Kapitel 269

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Marie

Ich war so unendlich froh, als Wincent endlich wieder da war! Mit ihm an meiner Seite fühlte ich mich direkt wieder etwas sicherer. Zwar noch lange nicht wohl, aber irgendwie musste das jetzt gehen für die letzten Tage, die ich hier wohnen würde. Lena verabschiedete sich dann relativ schnell und ließ uns unsere Zeit, das gemeinsam zu verarbeiten. An Lernen war natürlich an diesem Tag nicht mehr zu denken, was mich einerseits zusätzlich belastete, andererseits hatte auch Lena mir am Nachmittag ins Gewissen geredet, dass wir in den letzten drei Tagen sicher eh nichts mehr reißen konnten. Was sich bisher nicht in meinem Hirn angesammelt hatte, würde ich mir sicher auch jetzt nicht mehr merken. Deshalb ließ ich es einfach zu, am Abend mit Wincent bei einem Disneyfilm auf der Couch zu kuscheln und mich einfach von seiner Nähe etwas beruhigen zu lassen. Ich wüsste echt nicht, was ich gerade ohne ihn machen würde!

„Was hältst du davon, wenn wir uns nächste Woche direkt nach deiner Prüfung einfach mal wieder eine Auszeit nehmen und wegfahren?", fragte Wincent dann plötzlich. Ich hob meinen Kopf von seiner Brust, um ihn ansehen zu können. „Wincent, wir ziehen nächste Woche um, wie stellst du dir das vor?", erwiderte ich und sah ihn fragend an. „Das können wir doch danach immer noch machen... wir bringen einfach deine Sachen ins Haus, dann kannst du die Wohnung pünktlich abgeben. Alles andere stresst uns doch nicht, das können wir auch nach ein paar Tagen Urlaub noch machen...", zuckte er nur mit den Schultern, „... und vor allem du brauchst dringend mal ein paar Tage zum Abschalten und Runterkommen, das brauchst du gar nicht abstreiten..." „Aber...", fing ich an, wusste, aber eigentlich nicht, was ich sagen wollte, denn natürlich hatte Wincent recht. So sehr ich mich auf das Haus und den Umzug freute, so sehr merkte ich ja auch selbst, dass ich mit meinen Kräften und vor allem meinen Nerven aktuell so ziemlich am Ende war. „Ach du hast ja recht... was schwebt dir so vor?", gab ich dann doch schnell nach. „Weiß nicht... ich hätte gedacht, wir suchen uns entweder wieder irgendwo ein kleines Häuschen nur für uns allein oder wir fahren einfach wieder mit dem Bully los...", schlug er vor und wartete auf meine Reaktion. „Hört sich beides gut an... ich würde ja zu gern nochmal in das kleine Häuschen in Dänemark fahren, das wäre doch perfekt zum Entspannen...", überlegte ich und spielte dabei sanft mit Wincents Haaren. Sofort griff Wincent nach seinem Handy. „Gut, dann fahren wir wohl nach Dänemark!", grinste er zwei Minuten später und legte sein iPhone wieder beiseite, „Ich hab' uns das Häuschen gerade reserviert!" Er lächelte mich an und damit war es beschlossene Sache, dass unser Einzug ins Haus einfach noch ein paar Tage verschoben wurde. Aber irgendwie störte es mich auch gar nicht, nach dem Examen hatte ich schließlich sechs Wochen frei, in der Zeit würden wir schon irgendwie alles fertigkriegen.

Wir ließen den Abend dann doch eher ruhig und mit ganz viel Kuscheln und ein paar sanften Küssen ausklingen und Wincent schaffte es damit tatsächlich, mich den Umständen entsprechend wieder runterzubringen, sodass ich in der Nacht sogar halbwegs gut schlief. Die nächsten zwei Tage liefen dann ähnlich ab. Ich schaute mir das ein oder andere Thema nochmal an, versuchte mir aber keinen neuen Stress mehr zu machen und Wincent wich mir die ganze Zeit über nicht von der Seite. Normalerweise würde mich das wahrscheinlich irgendwann nerven, aber gerade war das einfach genau das richtige für mich, diese Tage irgendwie zu überstehen.

Als am Montagmorgen dann mein Wecker klingelte und ich realisierte, welcher Tag heute war, wurde mir augenblicklich kotzübel und die Nervosität überwältigte mich für einen Moment. „Hey, tief durchatmen...", murmelte Wincent neben mir noch halb verschlafen, wurde aber augenblicklich wacher, als er merkte, was los war, „... du hast jetzt so lange gelernt, du wirst das rocken!" Ich nickte nur, zu mehr war ich gerade nicht in der Lage. Wortlos stand ich auf und ging ins Bad, um mich für den Tag fertig zu machen. Als ich zurückkam, stand Wincent doch tatsächlich in der Küche und bereitete mir Snacks für die nächsten Stunden vor. „Du bist süß, danke!", sagte ich nur und küsste ihn kurz, bevor ich alles in meine Tasche packte und nochmal checkte, ob ich auch alle notwendigen Unterlagen und meinen Ausweis dabeihatte.

