Kapitel 287

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Wincent

Sofort musste ich auch schmunzeln. „Hätte mir ja irgendwie klar sein müssen, dass du auch das nicht weglässt...", lachte sie und kam um den Tisch auf mich zu, um mich zu küssen. „Auf gar keinen Fall! Sei froh, dass ich dir den Grund nicht am 24. präsentiert hab", schmunzelte ich, „... aber ich dachte, an Heiligabend hab' ich vermutlich nicht so viel Zeit, dir zu beweisen, wie gut unser Sex ist!" „Ach so ist das also... du planst also schon im Voraus, wann du mich flachlegen willst, ja?" Herausfordernd sah sie mich an. „Vielleicht...", erwiderte ich frech und nahm ihr den Zettel aus der Hand, um ihn zurück in die Box zu legen, bevor ich meine Aufmerksamkeit wieder ganz meiner Freundin widmete und es genoss, dass dieser kleine Zettel die Stimmung zwischen uns sofort anheizen konnte. „Ich wollte eigentlich gleich erstmal duschen gehen...", fing Marie an und ich merkte sofort, dass sie mich hinhalten wollte. Aber nicht mit mir! Nicht heute, wo ich mir selbst so eine gute Vorlage gebastelt hatte. „Ich kann doch einfach mitkommen...", raunte ich ihr ins Ohr und registrierte sofort die Gänsehaut, die sich in ihrem Nacken ausbreitete, als ich ihr so nah kam und mein Atem ihre Haut streifte.

Bevor sie noch etwas erwidern konnte, griff ich nach ihrer Hand und zog sie mit mir die Treppe hinauf in unser großes Badezimmer, wo ich mit meinem Fuß die Tür hinter uns zutrat und sie dann mit meinem Körper vorsichtig gegen die Wand drückte. Mit ihren großen blauen Augen sah sie zu mir herauf und ich verhakte meinen Blick in ihrem, bevor ich der Versuchung nicht mehr standhalten konnte und meine Lippen auf ihre presste. Marie grinste leicht, ging dann aber darauf ein und zog mich mit ihren Händen in meinem Nacken näher an sich heran. Wir vertieften den Kuss und befreiten uns relativ schnell von unserer Kleidung, schließlich wollten wir ja duschen. Als sie nackt vor mir stand, konnte ich nicht anders, als sie einmal von oben bis unten abzuchecken, bevor ich sie auch schon in unsere zum Glück recht große Duschkabine ziehen wollte. „Warte! Du hast da was vergessen!", hielt sie mich dann aber auf und griff nach meiner linken Hand. Ach Mist! Stimmt ja, ich hatte noch immer einen Verband am Daumen.

„Och nö!", brummte ich und meine Stimmung sank sofort, als Marie schon nach einer der Plastiktüten griff, die wir hier deponiert hatten, um meine Hand beim Duschen darin zu verpacken. Ich wollte meine Freundin nicht durch eine Plastiktüte anfassen! „Wincent... jetzt guck mich nicht so an. Du weißt genau, dass das sein muss! Die Wunde darf nicht nass werden, solange die Fäden noch drin sind!", machte sie mir eine Ansage, als ich ihr die Tüte aus der Hand und diese wieder weglegen wollte. „Aber ich will dich anfassen!" „Du hast noch eine zweite Hand, nimm die!", entgegnete sie frech und ließ keine Widerrede zu, als sie mir die Tüte wieder entriss und meine linke Hand darin verpackte. „So, und jetzt ab in die Dusche, mir wird kalt!" Damit schob sie mich zur Dusche. „Dein Ernst?! Bei dem Anblick hier ist dir kalt?!", erwiderte ich gespielt geschockt und deutete auf meinen Körper, während ich extra ein wenig meine Muskeln spielen ließ. „Spinner!", meinte sie nur und presste ihre Lippen erneut auf meine, um mich zum Schweigen zu bringen. Ich ging darauf ein und während das warme Wasser auf uns prasselte, fingen wir an, uns gegenseitig einzuseifen. Ich war noch immer unzufrieden mit meiner Hand in der Plastiktüte, aber was sollte ich machen?

