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Hätte ich geahnt, dass Marvin mich in einen Horrorfilm schleppt, hätte ich nie zugesagt! Aber jetzt ist es zu spät, denn ich sitze bereits seit 47 Minuten in diesem Kinosaal und fürchte mich zu Tode. Genau in diesem Moment springt ein undefinierbares Wesen hinter einer Ecke hervor und ich zucke zusammen. Ein Wimmern entkommt meiner Kehle und ich vergrabe ängstlich mein Gesicht in meinen Händen. Rechts von mir höre ich ein leises Lachen, bevor Marvin mich in seinen Arm nimmt. Ich lasse es zu und lege meinen Kopf auf seiner Brust ab. Ein Schrei ertönt im Film und ich grabe erschrocken meine Finger in sein Shirt. Beruhigend streicht er über meinen Arm und zieht mich näher an sich. "Wie lange dauert das denn noch?" Nuschle ich und sehe zu ihm hoch. "Nur noch eine halbe Stunde, Kleine." Meint er und lächelt beruhigend. Ich seufze und vergrabe mich wieder in Marvins Shirt. Ich muss schließlich nicht hinsehen.
Gefühlte Stunden später läuft endlich der Abspann und ich ziehe Marvin an seiner Hand hinter mir her, um diesen gruseligen Raum endlich verlassen zu können. Er selbst lacht nur leise vor sich hin und folgt mir. Vor der Tür des Saals atme ich erleichtert aus, es ist vorbei. Er legt seinen Arm um meine Schultern und wir schlendern zum Ausgang, als ich plötzlich in ein verbissenes Gesicht und wütend funkelnde blaue Augen sehe. Mr. Keeth. Ich spiele mit dem Gedanken, mich aus Marvins Griff zu winden, aber lasse es doch sein. Er ist doch der von uns, der gestern einfach weggelaufen ist, der mich immer wieder verletzt. Wieso soll ich jetzt wieder springen, sobald er mich nur böse ansieht? Marv ist mein bester Freund und das Thema haben wir schon einmal diskutiert, Mr. Keeth soll sich also bitte am Riemen reißen. "Wieso starrt dein Lehrer uns so an?" Flüstert Marvin in mein Ohr. "K-Keine Ahnung!" Stottere ich. "Er sieht ganz schön aggressiv aus! Ist der immer so?" Ich schüttle meinen Kopf und wende meinen Blick von meinem Lehrer ab. Gerade als wir durch die Tür des Kinos gehen, höre ich meinen Namen und drehe mich langsam um. "Mila! Mila warte bitte kurz!" Nach einem auffordernden Blick meinerseits fährt er sich kurz durch seine Haare. Innerlich schmelze ich bei dieser Geste, er ist so heiß! "Mila, könnte ich bitte kurz unter vier Augen mit dir reden?" Verwirrt lege ich meine Stirn in Falten. "Nur wegen der Nachhilfe." Versucht er weiterhin, mich zu überzeugen. Die Augen rollend gebe ich schließlich nach, gebe Marvin mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er kurz warten soll. Dann folge ich meinem Lehrer in einen abgeschiedenen Gang. "Was?" Frage ich genervt, als er nicht mit der Sprache herausrückt. "Tut mir leid, dass ich gestern abgehauen bin!" Kurz wartet er auf meine Reaktion, fährt dann allerdings fort, als ich nichts dazu sage. "Das da draußen ist mein bester Freund Matt. Er wohnt in Amerika und kam überraschend zu Besuch. Ich konnte ihn schließlich nicht einfach vor der Tür stehen lassen, aber ich wollte dich nicht wecken, weil du so süß geschlafen hast. Also habe ich mich eben weggeschlichen. Es tut mir leid, ich hatte das wirklich nicht geplant." Abwartend sieht er mich an, doch mehr als ein "Oh" bekomme ich nicht heraus. "Wir sollten das alles dringend klären! Was machst du nachher?" Ich sehe hoch und seine Augen sagen mir, dass er es wirklich ernst meint. Und er hat Recht, wir sollten uns aussprechen! "Ich habe Zeit." Gebe ich deshalb nach. Lächelnd umarmt er mich, greift dann in seine Hosentasche und holt sein Handy heraus, das er mir kurz darauf mir einem neuen Kontakt unter die Nase hält. Ohne zu überlegen tippe ich meine Nummer ein und gebe ihm das Handy zurück. Nach einem kurzen Zögern platziere ich ein Küsschen auf seiner Backe und laufe dann zurück zu Marvin, den ich kurz entschuldigend anlächle. Bis wir einige Meter vom Kino weg sind, ignoriere ich seinen verwirrten Blick, dann lege ich mir meine Ausrede zurecht. "Mr. Keeth gibt mir Nachhilfe in Englisch, weil er und meine Eltern anscheinend der Meinung sind, das hätte ich nötig. Jedenfalls war er gestern das erste mal bei uns, aber musste gleich wieder gehen, weil sein bester Freund, wohl der, der mit ihm im Kino war, aus Amerika gekommen ist, deswegen wollte er fragen, wann ich diese Woche stattdessen Zeit habe." Ich versuche unauffällig, die angestaute Luft entweichen zu lassen und sehe nervös zu Marvin. Hoffentlich war das glaubwürdig. Mit gerunzelter Stirn sieht er zu mir herunter und holt tief Luft. "Er ist ein komischer Kauz!" Grinst mein bester Freund dann schulterzuckend und zieht mich an sich, um einen Arm auf meinen Schultern zu platzieren.

TeacherWhere stories live. Discover now