"
Ich konnte Erstaunen in dem Gesicht des Mannes sehen und eine Augenbraue hob sich skeptisch an.
„Bist du dir sicher, dass du dazu jetzt noch breit bist? Wir können auch ein anderes Mal weitermachen." bot er an.
„Nein das ist schon in Ordnung und zu wissen wo hier meine örtlichen Grenzen im Haus sind, wird mir schließlich hoffentlich helfen." begründete ich meine Entscheidung schüchtern. Ich hoffte, dass ich mir durch meinen Heulanfall nicht das Angebot versaut hatte.
„Ja, in Ordnung. Auf deine Verantwortung." zwinkerte er mir zu und ich atmete erleichtert aus als wir uns in Bewegung setzen, und Stefans Büro verließen.

Da wir im Erdgeschoss alles gesehen hatten, führte der Mann die Führung im Obergeschoss weiter. Neben dem Zimmer, in dem ich heute aufgewacht war, befanden sich hier zudem die Schlafzimmer der Männer. Diese besichtigen wir nicht alle einzeln aber Stefan zählte auf, wer wo schlief. Die Schlafräume waren für mich tabu was ich nachvollziehen konnte, schließlich waren das die privatesten Zimmer dieses Gebäudes und bei genauerem Nachdenken konnte ich auch nur froh sein, deren Schlafzimmer nicht von innen zu Gesicht zu bekommen. Den bedrückenden Gedanken, was die Männer alles mit mir anstellen könnten, schob ich schnell wieder von mir, ehe er die nächste Saat für niederschmetternde Ängste säen konnte.
„Wenn aber etwas sein sollte, dann darfst du jederzeit, also auch nachts, zu uns kommen. Ich erinnere dich da beispielsweise an heute morgen mit den kleinen Zwischenfall in der Dusche." seine tiefe Stimme war nicht böse aber dennoch streng wodurch dem Inhalt Nachdruck verliehen wurde.
Als ich mich nicht dazu äußerte hakte er deshalb nach. „Verstanden, Samia?" ich schaute kurz zu dem Mann hoch, konnte seinem durchdringenden Blick jedoch nicht standhalten und nickte deshalb hastig.
„Benutze Wörter." forderte er dominant.
Nervös strich ich mir eine Strähne hinters Ohr und beeilte mich um eine Antwort um den Kidnapper zufriedenzustellen. „Uhm, ich soll in wichtigen Fällen zu euch kommen und dafür darf ich ausnahmsweise auch eure Zimmer betreten."
„Na geht doch, gutes Mädchen." lächelte er und ging dann weiter, zum Ende des Flures.
Diese Bezeichnungen verwirrten mich und machten mich offen gestanden nervös weil ich sie in keiner Hinsicht einordnen konnte. Hatte der Kosename irgendeine Bedeutung, die ich nicht verstand? Eine Andeutung oder ein Hinweis vielleicht? Ich fand jedenfalls keinen tieferen Sinn hinter der Bezeichnung und konzentrierte mich wieder auf das Gebäude.
Ich folgte Stefan in sicherem Abstand als er eine Tür öffnete und eintrat. Als ich an seinem breiten Rücken ins Innere des Raumes vorbeischauen konnte, staunte ich nicht schlecht.
Ein riesiger Fitnessraum erstreckte sich vor mir und ich blieb verdutzt noch im Türrahmen stehen. Eine Vielzahl an unterschiedlichen Geräten reihten sich aneinander und die gegenüberliegende Wand war eine einzige riesige Fensterfront, welche den Blick auf den Garten und den See freigab. Fasziniert trat ich ein und schaute mich um. Unter anderen Umständen hätte ich vermutlich Freudensprünge gemacht. Ich liebte Sport und war mindestens dreimal die Woche im kleinen Fitnessstudio um die Ecke.  Ganz vorne am Fenster erblickte ich zwei Laufbänder und mein Herz machte tatsächlich einen Mini-Sprung. Von dort hatte man sicherlich einen wunderbaren Blick nach draußen. Ich ging auf die besagten Geräte zu, doch auf halbem Weg verlangsamte ich meinen Schritt und blieb dann stehen. Stefan hatte sich ja noch gar nicht dazu geäußert, ob ich mich hier überhaupt aufhalten durfte und zudem hatte ich auch keine Sportsachen. „Wie dumm von mir." stellte ich frustriert fest. Das hier hätte mir wirklich helfen können, abzuschalten.
Stefan entging mein Zögern natürlich nicht. „Dieser Raum steht die jederzeit zur Verfügung aber wie du dir vielleicht denken kannst, machen wir alle gerne Sport, deshalb musst du dich hier darauf einstellen, uns zu begegnen.
Ich nickte nur, denn das Problem der fehlenden Kleidung war dadurch schließlich nicht behoben.
„Du wurdest entführt und machst dir Gedanken über Klamotten? Na herzlichen Glückwunsch, das nenne ich mal erbärmlich!" schimpfte ich stumm mit mir selber.
„Falls du dir gerade Gedanken darüber machst, was du anziehen sollst, wir haben die einige Klamotten bestellt und da waren auch ein zwei Sportsets bei. Du kannst ja nicht ständig unsere Klamotten beschlagnahmen und zum Sport schonmal gar nicht." grinste er und ich machte mir dieses Mal gar nicht mehr die Mühe mich zu fragen, woher er meine Gedanken schon wieder so gut kannte. Sein Grinsen wurde noch breiter und ich sah in skeptisch an.
„Ich könnte mich aber auch wohl mit dem Gedanken anfreunden, dich hier nur in unseren TShits beim Training zu sehen."
Erschrocken schaute ich ihn an und sog scharf die Luft ein. Mein erschrockener Blick schien in umso mehr zu amüsieren.
„Ganz ruhig. Es wird dich hier niemand anfassen, das war ein kleiner Spaß am Rande." versuchte er mich zu beschwichtigen und ich beschloss den Satz, wie auch einige zuvor, aus meinem Gedächtnis zu löschen.

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