Wer ist hier süß?

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Ich finde ich habe in letzter Zeit einen echten Karriere Sturz hingelegt. Ursprünglich war ich ein Mensch mit all seinen Rechten und Pflichten. Dann war ich kurzzeitig ein Frühstück, beziehungsweise Fastfood und jetzt? Jetzt bin ich ein Stein. Pardon: Edelstein! Und noch dazu ein bald verheirateter Edelstein...Obwohl, dass ist im Gegensatz zum Frühstück schon ein kleiner Schritt die Karriereleiter wieder hoch sein müsste.

Das schoss mir durch den Kopf, als ich wie in ein riesiges, weißes, gerüschtes Marshmallow eingepackt, vor dem überdimensionierten Spiegel stand. Dieses Kleid war ja mal hässlich. Ich fühlte mich darin nicht wie eine Braut, die zwangsverheiratet wird, sondern wie Nachtisch. Vermutlich war das sogar der Hintergedanke. Aber seien wir mal ehrlich: Wer zur Hölle fand diesen Marshmallow von einem Kleid schön? Selbst Vampire mussten ein gewisses Stilgefühl besitzen. Obwohl...so hässlich wie Leons Schuhe gestern waren, hatte vermutlich er entschieden, was für ein Brautkleid ich tragen soll. Schrecklich...

Aber das ist wohl im Moment eine meiner geringsten Sorgen. Ich war schon seit Leon mich von Jack weggebracht hatte ein echtes Nervenbündel. Bei jeder Kleinigkeit zuckte ich vor Anspannung zusammen und jedes Mal wenn einer der Make-Up- und frisier-Tanten an mir herum zupften, bekam ich eine Gänsehaut. Ich war total Aufgeregt und ich hatte Angst. Angst davor was passieren wird.Plötzlich klopfte es an der Tür und eine der Frisösen flüsterte aufgeregt: „Es geht los!"

Ich begann Panik zu schieben, als zwei Schränke von Männern mich den langen Flur entlang eskortierten. Sie wirkten als hätten sie auch nicht gerade viel mehr Gehirnzellen als Dumm und Dümmer. Gibt es etwa keine Vampire, die irgendwie ein bisschen...naja...normal sind? 'Jack ist normal!', präsentierte mir meine innere Stimme die Antwort. 'Nein, Jack ist...Er ist ein Idiot!', hielt ich dagegen. 'Du hast gezögert', stelle sie fest und ich murmelte: 'Gar nicht...'

Mit meinem Marshmallow-Kleid musste ich eine große Steintreppe hochstöckeln. Sowohl die hohen Absätze meiner Schuhe, als auch dieses Kleid machte dieses Unterfangen zu Mission Impossible. Nach den ersten paar Stufen keuchte ich schon wie ein Walross und stürzte beinahe wieder hinunter. Dümmer2.0 griff mir kurzerhand unter die Arme und trug mich so die Treppe nach oben. Wir traten in einen Raum mit zwei großen Glastüren, die auf einen noch größeren Balkon heraus führten. In der Mitte des Raumes stand ein ziemlich mitgenommen aussehender Jack und ein wirklich richtig hässlich angezogener Leon. Gegen ihn war dieses Kleid eines der schönsten das ich je zu Gesicht bekommen habe. Leon trug einen paillettenbesetzten, Türkis schimmernden Frack. Er sah damit nicht aus wie ein baldiger König, sondern mehr wie ein...Discopinguin.

Jack und Leon schauten auf, als ich herein stolperte. Jack grinste hinterhältig und sagte: „Du hast recht, Leon, wirklich bezaubernd." Er konnte sich nur schwer ein Lachen verkneifen. Leon nickte jedoch nur und kam begeistert auf mich zu. Er nahm meine Hand und sagte: „Aus dem hässlichen Entlein ist ein Schwan geworden." 'Wohl eher eine Süßspeise.'

Jack wollte auch zu uns kommen, wurde aber von den richtigen Dumm und Dümmer festgehalten. Auf seiner Stirn prangte ein großer, blutiger Fleck und sie hatten ihm seine Hände auf den Rücken gefesselt. Er grinste schief, als er meinen Blick sah und sagte zu Leon gewandt: „Also, Leon, was ist denn jetzt mir meinem letzten Wunsch? Du hattest es versprochen!" Wiederwillig nahm Leon seinen Blick von mir und drehte sich zu Jack. Er verzog sein Gesicht und knurrte: „Na gut!" Leon schob mich zu Jack, bis ich vor ihm stand. „Mein kleiner Bruder hat sich gewünscht, sich von dir zu verabschieden...", knurrte Leon. Jack lehnte sich grinsend vor und flüsterte mir so leise in mein Ohr, dass nur ich es verstehen konnte: „Kurz vor 12 Uhr musst du Leon irgendwie ablenken. Verstanden? Ich hol uns hier raus..."

Mit diesen Worten lehnte er sich ein Stück wieder von mir weg. Er schaute mir tief in die Augen und ich nickte vorsichtig. Jacks Grinsen verbreiterte sich und plötzlich hingen seine Augen für einen Moment an meinen Lippen. Im nächsten Augenblick küsste er mich. Es war nur ein kurzer, flüchtiger Kuss, der mir aber die Röte ins Gesicht schießen lies. ER HATTE MICH TATSÄCHLICH GEKÜSST...

