57. Zurückgelassen

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Guten Morgen allerseits!

Ich wünsche euch allen und euren Liebsten tolle Ostertage 🥰💐

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Stefan POV

Ungläubig hatte ich das Handy in meiner Hand angestarrt und die Knöchel zeichneten sich vor lauter Kraft, mit der ich das Gerät festhielt, weiß unter meiner Haut ab.
„Der Typ hat doch völlig den Verstand verloren." fluchte ich bevor ich das Handy auf den Wohnzimmertisch knallte und mir genervt mit den Händen das Gesicht rieb und mich erhob.
Die anderen schauten mich erwartungsvoll an.

„Jetzt soll ich dieser kleinen Kröte auch noch Essen machen."
Diese Worte lösten sofort heftige Diskussionen unter uns aus aber nichtsdestotrotz bewegte ich mich zur Küche um nach etwas Essbarem zu suchen.
„Achso und in zehn Minuten können wir dann wohl auch mal los, also packt alles zusammen, dass wir direkt starten können wenn der Affe dann irgendwann fertig ist mit seinem Zirkus."
Sichtlich erleichtert über diese Nachricht schwärmten Aiden, Danny, Damian und James in die verschiedensten Richtungen aus um unseren Plan umzusetzen aber ich spürte schon jetzt eine ungewohnte interne Anspannung und schickte ein kurzes Stoßgebet gen Himmel, dass heute bei der Aktion nichts schiefgehen würde.

Ich belegte drei Scheiben Brot und drappierte noch einige Gurkenscheiben, Tomaten und Weintrauben drumherum. Wie ein erbärmlichen Kellner kam ich mir vor, als ich mit dem Tablett mit Brot und Birnensaft bestückt die Treppe erklomm.
Ehe ich mich hätte fragen können wo die Lieferung überhaupt hingehörte, stürmte Mark aus seinem Zimmer heraus und hätte mich beinahe über den Haufen gerannt.
Erschrocken realisierte mein Kollege, der für mich immer viel mehr wie ein Bruder gewesen war, meine Anwesenheit und straffte seine Schultern.

Er schaffte es dennoch nicht zu verbergen, wie aufgewühlt er noch immer war und ich hätte Mark am liebsten geschüttelt, bis er endlich mit der Sprache rausrückte, was zwischen ihr und der Entführten vorgefallen war.
Alles hielt mich allerdings davon ab. Marks Brustkorb, der sich heftig hob und senkte, der Schweiß, der auf seiner Stirn stand und sein Blick, der undurchdringlich war und dennoch flehentlich herausschrie, dass ich ihn mit dem Thema in Ruhe lassen sollte.

In all den Jahren zuvor hatte ich kein einziges Mal im Ansatz das Gefühl, dass etwas zwischen uns gestanden hätte. Das hatte sich binnen weniger Momente geändert. Den Mann, der da gerade vor mir stand, kannte ich nicht und irgendetwas sagte mir, dass er sich selber so auch nicht kannte und auch nicht leiden konnte.

Schuld an allem war nach wie vor die Frau in diesem Haus. Auch wenn sie nichts dafür konnte, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein und Samia unendlich unschuldig wirkte, wäre es offensichtlich doch für uns besser gewesen, wenn wir das Problem gleich zu Beginn mit ihr anders gelöst hätten.

„Bring Samia bitte dazu, zu baden und zu essen , hol ihr warme Kleidung und hab danach ein Auge auf sie aber bedräng sie nicht. Sie darf sich auf dem Gelände frei bewegen." Riss Mark mich mit seiner monotonen Stimme aus meinen Gedanken ohne mich eines einzigen Blickes zu würdigen und er wollte schon weiterstolpern, doch er zögerte.
Es entging mir nicht, dass sich alles in ihm verspannte, als müsste er sich zwingen, die nachfolgenden Worte zu sprechen.
„Krümm ihr kein Haar. Kein einziges! Behandel sie einfach als würde sie...als würde sie zur Familie gehören. Bitte."
Ehe ich hätte widersprechen können, da ich da ganz anderer Meinung war, war Mark schon bei der Treppe angekommen.

„Ich soll jetzt hier den verfluchten Babysitter spielen und Däumchen drehen während ihr meine Hilfe gleich mehr als gut gebrauchen könntet? Ernsthaft?"
Grollte meine vor Wut bebende Stimme durch den weitläufigen Flur aber Mark eilte unbeirrt weiter und ließ mich fluchend zurück.

Das konnte wirklich nicht sein ernst sein. Wir hatten den Plan für die heutige Mission minutiös geplant und jeder hatte seine zugeteilte Aufgaben und jetzt zog er mich ohne zu zögern einfach so ab?

Mark und ich standen uns näher als die anderen Männer es taten, was zum einen daran lag, dass wir uns einige Jahre länger kannten und er mich damals aufgenommen hatte als ich am Boden war und niemanden mehr hatte. Dieser Mann hatte mir mein Leben zurückgeben und ich ihm seins. Gemeinsam hatten wir jede Krise, jede beschissene Zeit durchgestanden und wir hatten uns blind vertraut. Das hatte Mark mir auch schon das ein oder andere Mal deutlich gemacht, dass er mir noch einen Funken mehr traute, als den anderen und jetzt ließ er mich einfach hier mit einer elendigen Kröte zurück. Heute bei dem wichtigen Deal?!
Ein skurriler Gedanke durchzuckte mich, indem ich überlegte, ob ihm dieses Mädchen genauso wichtig oder sogar noch wichtiger sein konnte als der Plan heute.
Samia war süß, ohne Frage. Und auch ihr Körper war mehr als nur wohl geformt, dass man nicht viel Phantasie benötigte um sich schöne und aufregende Stunden mit ihr vorzustellen aber im Leben war Mark niemand, der sich Hals über Kopf verlieben würde. Schon gar nicht in so ein kleines Häufchen Elend, bei dem man befürchten musste, dass sie zerbrechen könnte, dass es zerbrach, wenn man mal ordentlich zupacken würde.

Aber irgendwas war zwischen den beiden was ich bis jetzt noch nicht verstand und was mir ein mächtig ungutes Bauchgefühl bescherte.

Seufzend setzte ich mich mit dem Tablett wieder in Bewegung und steuerte auf Marks Badezimmer zu, wo ich noch immer das Badewasser laufen hören konnte.

Bevor ich den Raum jedoch betrat, atmete ich mehrere Male tief durch um meine Wut möglichst verpuffen lassen um nicht die Beherrschung zu verlieren. Irgendwas in mir sagte nämlich sehr deutlich, dass ich mächtige Probleme mit Mark bekommen würde, wenn ich mich nicht an Marks Anweisungen halten würde.

Ich stieß die Tür zum Bad mit dem Ellbogen auf, und trat ohne weitere Ankündigung ein. Es dauerte keine Sekunde, bis ich die Frau links von der Tür auf dem kleinen Sessel ausmachte.
Sie sah extrem fertig aus. Die bisher so makellose Haut unnatürlich blass und aufgeschürft, ihre Haare standen ungeordnet in alle Richtungen aus dem gelockerten Zopf ab.
Ihr Blick, welcher panisch zu mir flog, war beinahe leer. Als sie mich erkannte stand sie hektisch auf aber schwankte bedrohlich und über ihre bebenden Lippen kam ein gequälter Laut als Mischung aus wimmern und schluchzen.
Es war ihr nicht zu verübeln, denn unser letzter Kontakt war nicht gerade liebevoll gewesen als ich sie in den Keller verfrachtet hatte. Was für mich harmloser Kindergarten gewesen war, war für die zimperlich Frau wohl die Hölle gewesen und als mein Blick an ihrer bunt verfärbten Wange hängen blieb, durchzuckte mich doch tatsächlich für einen Sekundenbruchteil ein schlechtes Gewissen, ehe dieses wieder von lodernden Wut übertönt wurde.
Wäre sie nicht hier, dann würde ich gleich mit den anderen im Auto sitzen und auf dem Weg zu unserem Einsatz sein.

Genervt atmete ich aus und registrierte dann, dass die Frau noch immer keinen festen Stand gefunden hatte, sich aber mittlerweile neben dem Stuhl befand und sie sich offensichtlich dahinter in Schutz bringen wollte, um Abstand zu mir zu gewinnen.
„Meine Fresse, als könnte sie dadurch irgendwas bewirken." stellte ich stumm fest. Ich dachte das hätte sie vielleicht mal geschnallt.
„Setz dich gefälligst wieder hin." herrschte ich sie härter an als beabsichtigt.

Erschrocken über meine heftige Ansprache, wollte sie meinen Befehl unverzüglich umsetzen, doch die schnelle Bewegung ließ sie straucheln und unelegant auf den Boden plumpsen.

Die Frau war völlig hilflos und entkräftet.
Genervt stellte ich das Tablett auf dem Waschtisch ab, als ich feststellte, dass Samia immer wieder zu Boden sank trotz ihrer verzweifelten Versuche, aufzustehen.

Als hätte ich nichts besseres zutun, als die Kleine vom Boden aufzulesen nachdem ich ihr schon mehr als widerwillig Essen gebracht hatte. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir sie einfach im Keller gelassen. Zumindest für die Zeit in der wir unterwegs gewesen wären.
Wie auf ein Kommando konnte ich den Kies der Einfahrt unter den Autoreifen knirschen hören, als meine Männer sich auf den Weg machten.
Ich atmete tief durch. Ich war also nun alleine mit dieser wehrlosen Frau und tausend Dinge tobten mir durch den Kopf, die ich mit ihr anstellen könnte.

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