Nach unserer sehr belebenden Morgendusche wickelten wir uns beide in unsere großen, flauschigen Handtücher und lächelten uns an. „Ich liebe es, wenn wir so in den Tag starten!", schmunzelte ich und hauchte ihr noch einen Kuss auf die Wange, bevor wir beide in Richtung Schlafzimmer gingen und uns im angrenzenden Schrank frische Klamotten heraussuchten. Mir entging dabei nicht, dass Marie keinen BH unter ihrem Hoodie anzog, was mich in Gedanken doch einen Moment länger beschäftigte als es vermutlich sollte. Sie befreite mich dann auch aus der Plastiktüte und wickelte mir einen neuen Verband um, bevor sie meine Hand unter ihren Hoodie schob und mir ein „So, jetzt kannst du in aller Ruhe nochmal im Trockenen auf Erkundungstour gehen!" ins Ohr flüsterte. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen und wir ließen uns auf unser noch ungemachtes Bett sinken, wo ich es einfach genoss, den Körper meiner Freundin zu streicheln und wir entspannt ein wenig kuschelten. Ich liebte diese Frau und ich liebte diese entspannten Sonntage auf der Couch oder im Bett mit ihr.

Die nächsten Tage ging Marie dann wieder arbeiten, während ich noch ein paar letzte Mails für dieses Jahr beantwortete und so langsam auch anfing, mich zu entspannen und meinen Job ein wenig beiseitezuschieben. Ich wollte diese Zeit jetzt einfach zuhause und mit meinen Liebsten genießen. Am Dienstag machte ich mich schon morgens auf den Weg zu Marco, um ihm an seinem Geburtstag schon direkt nach dem Aufstehen auf die Nerven zu gehen. Und da unsere Freundinnen beide arbeiten mussten, verbrachten wir den Tag zu zweit und hatten endlich mal wieder so einen ganzen Tag nur für uns, was echt guttat. Viel Zeit für Männergespräche und Bier. Was ich auch merkte, als ich spät abends wieder nach Hause kam und einfach nur noch betrunken neben Marie ins Bett fiel, die sicher schon seit einer Weile schlief. Ich konnte wohl von Glück reden, dass ich sie nicht geweckt hatte, als ich durchs Haus gepoltert war. Dann hätte ich mir sicher was anhören dürfen. Dass ich es am Mittwochmorgen dann nicht schaffte, mit Marie zusammen ihren Adventskalender zu öffnen, wunderte wahrscheinlich niemanden.

Am Donnerstag war ich dann aber wieder topfit und saß schon vorfreudig wartend am Küchentisch, als Marie endlich aus dem Bad kam. „Was ist denn mit dir los?", fragte sie und sah mich kritisch an. „Ich freu mich, dass du gleich den nächsten Umschlag öffnest! Gestern hab' ich's ja verpasst..." Schmunzelnd schüttelte sie den Kopf und griff nun extra zuerst nach ihrem Kaffee statt der Box mit den Umschlägen. „Los, mach schon!", forderte ich sie auf und schob ihr die Box hin. „Wincent'", lachte sie und rollte mit den Augen, „du bist schlimmer als ein kleines Kind an Weihnachten!" Sie suchte sich dann aber den Umschlag aus, der heute grün war, und öffnete diesen.

> Ich liebe dich, weil ich durch dich meine emotionale Seite wiederentdeckt habe! <

Unsere Augen trafen sich, nachdem sie die Worte leise gelesen hatte, und sofort war die lustige Stimmung von gerade eben umgeschwungen in einen ernsten, aber trotzdem wunderschönen Moment. „Und ich liebe dich, weil du diese Seite wieder zugelassen und uns damit die Chance auf das gegeben hast, was wir jetzt haben...", flüsterte sie und ihre Stimme zitterte leicht. Sie zog mich in ihre Arme und strich sanft über meinen Nacken, wo sich sofort eine Gänsehaut bildete. Ich schlang meine Arme um sie, vergrub mein Gesicht in ihren Haaren und ließ diesen Augenblick einfach zu. Als ich wieder einmal realisierte, dass ich mit Marie das geschafft hatte, was ich mir so lange gewünscht, aber nie für möglich gehalten hatte, nochmal zu erleben, konnte ich nicht verhindern, dass meine Augen ein wenig feucht wurden. Mein Körper bebte leicht, als ich ein leises Schluchzen nicht unterdrücken konnte, was Marie natürlich sofort bemerkte. Sachte löste sie sich von mir und sah mich ebenfalls mit Tränen in den Augen an, während sie meine sanft mit ihrem Daumen von meinen Wangen strich. „Ich liebe es, wenn du deine Emotionen zulässt. Danke, dass du deine Fassade bei mir abgelegt hast, das ist beinahe der größte Liebesbeweis, den du mir machen konntest." „Hör auf, sonst muss ich gleich richtig weinen...", schmunzelte ich und musste mich wirklich zusammenreißen. Diese Frau brachte mich ab und zu an meine emotionalen Grenzen – im positiven Sinne!

Seit du bei mir bist, fehlt mir nichtsOù les histoires vivent. Découvrez maintenant