„Du wagst es...", schrie Leon plötzlich hinter mir und schob mich unsanft beiseite. Seine Faust landete in Jacks Gesicht. „Kettet ihn unten an!", befahl Leon Dumm und Dümmer und zu Jack sagte er: „Du bekommst keinen angenehmen Tod! So viel kann ich dir versichern!" Auf Jacks Wange prangte ein riesiger Kratzer, doch er lachte nur uns sagte: „Das war es wert!" Dumm und Dümmer zerrten ihn aus dem Raum und er zwinkerte mir noch mal verheißungsvoll zu.

Leon packte mich schmerzhaft an den Schultern und knurrte wütend: „Was hat er dir ins Ohr geflüstert?" Verdammt, jetzt brauch ich eine Ausrede. „Ähm...Das ich in diesem Kleid aussehe wie ein riesen Marshmallow!" Leon nickte und ließ mich langsam los: „Das passt zu ihm...Er hatte noch nie einen guten Modegeschmack!" '...sagte  gerade der türkise Pinguin.'

„Also, die Sache läuft folgender maßen:", fuhr Leon fort, „Wir werden da draußen auf dem Balkon heiraten. Ich werde erst König, wenn ich um Punkt 12 Uhr heute den Stein, also dich, in meinem Besitz habe. Deshalb wirst du mir nicht von der Seite weichen. Hast du verstanden?" Er packte mich wieder an den Armen und schüttelte mich. Mein hin und her wackeln des Kopfes nahm er wohl als nicken, denn er ließ mich schließlich los. „Wenn du Punkt 12 Uhr nicht neben mir stehst, wird der, der dir am nächsten ist, König. Also verbock es nicht!", knurrte er und kam mir ziemlich nah. "Ja, schon gut...", murmelte ich und rieb mir die Oberarme. Leon setzte sein gespieltes Grinsen auf und warf einen kurzen Blick auf seine Uhr. Er hielt mir die Hand hin. „Gut. Wollen wir?"

Ich musste die Augen zusammen kneifen. Die Mittagssonne war wirklich erbarmungslos und ich schwitzte unglaublich doll in meinem Rüschenberg. Vom Balkon runter sah man auf den großen Innenhof vom Schloss. Der Platz war gefüllt mit über hunderten von Vampiren. Ein kleiner Fleck in der Mitte war jedoch frei gelassen worden. Dort stand, mit seinen Händen an einen Eisenblock gekettet, ein ziemlich gelassen wirkender Jack. Er machte auf mich nicht den Eindruck, als sei er nervös. Lässig an den Eisenblock gelehnt grinste zu mir hoch. Was hatte er nur vor?

Ich stand zitternd vor Nervosität neben Leon und vor uns stand ein in schwarz gekleideter Mann. Er hatte ein Buch aufgeschlagen und begann vorzulesen: „Möchtest du, Leon Blackwood, die hier anwesende Ella Moore zu deiner zukünftigen Frau nehmen?" 'Leon Blackwood? Blackwood? Wirklich? Warte...Das bedeutet Jack heißt: Jack Blackwood...Ach Gott...Der Arme...' Ich musste mich zusammenreißen nicht zu lachen, obwohl die Situation wirklich ernst war.

„Ja, ich will!", hörte ich den strahlenden Leon neben mir.

„Und du, Ella Moore? Willst du den hier anwesenden, Leon Blackwood, zu deinem zukünftigen Mann nehmen?", fragte der schwarzgekleidete Mann mich. Mein Blick glitt zu der Uhr an Leons Handgelenk. Eine Minute vor 12 Uhr.

„Äh...Ich...", stotterte ich und Leon warf mir einen warnenden Blick zu. Seine Augen waren durch die Mittagssonne tief rot. 'Wo bleibt das Ablenkungsmanöver?', beschwerte sich meine innere Stimme, die sich schon mal Popcorn besorgt hatte.

„Ich werde Leon Blackwood auf keinen Fall heiraten!", brachte ich schließlich mit fester Stimme hervor, „Er ist ein absolutes Monster mit einem furchtbaren Modegeschmack. Außerdem könnte doch jeder Vollidiot von einem Vampir König werden. Warum also er?", anklagend zeigte ich auf Leon und trat einen Schritt zurück. Leon kam hinter her und fauchte: „Was hast du da gesagt?" Ich wich noch ein paar Schritte zurück und stieß gegen das Balkongeländer. „Ich habe gesagt, dass ich aus Prinzip schon, keine ungehobelten, hässlichen Pinguine heirate.", giftete ich zurück. Die Wucht von Leons Ohrfeige warf mich nach hinten. Ich stürzte über das Geländer hinab, zu Massen von vampirischen Vollidioten, die alle König sein wollten. Und irgendwo da unten war mein vampirischer Vollidiot mit einem Plan...

Vampire entführen keine kleinen MädchenWhere stories live. Discover now