NACKT

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Ganz langsam schaffte ich es meine Gedanken zu sortieren. Denken fiel mir schwer. Ich spürte zwar keinen Schmerz, aber mein Kopf funktionierte nur ganz langsam, wie als würden meine Gedanken in Wackelpudding schwimmen und nicht wie sonst den sofort Express zur Schaltzentrale nehmen. Selbst für diese Erkenntnis brauchte ich lange. Eine gefühlte Ewigkeit verging bis ich meine Umwelt einigermaßen wieder wahrnahm. Mir war verdammt kalt! So richtig scheiße kalt! Mir fällt dafür im Moment kein Vergleich ein und selbst wenn, dass würde jetzt zu lange dauern krampfhaft nach einem zu suchen. Bewegen ging gar nicht. Mein Körper reagierte nicht. Erst später bemerkte ich, dass er es zumindest schon mal geschafft hatte eine Gänsehaut zu bilden. 'Toll...Fein gemacht...', lobte meine innere Stimme unseren Körper sarkastisch und rollte mit den Augen. Nach mehreren Stunden gedanklichem Tick-Tack-Toe mit mir selbst, schaffte ich es doch tatsächlich...mit meinem kleinen Finger zu zucken. Ihn zu krümmen ging zwar nicht, aber zucken konnte er schon mal. Auch denken funktionierte wieder halbwegs und ich stellte so langsam die Hypothese auf das ich im Koma lag oder irgendwie so etwas in der Art.

STOPP! Bin ich überhaupt noch ganz? Immerhin ist das letzte an das ich mich erinnerte, dass Carter mit einem Beil auf meinen Hals zielte. Was ist wenn ich mich deswegen nicht bewegen kann. Vielleicht liegt mein Körper mehrere Meter von meinem Kopf entfernt. Ein paar Schocksekunden lang hatte ich diesen Krebs-Typ aus Fluch der Karibik 2 in meinem Kopf der verzweifelt versuchte seinen ebenfalls kopflosen Körper zu sich zu lotsen. Dann schaltete sich meine Logik wieder ein. Quatsch! Selbst ein verdammtes Vampir-Magie-Stein-Dings-Bums-Teilchen wäre nicht im Stande mich mit meinem kleinen Finger zucken zulassen, wenn ich ohne Kopf in der Gegend herumliegen würde. Und trotz meiner brillanten Logik sah ich mich vor meinem inneren Auge schon den kopflosen Reiter nachspielen. 'O Nein! Jack wird uns die ganze Zeit mit schlechten Witzen ärgern...', jammerte meine innere Stimme. Sätze wie 'Na wieder mal den Kopf verloren?' oder 'Nehmt es Ella nicht übel. Sie ist heute wiedermal etwas kopflos.' spuckten mir durchs Hirn und vor Wut schlug ich auf den Boden. DAS DURFTE AUF KEINEN FALL PASSIEREN! Sekunde...ich schlug auf den Boden? Und tatsächlich konnte ich meine Arme langsam wieder bewegen. Auch meine Füße meldeten sich wieder zum Dienst, aber alles fühlte sich an, als würde ich Eisklumpen bewegen und keine Gliedmaßen. Nachdem ich auch endlich wieder scharf sehen konnte wusste ich auch wieso mir so verdammt kalt war.

Aber vorerst machte ich einen kurzen Safety-Check:

1. Mein Kopf saß an Ort und Stelle. (Sogar richtig herum.)

2. Habe keine Schmerzen oder Narben,

3. Aber ich bin voller Ruß,

4. Mir piksen Holzsplitter in den Po

5. Und ich bin NACKT.

Komplett nackt. Splitterfaser nackt. Rußig, kalt und nackt! Ich schlag meine Arme um meinen Körper und stand zittrig auf. Ich stand in einem dieser hübschen Streber-Vorgärten in einem Haufen aus Asche und verkohltem Holz. Hier und da flatterten ein paar angekokelte, blutdurchtränkte Stoffschnipsel von Jack Lieblingsjacke durch die Gegend. Ansonsten war ich allein. Schnell war mir klar was passiert war: Mike hatte mir tatsächlich den Kopf abgetrennt. Danach war weiß Gott was passiert mit dem Ergebnis, dass mich irgendwer verbrannt hatte um sicher zu gehen, dass ich auch wirklich tot war. Dann hatte ich mich magischer Weise wieder zusammengesetzt und jetzt stand ich hier, frierend, nackt und ohne jeglichen Plan, mitten in der Nacht in einem Vorgarten.

Wo war Jack? Hatten sie ihn auch verbrannt? Trampelte ich gerade auf seiner Asche herum? Schnell beeilte ich mich von dem Brandfleck herunter zu kommen. Neben der Frage nach Jacks verbleibt, drängte sich auch eine ganz andere Frage in den Vordergrund: Wie zu Hölle konnte ich das überleben? Zwar war selbst die Sache mit Natasha und dem Holzpfahl schon ein kleines Wunder, aber das hier hatte ganz andere Dimensionen. Eigentlich müsste ich jetzt nur noch ein kleines Häufchen Asche sein und 'im Winde verweht' spielen....Unglaublich...

