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Ich wusste nicht, wie lange ich einfach dasaß und meinen Tränen freien Lauf ließ. Ich fühlte mich einfach nur grauenvoll. Als ich aufstand wurde alles sogar noch schlimmer. Mir wurde augenblicklich übel. Ich hatte mich noch nie zuvor so einsam gefühlt und wusste nicht was ich machen sollte. Ich konnte nicht mal mit irgendjemandem reden, ohne Draco in Schwierigkeiten zu bringen oder den Hass der Person auf mich zu ziehen.

Irgendwann machte ich mich auf den Weg zum Gryffindorturm, da mir nichts anderes übrig blieb. Wenn mich irgendjemand erwischen würde wäre das echt blöd. Wobei blöd eine glatte Untertreibung war. Also versuchte ich mich zusammenzureißen und aufzuhören zu heulen, was mir eher weniger gelang.

Wahrscheinlich wäre es schlau gewesen, meine Jacke zu holen, bevor sie morgen von einem Lehrer gefunden wurde, aber ich war mir nicht sicher, ob ich das Risiko eines Umweges eingehen konnte. Außerdem würde ich die Erinnerungen, die auf mich einprasseln würden nicht ertragen und die Wahrscheinlichkeit, dass Draco dort darauf wartete, dass ich zurückkam war zu groß.

Sobald ich den Gryffindorturm betrat musste ich mich zusammenreißen, um nicht ausversehen jemanden zu wecken. Ich schaffte es tatsächlich fast lautlos bis in den Schlafsaal. Ich krabbelte sofort in mein Bett und presste mir ein Kissen vors Gesicht. Das Kissen erstickte mein verzweifeltes Schluchzen, wofür ich unglaublich dankbar war. Ich wusste nicht was ich machen würde, falls eines der Mädchen dadurch aufwachen würde, aber sie schliefen zum Glück tief und fest.

An Schlaf konnte ich nicht mal denken. Die Gedanken in meinem Kopf waren zu laut und sie wurden immer mehr. Eine Frage ließ mich nicht mehr los. Wieso hatte er das getan? Er hatte mir tausendmal erzählt, wie sehr er die Todesser verabscheute und, dass er ihre Ansichten abartig fand. Das hatte er mir so oft gesagt und jetzt war er selbst einer von ihnen. Ich konnte es immer noch nicht fassen. Als wäre es Alles nur ein Traum - ein Albtraum.

Langsam begann die Übelkeit meinen Magen zu kontrollieren. Mir war das letzte Mal so schlecht gewesen, als ich als kleines Kind viel zu viel gegessen hatte, aber damals waren wenigstens meine Eltern da gewesen. Ich stand auf und setzte mich auf den Boden im Badezimmer. Nur sicherheitshalber, aber es war eine gute Entscheidung gewesen, wie ich zwei Minuten später feststellen musste.

So ging es die ganze Nacht. Ich fühlte mich einfach nur ausgelaugt und war vollkommen fertig mit den Nerven. Mein Hals tat weh und meine Augen brannten. Die Übelkeit war nur ein wenig zurück gegangen, aber ausreichend, um mich wenigstens etwas auszuruhen. Ich schaute auf die Uhr. Viertel vor fünf. Das würde noch ein spaßiger Tag werden, dachte ich sarkastisch. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das durchhalten sollte.

Dann klingelte Hermines Wecker um kurz nach sechs. Ich war tatsächlich noch eingeschlafen, aber es war kein erholsamer Schlaf gewesen. Trotzdem stand ich auf. Ich durfte mich nicht unterkriegen lassen, egal wie scheiße ich mich fühle. Das wäre schwach, das Gegenteil einer Gryffindor.

"Du siehst total fertig aus. Ist alles okay?", fragte Hermine besorgt.
"Danke.", meinte ich ironisch und ignorierte ihre Frage. Ich konnte ihr nicht erzählen, was passiert war, auch wenn ich ihre Unterstützung mehr denn je brauchte.

"Nein, ernsthaft Isabelle. Ist alles okay bei dir?", hakte sie nach und ihr Ton zwang mich zu antworten. Ich war kurz davor wieder loszuheulen. Ich wollte nicht lügen. Trotzdem tat ich es.
"Klar. Ich bin nur etwas müde." Das war mein Standardausrede. Ich benutze sie ständig, auch, wenn Hermine sie wahrscheinlich nie glaubte. Aber es reichte fürs Erste. Später würde ich mir was originelleres einfallen lassen.

Zitternd ging ich zum Kleiderschrank. Eine blöde Nebenwirkung vom Schlafmangel war, dass mir abartig kalt war und ich zitterte wie Espenlaub. Das verschlimmerte meine Übelkeit noch um einiges und ich lief so schnell ich konnte zur Toilette, um mich zu übergeben. Schon wieder. Wodurch ich mich nur noch elender fühlte.

Ich würde den heutigen Tag auf keinen Fall überstehen. Nicht, wenn ich Draco ständig sehen musste, nicht, wenn ständig Leute um mich herum waren und nicht, wenn ich mich auch noch auf den Unterricht konzentrieren musste. Also fällte ich kurzerhand die Entscheidung nicht zum Unterricht zu gehen. Essen würde ich auch ausfallen lassen, da ich in meinem Zustand sowieso nichts runterkriegen würde. Irgendwann, wenn die anderen Schüler im Unterricht waren würde ich mir eine Entschuldigung bei Madame Pomfrey abholen und dann würde ich schauen wie es weiterging.

