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Min Yoongi:

Zuhause angekommen machte ich erstmal Musik an. Irgendwie fühlte ich mich nach dieser Bewerbung bei Big Hit einsam und ziemlich schlecht.
Es waren viele dabei, die besser singen konnten.

Ich setzte mich wie sooft auf meinen Teppichboden vor meinem Fenster.

Ich kannte diese Gefühle davor nicht wirklich oder ich habe sie einfach nur verdrängt. Einsamkeit. Trauer. Sehnsucht nach Liebe.
In letzter Zeit nehme ich stärker meine Gefühle wahr. Das Gefühl nichts wert zu sein wird immer stärker. Und der Hass auf mich ist im Moment so groß wie noch nie.

Ich denke, das liegt daran, dass ich im Moment mein Überleben gesichert habe und mehr Zeit zum Nachdenken habe.

Sonst musste ich immer etwas machen. Viel Arbeiten, um genügend Geld zum Überleben zu verdienen und damit ich mir einen festen Unterschlupf leisten konnte.

Und wenn ich mir Freizeit gegönnt habe, dann habe ich ausschließlich nur geschlafen, um wieder neue Energie zum Arbeiten zu bekommen.

Mein einziger Stressabbau war das Ritzen. Das Wort Ritzen an sich hasse ich. Es klingt so oberflächlich. Schneiden verwende ich lieber als Begriff.
Es gab mir auch das Gefühl, das wenigstens etwas in meinem Leben kontrolliert abläuft. Denn ich kann bestimmen, wann, wo und wie stark ich es mache.
Damit habe ich angefangen, kurz nachdem ich von meinem Vater abgehauen bin. Zuerst aus dem Grund, weil ich mich bestrafen wollte.
Weil ich so nutzlos war. So wertlos.
Warum sonst hätte mein Vater mich geschlagen?  Er hat mich ja nicht umsonst gehasst.
Dann habe ich aber gemerkt, dass ich Kontrolle über meinen Körper haben und den Hass somit veringern kann. Das Schneiden hat es mir verdeutlicht.

Ich stand von dem Boden auf und begab mich in Richtung Badezimmer.
Im Spiegel begann ich mich zu betrachten. Ich sehe fertig aus.

Ich habe dunkelbraune Haare, wie die meisten Koreaner hier, bin aber im Vergleich zu ihnen etwas blasser von der Haut.
Irgendwann werde ich mir meine Haare färben. Leider fehlt mir das Geld dazu.
Die meiste Zeit trage ich schwarze oder graue Sachen, manchmal auch Weiße.
Dadurch ist es für mich einfacher die Klamotten zu kombinieren.
Und schwarze Basics gehen immer.
Auch wenn ich relativ arm bin, lege ich doch Wert auf mein Äußeres.
An meinem rechten Ohr hängen zwei Ohrringe. Die Ohrlöcher habe ich mir selbst gestochen.
Und es sieht nicht einmal verkackt aus.

Von meiner Figur her bin ich ziemlich dünn, auf regelmäßige Mahlzeiten lege ich nicht allzu großen Wert.
Ich kann es mir nicht leisten aus Freude oder einfach so aus Appetit und Lust zu essen.
Aber dennoch bin ich definiert von den Muskeln her, wenn auch nicht sonderlich stark.
Ich mache ab und zu immer wieder ein paar Übungen für einen Ausgleich zum Kellnern. Damit mein Körper nicht allzu einsseitig genutzt wird.

Ich zog schließlich meinen schwarzen oversized Hoodie aus, um meinen Oberkörper zu betrachten.
Man konnte die Rippen sehen, aber das war nicht halb so schlimm wie der Anblick meiner vielen Narben.
Es waren kleine und auch größere dabei. Manche waren schon drei Jahre alt, manche erst ein paar Tage.
Und manche Schnitte mussten erst noch komplett verheilen, bevor sie zu Narben werden.

Man konnte sagen, dass meine ganze linke Seite, beginnend von unter den Armen bis einschließlich zur Hüfte total vernarbt war.

Ich beschloss duschen zu gehen und anschließend ins Bett. Ausnahmsweise mal fühlte ich mich zu fertig um mir weitere Verletzungen anzutun.

Ich will mich nicht mit meinen Gedanken zu Big Hit auseinander setzen. Und beim Schlafen vergeht die Zeit schneller.

Im Bett angekommen schaute ich nochmal auf die Uhr. Es war gerade mal 15 Uhr.
Egal, ich werde sowieso bis zum nächsten Morgen durchschlafen.
Dabei spielt es keine Rolle wie viele Stunden ich dabei schlafe.
Ich nenne es 'das Yoongi - Phänomen'.
Irgendwie finde ich es witzig.

Um 7 Uhr würde mein Wecker klingeln, also kann ich in Ruhe 16 Stunden schlafen.

Oder auch nicht.

Ich wurde aus meinem Schlaf durch einen Anruf geweckt.
Na toll.
Wer ruft denn bitte mich an? Freunde habe ich keine. Sonst habe ich mit niemandem zu tun.
Und von meiner Arbeitsstelle hat mich auch noch nie jemand angerufen.

Ohne dass es mir in den Sinn kam, dass es Big Hit sein könnte, krabbelte ich aus meinem Bett und nahm den Anruf an.

Young Forever | SugaDonde viven las historias. Descúbrelo ahora