Schwankend bewegte ich mich auf das Gartentor zu; stets bemüht mit meinen Armen die kritischsten Stellen meines Körpers zu bedecken, sollte plötzlich irgendwer aus dem Gebüsch springen und April, April schreien. Als ich das Tor öffnete und um die Ecke, die Straße entlang, späte, erkannte ich etwas, dass eigentlich längst ausgestorben sein müsste: nein...kein Dodo-Vogel. Eine Telefonzelle! Während ich schnell, zitternd und immer noch nackt, die Straße entlang schlich, verfluchte ich diesen verdammten Edelstein dafür nicht auch meine Kleidung 'wiederbelebt' zu haben. Ich kam an der Telefonzelle an und schlug mir gegen die Stirn. 'Um telefonieren zu können brauch man Geld', warf meine innere Stimme ein. 'Danke, dass du mir das jetzt mitteilst. Darauf wäre ich nie im Leben selbst gekommen...', giftete ich zurück. In diesem Moment hörte ich ein knacken hinter mir und ich fuhr quietschend herum, immer noch darauf bedacht so wenig Haut wie möglich zu zeigen. „OH MEIN GOTT!", kreischte auch der verblüffte Mann mir gegenüber und schlug sich überrascht die Hände vor die Augen. Ich versteckte mich hinter der nächsten Ecke eines Gebäudes und streckte nur den Kopf dahinter hervor. Der Mann hatte mit fest zusammengekniffenen Augen begonnen seine Jacke auszuziehen und hielt sie mir nun hin. Ich nahm ihm sie ihm dankbar ab und schlüpfte hinein. Zu meinem Glück ging sie mir sogar über den Hintern. „Was macht eine junge Frau mitten in der Nacht nackt au- ", er stoppte erschrocken, „Wir kennen uns doch!" In diesem Augenblick erkannte ich ihn auch. Unser Paartherapeut, der Vampirjäger! Kreischend drehten wir uns beide um 180 Grad und rannten panisch davon. Meine ungraziöse Flucht wurde aber jäh unterbrochen, als ich auf einen kleinen spitzen Stein trat und fluchend auf einem Bein hüpfend stehenbleiben musste. Ich drehte mich zu dem Jäger um, der schon fast das Ende der Straße erreicht hatte und plötzlich stehen blieb. Dann kam er überraschenderweise wieder zurück und fragte ängstlich: „Haben sie ihre Probleme mit ihrem Gatten eigentlich geklärt?" Ich musste ganz schön dämlich aus der Wäsche geguckt haben, denn er erklärte: „Na sie wissen schon...Ihr kleiner Streit mit Jack Blackwood..." Ich lachte laut. „Ja, dank ihnen, aber sie können mir nicht zufälligerweise sagen wo er gerade ist?" „Nein, wir suchen ihn auch schon. Nachdem wir sie verbrannt hatte-", er stoppte abermals überrascht, drehte sich um und rannte davon. Während seines Laufes rief er laut: „Sie lebt nochhhhhh!" In ein paar Fenstern der Straße ging das Licht an und ich hörte eine alte Frau laut keifen: „Geh schlafen, du Penner!" Kurz darauf gingen die Lichter wieder aus und mein Paartherapeut war verschwunden. „Vollidiot...", murmelte ich vor mich hin und steckte meine eiskalten Hände in die Jackentaschen. Ich stand auf und ging in die entgegengesetzte Richtung, in die der Jäger gelaufen war. Eigentlich hatte ich keinen Plan wohin, aber ich wollte auf jeden Fall ganz, ganz weit weg von hier...

Ich ertastete etwas in der Jackentasche. Ein Handy! Zu meiner großen Freude, brauchte ich nur zwei Versuche um das Entsperrmuster herauszubekommen, denn die Finger von dem Jäger hatten schöne Schmierabdrücke hinterlassen gehabt. Als ich es entsperrt hatte viel mir ein, dass ich überhaupt nicht wusste wen ich anrufen sollte. Ich hätte zwar gerne Jack oder Dr. Morgan angerufen, aber deren Nummern wusste ich nicht. Mein einziger Trost war die Candy Crush-App, die ich fand. Ich beschloss schließlich die Polizei zu rufen, als mir noch etwas auffiel. In der Reflektion vom Handydisplay sah ich meine goldenen Augen. Die Kontaktlinsen waren wohl herausgefallen oder verbrannt. So konnte ich nicht zur Polizei gehen. Ich seufzte und setzte mich schließlich deprimiert an den Straßenrand. Immer noch jämmerlich vor mich hin frierend kam mir eine Idee...Eine äußerst bescheuerte Idee... Ich scrollte durch die Kontakteliste des Jägers und fand schließlich, dass wonach ich gesucht hatte. Ich drückte auf den grünen Hörer und es tutete lange. Schließlich meldete sich am anderen Ende, der Leitung eine verschlafene raue Stimme: „Verdammt... Sam! Was ist denn noch!" Ich grinste und sagte: „Tut mir leid wenn ich sie geweckt haben sollte..." Am anderen Ende hörte ich den 'Boss', wie er in Sams Kontakteliste hieß, tief einatmen. „Wer ist da?" Ein weiteres Lächeln huschte mir über die Lippen. „Hier ist Ella Blackwood. Sie wissen schon...Die, die sie vorhin verbrannt haben. Aber ich will heute mal gnädig seien und habe ihnen deshalb einen Deal vorzuschlagen..."


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Hallöle,

Hier ist das neue Kapitel, das ich auch (endlich wieder) mit beiden Händen tippen kann.

Tut mir leid, dass es diesmal mit dem Update so unglaublich lange gedauert hat, aber ich arbeite nebenbei noch an ein paar anderen Storys und da fällt es mir schwer wirklich jeden zweiten Tag zu updaten. Bitte nehmt es mir nicht übel.😉

Bis zum nächsten Kapitel ~ Jodi



Vampire entführen keine kleinen MädchenDonde viven las historias. Descúbrelo ahora