Von Haaren und Clowns

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„Nun beeil dich mal endlich!", rief Jack durch die Badezimmertür und hämmerte dagegen. Mir ging es dreckig. Nicht in dem Sinne das ich dringend wieder eine Dusche vertragen würde, sondern gesundheitlich. Mittlerweile war mir kotz übel und ich musste mich zwingen nicht alle paar Minuten zur Toilette zu rennen. Auch der Schwindel hatte zugenommen und ich wurde in regelmäßigen Abständen von Krampfanfällen geplagt. Als ich endlich das Bad verließ stand Jack, mit verschränkten Armen, missmutig vor mir. „Was?", blaffte ich. Er schüttelte den Kopf und sagte: „Zieh dein T-Shirt aus!" „WAS?", wiederholte ich nun deutlich entsetzter. „Du hast mich schon verstanden!", sagte er und schnippte mir gegen den Kopf, „Der Doc muss noch ein bisschen auf uns warten. Wir haben nämlich vergessen dir die Haare zu färben und deshalb sollst du das T-Shirt wieder ausziehen, damit es nicht dreckig wird!" Jetzt schaute ich missmutig drein. „Ich dachte das mit den Haaren sollte ein Scherz sein.", murrte ich. Er grinste: „Nein, ausnahmsweise mal kein Scherz. Und rate mal welche Farbe ich dir gestern noch gekauft habe?" „Bitte nicht..."

Ein paar Stunden später stand ich mit nassen, pechschwarzen Haaren vor dem Spiegel im Badezimmer. Jack stand hinter mir und musterte mich: „Man erkennt dich ja immer noch." „Ich hab dir gesagt das meine Haare von dunkel braun zu schwarz zu färben nicht allzu viel bringt.", gab ich zurück und griff nach dem Fön. Als meine, nun schwarze, Mähne halbwegs trocken war zückte Jack plötzlich eine Schere. „O Nein!", sagte ich. „Du kannst mich entführen, beißen und durchs halbe Land fahren, aber ich lass dich auf keinen Fall MEINE HAARE SCHNEIDEN!" Sein hinterhältiges Grinsen verriet mehr als tausend Worte...

Zwanzig Minuten später und ein Drittel meiner Haare ärmer verließen wir das Motel. Ich hatte die Kapuze meiner Jacke über meine kurzen Haare gezogen. Wirklich kurz waren sie jetzt nun nicht, aber zumindest deutlich kürzer als vorhin. Jack hatte mir einen Bob geschnitten, auch wenn es mehr so aussah, als hätte er versucht eine Hecke zuschneiden und keine Haare. Ich war jetzt richtig sauer auf ihn!

Wir traten aus dem Motel in die Sonne. Ich liebte die Sonne, eigentlich, aber heute blendete sie mich fies und die leichte wärme war merkwürdigerweise unangenehm. Bevor auch Jack in die Sonne trat setzte er sich eine Sonnenbrille auf und stolzierte dann gekonnt an mir vorbei. Er schien trotz seines, wie er immer wieder laut beklagte, Hungers erschreckend gut drauf zu sein. Er hielt mir sogar die Tür offen, als ich ins Auto steigen wollte. Das kam mir sehr gelegen, denn in diesem Moment krampfte sich mein Bauch zusammen. Ich hielt mich an der Tür fest und ließ mich dann auf den Sitz plumpsen. Nachdem er neben mir eigestiegen war, starrte ich ihn geistesabwesend an. Nicht nur um mich darauf zu konzentrieren nicht in Auto zu spucken sondern auch, weil da immer noch die eine große Frage ausstand...

„Was ist? Warum starrst du so?", fragte Jack irritiert.

Ich hätte am liebsten mit den Schultern gezuckt, aber das war mir angesichts meines Gesundheitszustandes doch zu riskant. „Ich warte darauf, dass du dich in ein Aschehäufchen verwandelst.", sagte ich, ganz ohne Schultern zucken. Er lachte: „Da kannst du lange warten. Das einzige was ich spüre ist ein leicht unangenehmes Kribbeln auf der Haut...Und glitzern wie eine Disco-Kugel werde ich auch nicht, wenn ich nur genug Sonne abbekomme. Keine Angst."

'Wohl eher keine Hoffnung!', dachte ich.

„Das einzige", sprach er weiter, „das mich wirklich stört ist das hier!" Er zog seine verspiegelte Sonnenbrille ein Stück herunter und zeigte mir seine roten Augen. „Das ist in der Sonne ein Dauerzustand!", brummte er und schob die Brille wieder nach oben. Im nächsten Moment bremste er stark ab. „Huch...Wir sind ja schon da!", sagte Jack als ich schmerzhaft in den Gurt gedrückt wurde und mir dankte heute Morgen nicht viel gegessen zu haben.

Die Praxis kündigte sich schon an als wir das Gebäude noch nicht mal betreten haben. Lautes Kindergeschrei begrüßte uns. Jack zerrte mich zu Rezeption, während ich mich bemühte nicht bei jedem Schrei dieser Gören zusammen zu zucken. Und schon wieder: Eigentlich, mag ich Kinder und eigentlich bin ich auch nicht so stark Lärm empfindlich, aber heute war echt nicht mein Tag.

Vampire entführen keine kleinen MädchenWhere stories live. Discover now