Vampire entführen keine kleinen Mädchen

Kofferraumstrafe!

Ich saß in einem der SUVs hinten auf der Rückbank. Zusammengequetscht zwischen Dumm und Dümmer. Dumm und Dümmer waren zwei Schränke von Vampiren, die bei mir den Anschein erweckten nicht mal bis drei zählen zu können. Ein gewinnend dauerlächelnder Leon saß vor mir auf dem Beifahrersitz und am Steuer saß eine Frau mit scharfen, kantigen Gesichtszügen und hellroten Haaren. Sie war echt eine Schönheit, aber hatte einen unfreundlichen, verkniffenen Gesichtsausdruck. Ich war jedoch irgendwie froh sie zu sehen. Ich hatte schon die Angst, dass es nur männliche Vampire gab.

Sehr zur großen Genugtuung meiner rachsüchtigen inneren Stimme, befand sich Jack im Kofferraum. Sie hatten ihn zusammengeschnürt wie ein Packet und achtlos in den Kofferraum geschmissen. Irgendwie tat er mir ja leid, aber...er hat diese Fahrt mehr als nur verdient! Ich hatte selbst schon gefesselt oder halb nackt in diesem Ding gelegen und ich kann euch sagen: ES MACHT KEINEN SPAß! Wir fuhren so schon seit über einer halben Stunde durch die Gegend und ich bekam Langeweile. Es überraschte mich. Seit gefühlten Jahren hatte ich schon keine Langeweile mehr gehabt. In den letzten Tagen war mein Leben purer Stress gewesen. Natürlich war es das immer noch, aber ich wurde Müde. Das Adrenalin vom Autounfall verabschiedete sich und es blieb an mir hängen mich wach zu halten. Immer wieder klappten mir die Augen zu und, als ich in einer Kurve zur Seite gedrückt wurde, blieb ich mit meinem Kopf einfach gegen Dümmer gelehnt und schlief ein.

Ich wurde wach, weil mich jemand unsanft aus dem Auto zerrte und ich mit meinen Knien auf Asphalt schlug. Leon hatte mich gepackt und schleifte mich auf eine große Tür zu. „ Bringt meinen Bruder in eins der Verliese!", rief er noch Dumm und Dümmer zu, als zwei Wachen uns die Tür öffneten und wir ein großes Gebäude aus Stein betraten. Hier und da hatte irgendwer versucht mit Kerzenleuchtern und Wandbehängen es etwas gemütlicher zu gestalten, aber es half nicht viel. Ich fröstelte, als Leon mich unbarmherzig durch das kalte, unbelebte Schloss zog. Vor einer weiteren großen, gutbewachten Tür blieb er stehen und ich strauchelte. Leon öffnete die Tür und bedeutete mir einzutreten. Ich betrat einen Saal mit einem riesigen Tisch in der Mitte. Um diesen Tisch herum saßen mindesten 20 Männer in altertümlichen Roben. Das hier war also der sogenannte Rat. Genauso hatte ich mir Vampire eigentlich auch immer vorgestellt. Bloß halt irgendwie älter. Doch diese Männer waren alle so zwischen 20 und 40 Jahren alt. Sie waren bis eben in eine hitzige Diskussion vertieft, doch sie hoben überrascht die Köpfe als wir eintraten. „Leon? Du bist wieder zurück!", stellte ein junger Mann mit braunen Haaren fest und kam mit freudigen Schritten auf, den triumphierend grinsenden Leon, zu. Die beiden gaben sich eine von diesen Kumpel-Umarmungen. „Es freut mich das zu wieder da bist, Leon,", sagte ein älterer Mann, „aber was macht diese Vampirin hier?" Er nickte mir zu und ich sah wie Leons Lächeln einen Moment lang erstarrte. Er hatte mich eben tatsächlich fast vergessen.

„Das,", sagte Leon, „ist Ella und Ella ist kein Vampir! Ihre Augenfarbe ist ein Dauerzustand!"

„Wenn sie kein Vampir ist...Was ist sie dann?", fragte ein glatzköpfiger Mann weiter hinten am Tisch. 'Wüsste ich auch gern!'

„Ella...", murmelte Leon und man merkte wie unangenehm es ihm war, „...hat durch einen Zufall den Ring verschluckt. Der Stein hat sich daraufhin aufgelöst und...nun ja...jetzt ist das Blut unseres Vorfahren in ihrem Körper..." Zur Bekräftigung legte er den steinlosen Ring auf den Tisch. Heftiges Gemurmel ging durch den Raum. „Ruhe!", rief einer der Männer plötzlich. „Leon! Das musst du uns genauer erklären!"

Nach einer ausführlichen Berichterstattung, bei der Leon nicht umhin kam seine Heldentaten zu loben und Jack vor allen zum Trottel der Nation zu erklären, musterten mich alle anwesenden im Saal. Kurz darauf entbrannte ein heftiger Streit zwischen den ganzen Vampiren. Alle waren unterschiedlicher Ansicht was jetzt passieren sollte. Nach ein paar Minuten sprang einer von Team 'Bringen-wir-sie-um-und-versuchen-wir-aus-ihrem-Blut-einen-neuen-Stein-zu-erschaffen', auf und rannte auf mich zu. Er griff nach meinem Hals und schleuderte mich gegen die nächste Wand.