Kapitel 7

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Verwirrt blinzle ich noch ein paar mal, aber der Anblick, der sich mir bietet, bleibt. Ein schneeweißer Wolf steht oder besser sitzt, grinsend vor mir und sieht mich an, als erwartet sie etwas von mir.

„Ein Wolf der grinst! Was hat mir Großvater nur für Drogen gegeben.“ Seufzend schüttel ich den Kopf.

„Das waren keine Drogen. Das hat er dir doch gesagt, Sophie.“, antwortet der weiße Wolf.

„Mein Name ist Yuki. Die Bedeutung brauche ich dir ja nicht zu sagen. Du bist ja im Japanischkurs der Uni.”

Yuki bedeutet Schnee… Das passt zur Farbe vom Fell.

„Woher weißt du, dass ich einen Japanischkurs mache?“, frage ich Yuki.

Sie schnaubt als ob sie unzufrieden ist. Ich kann aber nicht genau sagen, ob sie deswegen schnaubt. Schließlich bin ich kein Schnaubexperte. Dann steht Yuki auf, kommt näher und bleibt genau vor mir stehen.

„Wie oft soll ich es dir denn noch sagen? Ich bin du. Ich war schon immer bei dir, seit du klein warst. Deine Kindheit, deine Pubertät und dein Erwachsenwerden habe ich mitbekommen. Wobei deine Pubertät die schlimmste Phase war.“

„Also so schlimm war die auch nicht.”, antworte ich und reibe mit dir Schläfe, als mir etwas auffällt. „Warte, was heißt das, du kennst mich schon seid ich klein war? Und warum konnte ich dich dann nicht hören? Ich meine, bevor ich heute herkam, habe ich dich nie gehört.“

Immer noch verwirrt setze ich mich auf das Sofa und lasse Yuki dabei nicht aus den Augen.

Sie hat irgendwas an sich. Ich weiß nicht, ob es an dem weißen Fell oder an den roten Augen liegt, aber ich kann den Blick nicht von ihr wenden. Außerdem spüre ich etwas. Etwas vertrautes und das macht mir wiederum Angst. Immerhin sehe ich das erste Mal einen Wolf. Geschweige denn, dass ich das erste Mal mit einem Tier rede.

„Das hat dir Jordan auch gesagt. Dein Vater hat mich versiegelt um dich und deine Mom zu schützen.“, sagt Yuki. Dabei verändert sich der Ausdruck in ihren Augen leicht.

„Ja, ich glaube so was ähnliches hat Großvater auch gesagt.“ Ich seufze. „Aber was mache ich jetzt hier? Und wo sind wir überhaupt? Es sieht aus wie Großvaters Zimmer, aber er ist nicht hier. Und die Kerze schimmert blau. Warum schimmert die Kerze blau? Kann eine Kerze überhaupt blau leuchten?“

Jetzt fällt mir auch auf, dass nicht nur die Kerze blau schimmert. Der ganze Raum leuchtet in einem warmen, vertrauten blau.

„Das ist eine Art Spirituelle Ebene. Auf diese haben nur wir beide Zugriff und es ist der einzige Ort an dem wir einander sehen können.“

„Okay, und wie komm ich hier wieder raus? Ich muss noch einkaufen gehen.“ Schlechtes Argument ever. Aber es stimmte. Ich muss noch was für Jason's Abendbrot holen.

Dann hol ich ihn aus dem Kindergarten ab und mache mit ihm zusammen die Eierkuchen und den Obstsalat. Und Mom kommt auch irgendwann nach Hause. Bis dahin muss alles auf dem Tisch stehen.

Yuki grinst mich an.

„Das ist einfach. Du musst akzeptieren, dass es mich gibt und daran glauben dass wir Eins sind.“

Das sagt sich so leicht.

Sprich einfach das aus, was du denkst.

Yuki grinst mich noch breiter an. Na gut.

„Weißt du, bevor ich heute zu Großvater kam, hab ich nicht mal gewusst, dass Werwölfe existieren, geschweige denn, dass ich selber einer sein soll. Selbst jetzt kann ich es kaum glauben, obwohl du vor mir stehst. Aber aus irgendeinem Grund, habe ich das Gefühl, dass ich dir Vertrauen kann und dass ich dich irgendwoher kenne. So blöd wie das jetzt klingt, aber was hältst du davon wenn wir uns kennenlernen?“, sage ich und spiele unsicher mit einer Strähne meines Haares.

Yuki steht auf und kommt näher zu mir. Kurz vor meinem Gesicht macht sie halt.

„Du weißt schon, dass du mich mit dem, was du gerade gesagt hast, indirekt anerkannt hast. Das was ich jetzt mache, muss sein. Du musst dich erinnern.” Sagt sie entschuldigend und  kommt mir ihrem Kopf noch näher und gräbt ihre Zähne in meine Schulter.

Ich schreie auf, weil ich einen Schmerz erwarte, aber da kommt nichts. Stattdessen spüre ich, wie etwas von ihr in mich fährt. Ein warmes, angenehmes Gefühl, was mich an warmen Kakao erinnert.

Yuki tritt zurück und sieht mich verunsichert an. Als sich der warme Kakao überall in meinem Körper verteilt hat, sehe ich verschiedene Bilder. Mein Dad und ich im Wald. Meine Mom, mein Dad und ich als Wolf. Dad's Begeisterung von Jason's ersten Schritten. Meine gemeinsamen Gedanken mit Yuki. Dad, der mich und Yuki ausschimpft, weil wir im Wald eingeschlafen sind.

Ich, wie ich über einen Mann stehe. Ich, wie ich meine Zähne in diesen Mann grabe. Meine Mom, wie sie weinte und Jason in den Arm hält. Mein Dad, wie er mir sagt, das ich mich von Yuki verabschieden soll. Von meiner besten Freundin.

Ich blinzel und sehe Yuki an. Als nächstes laufen mir Tränen über das Gesicht. Ich krieche näher zu Yuki und umarme sie.

„I-Ich ha-hab jeman-jemanden u-umgebracht?“, stottere ich.

Yuki schüttelt den Kopf. „Nein. Genaugenommen haben wir ihn umgebracht. Aber dich trifft keine Schuld. Ein Jäger hat deine Mom angegriffen und bei uns beiden sind die Sicherungen durchgebrannt.“

„Deshalb hat Dad dich versiegelt?“, frage ich Yuki flüsternd.

Yuki nickt und tritt etwas zurück. Ich lasse sie los und sehe sie erwartend an.

„Aber dafür sind wir jetzt wieder zusammen.“,sagte sie und schleckt mir übers Gesicht.

„Na danke. Jetzt darf ich duschen gehen.“, sage ich lachend, lehne mich an das Sofa und schließe erschöpft die Augen. Das letzte was ich höre, bevor ich in eine Art Schlaf falle, ist ein geflüstertes „Wir hören uns“. Dann schlafe ich ein.

A New Future ~ Plötzlich AlphaWhere stories live. Discover now