Als die anderen ihre dritte Stunde begannen quälte ich mich aus meinem Bett und zog mich an. Als ich meine Haare kurz kämmte betrachtete ich kurz mein Spiegelbild, das fast genauso schlimm aussah wie ich mich fühlte. Dunkle Schatten lagen unter meinen Augen, die rot und angeschwollen waren. Mein Gesicht war blass, sodass ich fast aussah wie ein Geist. Schnell wandte ich meinen Blick ab und verließ den Schlafsaal. Auf die Schnelle würde ich eh nichts ändern können.

Ich begegnete tatsächlich keinem. Als ich den Krankenflügel betrat kam Madame Pomfrey sofort auf mich zu und begrüßte mich.
"Was fehlt ihnen denn?" Ich überlegte kurz, wie ich es am besten formulierte.
"Ich wollte sie fragen, ob sie mir eine Entschuldigung schreiben können, weil ich mich nicht wirklich gut fühle."
"Aber natürlich. Setz dich.", erwiderte sie eifrig und zeigte auf den Stuhl in ihrem Untersuchungszimmer.

"Ich kann keinerlei körperliche Beschwerden erkennen. Ich denke es hat einen psychischen Hintergrund.", erklärte sie nachdem sie mich kurz untersucht hatte.
"Ist in letzter Zeit irgendetwas vorgefallen, dass sie psychisch belasten könnte?", fragte sie und ich nickte nur. Ich wusste, dass sie nicht nachfragen würde und das war in dem Moment super.

"Sie werden erstmal für drei Tage vom Unterricht freigestellt und, wenn es dann nicht besser geworden ist kommen sie noch mal zu mir. In den drei Tagen gilt Ruhe und Entspannung. Verstanden?", sagte sie streng.
"Klar.", erwiderte ich. Drei Tage frei waren meine Rettung. Zumindest fürs Erste. Ich konnte mich erstmal beruhigen und brauchte Draco nicht zu sehen.

Plötzlich ging die Tür des Krankenflügels auf und ein kleines Mädchen betrat weinend den Raum. Sie erzählte, dass sie vom Besen gefallen sei und hatte sich anscheinend den Arm gebrochen. Bevor Madam Pomfrey sich um das Mädchen kümmerte wandte sie sich kurz an mich.
"Wären sie so nett und bringen ihre Entschuldigung zu Professor McGonagall? Dann kann ich mich erstmal um die Kleine kümmern."
"Ja, wissen sie, wo sie jetzt Unterricht hat?", fragte ich, obwohl ich am liebsten zurück in den Schlafsaal wollte.
"In dem Klassenraum, in dem sie immer unterrichtet."

Also ging ich durch die Gänge, in denen gähnende Leere herrschte zum Verwandlungsklassenzimmer. Ich lauschte kurz und hörte tatsächlich McGonagalls Stimme. Ich klopfte vorsichtig und es folgte ein "Herein!" noch bevor ich mir Sorgen um mein grottiges Aussehen machen konnte.

Ich betrat den Raum und erstarrte beinahe vor Schreck. Mein Timing war außerordentlich schlecht, denn die Klasse, die Professor McGonagall gerade unterrichtete waren die Slytherins aus meinem Jahrgang. Ich fixierte mit meinem Blick das Lehrerpult, damit ich Draco und auch all die anderen Slytherins auf keinen Fall sehen musste.
"Ah, Miss Carters. Ich hatte sie heute morgen bereits vermisst, aber sie sind zwei Stunden zu spät.", sagte sie streng. Ich räusperte mich kurz, um meine Stimme möglichst normal klingen zu lassen.
"Entschuldigen sie bitte. Ich fühle mich im Moment nicht besonders gut und bin deshalb nicht zum Unterricht erschienen. Ich bin hier um ihnen die Entschuldigung von Madame Pomfrey zu geben.", erklärte ich nervös. Ich spürte die Blicke der anderen Schüler in meinem Rücken, was alles andere als ein schönes Gefühl war. Aber ich wusste auch, dass einer dieser Blicke der von Draco war, also durfte ich mir nichts anmerken lassen.
"Okay, vielen Dank. Ich wünsche ihnen gute Besserung.", sagte sie und gab mir damit die Möglichkeit den Raum zu verlassen, was ich auch so schnell wie möglich tat. Da immer noch alle Blicke auf mir lagen musste ich das ganze aber möglichst selbstbewusst anstellen und bedankte mich noch möglichst fröhlich.

Als ich endlich die Tür hinter mir schloss lief ich los. Der Unterricht würde gleich vorbei sein und ich wollte Draco nicht die Möglichkeit geben mich einzuholen. Ich brauchte Abstand. Ich musste erst alles was passiert war verarbeiten, bevor ich ihm entgegentreten konnte. Ob das jemals der Fall sein würde wusste ich nicht.

My Destiny in Hogwarts (Draco Malfoy FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt