19. Schneeflocke

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~Felix~

All die Wörter, all die Wärme, waren in dieser Nacht zusammen mit Felix in den Feuern des Scheiterhaufens gestorben.

Plötzlich holte der unsichere Ruf Jeongin's Jisung zurück aus der verschwommenen Welt seiner Gedanken.

"Ji-Jisung-Hyung? Waren wir hier schon einmal?"
Die ängstliche Frage seines kleinen Freundes ließ den Älteren vor Schreck zusammen zucken.

In seinem Magen machte sich ein ahnendes Gefühl breit und sofort begann er zu dem Jungen zu rennen, der ungefähr hundert Meter vor ihm hinter dem Dickicht der Bäume und
Büsche stehen musste.

Und tatsächlich, als Jisung sich zwischen zwei Tannen hindurch zwängte, sah er Jeongin in dem großen Hemd seines Hyungs auf der Wiese stehen. Der Knabe stand verloren und
einsam auf der scheinbar riesigen Lichtung, genau auf dem schwarzen verbrannten Fleck, wo das Monster sich zersetzt hatte. Die Hände des Kindes zitterten und sein rosiger Mund
stand durch den inneren Schock weit offen. Beide seiner Iriden suchten zuckend seine Umgebung ab und plötzlich rannte eine dicke feuerrote Träne aus dem blinden Auge
Jeongin's.

"Hy-Hyung~" Das verzweifelte Flüstern wurde vom Winde verweht und obwohl Jisung den leisen Hilfeschrei nicht gehört hatte, wusste er, dass der Jüngere ihn brauchte. Ohne lange
zu überlegen rannte Jisung zu dem schwer atmenden Jungen und drückte ihn an sich, den kleinen Körper sicher mit seinen Armen umschlungen.

Die leisen Schluchzen des Knaben brachten den Älteren dazu, ebenfalls wenige Tränen zu verlieren, ehe er mit beruhigenden Worten auf Jeongin einspruch. Er wusste, was der Kleine
sah und dachte, er wusste, dass ihm die Fratze des Verfluchten vor dem Inneren Auge erschienen war und er wusste, dass er litt. Denn auch, wenn es nicht auf die selbe Art gewesen war, hatte er diese Gefühle ebenfalls verspürt. Er selbst hatte als Kind monatelang nicht schlafen können durch die zahllosen Bilder des Schreckens in seinem Kopf.

Liebevoll wiegte er den bebenden Knaben und stand ihm still in seiner Angst bei.

So zusammengeschweißt, die Wangen benetzt mit salzigen Tränen und dem Herzen voller Kummer, saßen die beiden Freunde eine kurze Ewigkeit auf der Lichtung, wo sie sich vor
weniger als einem Monat getroffen hatten.

"Es tut mir leid. Es tut mir so leid, dass du das sehen musstest. Ich hätte es verhindern können. Ich habe es zu spät gefunden. Bitte verzeih mir!"

Jisung's Seele war geplagt von enormen Schuldgefühlen und Zweifel. Ihm war klar, dass er das Monster früher erreichen hätte können.

"Bitte entschuldige dich nicht. Jisung-Hyung, du bist etwas besonderes! Du hast mich vor diesem Ding gerettet und das ist das Wichtigste. Ich muss dir nicht verzeihen, denn du hast nichts falsch gemacht." Jeongin's Worte waren so voller Dankbarkeit und Liebe das Jisung nicht anders konnte als ihm zu glauben. Ein trauriges Lächeln schlich sich auf sein Gesicht,
doch bevor sein junger Freund es sehen konnte, presste er diesen stürmisch fester an sich und sog den süßen Duft des Jungen ein.

"Ich sollte dir danken Yang Jeongin. Du hast mir etwas gezeigt, das ich dachte, lange verloren zu haben. Du hast mir dein wunderschönes Lächeln und dein Vertrauen geschenkt und das ist mehr als ich je verlangen könnte. Du warst so lange bei mir, einem verbitterten,
einsamen Menschen, und hast mein Leben wieder erhellt. Dafür werde ich dir ewig dankbar sein."

Zitternd presste Jisung seine Augen zusammen und versuchte den Schmerz nicht zu beachten welcher sich in seiner Seele ausbreitete. "Ich danke dir so sehr!" Flüsterte er leise und strich durch die weichen Haare des Kindes.

"Ich hab dich lieb, Hyung." Murmelte Jeongin und krallte sich an den jungen Mann, der die Worte des Kindes nicht erwidern konnte, aus Angst, dass dieses sie nicht so meinte.

𝐒𝐜𝐡𝐧𝐞𝐞𝐰𝐨𝐥𝐤𝐞𝐧 || 𝓐𝓭𝓿𝓮𝓷𝓽𝓼𝓴𝓪𝓵𝓮𝓷𝓭𝓮𝓻Where stories live. Discover now