Wincent ließ es sich auch nicht nehmen, mich persönlich zur Prüfung zu fahren. Und ich musste zugeben, ich war ihm irgendwie dankbar dafür, dass er mich allein mit seiner Anwesenheit gerade so unterstützte. Denn allein, dass er in meiner Nähe war, hielt meine Nervosität zum Glück noch ein kleines bisschen in Grenzen. Vor dem Prüfungsgebäude angekommen, zog er mich noch einmal an sich und drückte mir einen festen Kuss auf die Lippen. „Ich wünsche dir ganz viel Erfolg heute. Ich glaub' ganz fest an dich und ich liebe dich!", verabschiedete er sich dann und schob mich dann sanft aus dem Auto. „Schreib mir, wenn du fertig bist, dann hol' ich dich wieder ab!", lächelte er dann noch und ich nickte nur. Normalerweise würde ich einfach mit der Bahn fahren oder zu Fuß gehen, aber heute und auch die nächsten zwei Tage würde ich diesen extra Fahrservice nur zu gern in Anspruch nehmen!

Drinnen angekommen, wurden zuerst die Dokumente kontrolliert, Plätze zugewiesen und dann ging es Schlag auf Schlag auch schon los und bevor ich mich versah, saß ich mitten in der Prüfung, setzte fleißig meine Kreuze bei den hoffentlich richtigen Antworten und merkte, wie meine Anspannung mit der Zeit doch nachließ. Nach etwas über vier Stunden gab ich meinen Antwortbogen ab und verließ den Raum. Krass, damit hatte ich den ersten von drei Prüfungstagen geschafft und hatte gar kein so schlechtes Gefühl. Wincent holte mich dann wie besprochen ab und wir verbrachten den Nachmittag einfach wieder mit Disneyfilmen auf der Couch, zu mehr fühlte ich mich auch einfach nicht in der Lage.

Der nächste Tag verlief ähnlich, nur dass ich nach der Prüfung dieses Mal ein richtig schlechtes Gefühl hatte und beinahe in Tränen ausgebrochen wäre, als wir zuhause waren. Wincent nahm mich einfach in den Arm, redete mir gut zu und sorgte dafür, dass ich irgendwie auf andere Gedanken kam. Es brachte ja auch eigentlich nichts, mich vor dem letzten Tag schon so fertigzumachen, schließlich konnte ich am letzten Prüfungstag noch einiges reißen.

Und so kam es dann auch. Die Fragen und Themen des dritten Tages lagen mir dann wieder wesentlich besser, sodass ich am Mittwoch gegen 14 Uhr tatsächlich mit meinen Kommilitonen und einer Flasche Sekt vor dem Prüfungsgebäude stand und noch gar nicht realisieren konnte, dass es nun wirklich vorbei war und ich meine Bücher jetzt erst einmal weit weglegen konnte. Als Wincent dann auch noch dazukam, sprang ich ihm vor Freude einfach in die Arme, was ihn sofort grinsen ließ und er mich einmal kurz durch die Gegend wirbelte. „Ich bin so stolz auf dich!", flüsterte er mir ins Ohr, bevor wir uns wieder zu den anderen stellten und noch eine Weile über unsere Pläne in der neu gewonnenen Freizeit diskutierten. Wincent, meine Mädels und ich verabschiedeten uns dann aber irgendwann, schließlich wollten wir heute noch meine Wohnung leerräumen. Als ich darüber nachdachte, realisierte ich plötzlich, dass damit ein weiterer Abschnitt in meinem Leben jetzt vorbei war. Einerseits machte es mich super glücklich, es geschafft zu haben und nun endlich mit Wincent zusammenzuziehen, andererseits konnte ich gerade aber auch noch nicht damit umgehen, dass unsere Studienzeit hier in Hannover jetzt einfach vorbei war und wir jetzt alle irgendwie getrennte Wege gehen würden, auch wenn das Studium offiziell ja erst Ende nächsten Jahres vorbei sein würde. Ich war doch noch gar nicht bereit, das alles loszulassen. Ich hatte gar keine Zeit gehabt, mich überhaupt darauf vorzubereiten. Mein Herz zog sich zusammen und ich musste gerade doch die Tränen verdrängen, als mir das alles bewusst wurde

Seit du bei mir bist, fehlt mir nichtsWhere stories live. Discover now