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"Wie lange wirst du brauchen?" Fragt Liam plötzlich, nachdem er seine Autotür zugeschlagen hat. Verwirrt runzle ich die Stirn und drehe mich wieder komplett zu ihm um. "Wieso?" Was soll das jetzt schon wieder? Will er mich stalken und auf dem Rückweg wieder verfolgen? "Um dich nach Hause zu fahren, muss ich wissen wann..?" Er lässt es eher wie eine Frage klingen. Wer hat je irgendetwas von heimfahren gesagt? Mein Blick wird noch verwirrter, was denkt er sich, über mich zu bestimmen? "Du hast deinem Bruder geschrieben du hättest eine Mitfahrgelegenheit, dann lasse ich dich noch weniger allein nach Hause gehen, als ich es sowieso schon nicht machen würde." Er hat in mein Handy gesehen. So ein Stalker! Jetzt gehe ich erst recht zu Fuß. "Du hast in mein Handy gesehen?" Man hört die Wut in meiner Stimme. Man hört sie deutlich. "Ich-" "Was wenn es etwas privates gewesen wäre?" Fahre ich wutentbrannt fort, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen. "Ich wollte-" setzt Liam an, doch ich unterbreche ihn erneut. "Was wolltest du? Mich ein bisschen stalken? Deine Schülerin ein wenig ausspionieren? Wissen wem ich schreibe?" "Nein, ich-" "Spar es dir einfach und hau ab." Ohne Liam eines weiteren Blickes zu würdigen, drehe ich mich um und stiefle auf den Stall zu. Der kann mich mal kreuzweise. Was bildet er sich eigentlich ein? Ich hätte genau so gut meinem Freund schreiben können, meiner Mutter. Eigentlich ist es egal, wem ich schreibe, er hat einfach nicht auf mein Handy zu sehen. Was habe ich mir nur dabei gedacht, mich mit meinem Lehrer privat abzugeben? Ich bin einfach zu dumm. Aggressiv schlage ich meinen Spind zu und stapfe wenig später auf Linas Box zu. Ich bereite sie schnell vor, schwinge mich in den Sattel und treibe sie sofort zum Galopp an. Heute brauche ich etwas mehr Adrenalin. Dieser Idiot bringt mich noch zur Weißglut.

Zufrieden tätschle ich Lina ein letztes Mal den Hals, schwinge mich von ihrem Rücken und mache sie für die Box fertig. Dann binde ich sie im Stallgang fest und mache mich, nachdem ich mir die Utensilien geholt habe, ans ausmisten.
Eine halbe Stunde später schlendere ich mit inzwischen wieder guter Laune auf den Hof. Schnell schreibe ich Rosie zurück und schiebe mein Handy dann zurück in meine Tasche. Ich sehe wieder auf und erstarre bei meinem nächsten Schritt. Nicht. Sein. Ernst. Was macht Liam hier? Was ist sein Problem? Ich habe ihm doch gesagt, er soll abhauen. Er steht an sein Auto gelehnt auf dem Hof und tippt auf seinem Handy. Ich beschließe, mich vorbei zu schleichen. Also mache ich mich leise auf den Weg, stets bemüht, keinen Laut von mir zu geben. Ich habe es geschafft, ich bin an ihm vorbei! "Mila..." Verdammt! Wie hat er mich bemerkt? Ich war doch so leise. "Mila..." murmelt er noch einmal, jetzt scheint er jedoch näher bei mir zu sein. Ich bleibe einfach still stehen. Vielleicht sollte ich ihm kurz zuhören und dann gehen. Wieso kann ich nicht einfach gehen? Warum muss Liam gerade auch so eine sanfte Stimme haben? "Mila es tut mir leid." Ich reagiere nicht, bleibe einfach stehen und warte. "Ich wollte nicht mitlesen, das war nur ein Reflex. Ich verspreche dir es kommt nicht wieder vor. Wirklich." Langsam drehe ich mich um und sehe ihn an. "Es war wirklich keine Absicht." Liam steht so dicht vor mir, dass ein Flüstern ausreicht. Eine Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus. Auch wenn ich es gut verberge, ich bin noch immer wütend. Anscheinend merkt Liam es aber trotzdem. "Bitte lass mich dich wenigstens nach Hause fahren, ich möchte nicht, dass du in der Dunkelheit allein gehst." Bittet er leise. Wieso nicht? Es ist sicher bequemer als zu gehen und warum soll ich das nicht ausnutzen? Also nicke ich und folge ihm nach einem erleichterten Seufzen seinerseits zu seinem Wagen. Er hält mir sogar die Tür auf, er hat wohl wirklich ein schlechtes Gewissen.
Während der Fahrt herrscht komplette Stille, aber ich habe auch nicht das Bedürfnis mit ihm zu reden. Gerade parkt er den Wagen in meinem Hof und sieht mich unsicher an. "Danke und Tschüß." Nuschle ich und steige schnell aus, doch als ich gerade meinen Schlüssel in die Tür stecken will, werde ich am Handgelenk herumgewirbelt, Liam steht vor mir, presst mich an die Wand und drückt plötzlich seine Lippen auf meine. Was? Ich stehe geschockt da, kann mich nicht wehren, nicht bewegen, kann nicht denken. Erst als er sich von mir löst schnappe ich nach Luft und Leben kommt zurück in meinen Körper. Was bildet dieser Typ sich ein? Wutentbrannt hole ich mit meiner rechten Hand aus und gebe ihm eine Ohrfeige, so heftig, dass sein Kopf zur anderen Seite fliegt. So schnell ich kann befreie ich mich aus seinem Griff, schließe die Tür auf und renne in mein Haus. Nachdem ich die Tür hinter mir zugeknallt habe, atme ich erst einmal tief durch und lehne mich an die Wand, um meine Gedanken zu sammeln. Was war das? Ich werde Liam - nein, Mr Keeth nie wieder in die Augen sehen können. Was denkt er sich eigentlich? Ich bin seine Schülerin und er küsst mich einfach? Mitten in meinem Hof? Langsam ziehe ich meine Schuhe und Jacke aus, bemerke, dass ich allein zu Hause bin und beschließe, duschen zu gehen.
Nachdem ich mein Vorhaben in die Tat umgesetzt habe sitze ich auf der Couch. Der Fernseher läuft, aber ich kann mich nicht auf den Film konzentrieren. Ich denke die ganze Zeit an Mr. Keeth. Wieso hat er mich geküsst? Wieso ist er allgemein so..anders zu mir? Und vorallem, wieso kann ich ihm nicht standhalten, warum konnte ich mich nicht wehren? Ich verstehe das nicht. Er ist doch mein Lehrer. Mit einem lauten Stöhner lasse ich mich ganz auf die Couch fallen und rolle mich zusammen, das mache ich oft, wenn ich nachdenke. Ich muss ihn mir aus dem Kopf schlagen, das alles kann nicht funktionieren.

TeacherWhere stories live. Discover now