Kapitel 42

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~Brooklyns POV~

"Wie lang?" frage ich. Kurz sieht er mich verdutzt an. "Zum Leben. Wie lang?" wiederhole ich meine Frage.

"Das kann ich nicht genau sagen, vielleicht einige Wochen oder auch meherere Monate noch. Doch mehr als ein Jahr wird es nicht sein." antwortet er mir, das erstemal seit unseres Gesprächs, direkt.

Wieder verarbeite ich kurz die neu gewonnen Informationen.

1 Jahr

Er gibt mir höchstens noch ein Jahr und dann ist alles vorbei. Heute in einem Jahr könnte meine Beerdigung sein. Heute in einem Jahr könnte ich aus meiner Familie gerissen werden. Heute in einem Jahr könnte ich meine Freunde nie wieder sehen. Heute in einem Jahr könnte ich von Nash für immer getrennt werden.

"Wie wird es ablaufen? Also, wie wird es mir dabei gehen?" frage ich weiter und versuche die aufkommenden Tränen zu unterdrücken.

"Wir könnten natürlich die Chemo weiterführen, jedoch würdest du dadurch nur zusätzliche Schmerzen erleiden. Genau kann man auch nicht sagen, wie es dir ergehen wird. Jedoch werden wir versuchen, dir die Schmerzen so gut es geht zu nehmen." erklärt er mir. 

"Ich wäre jetzt gern allein." sage ich leise und lehne mich zurück in die Matratze des Krankenhausbettes. Mein Blick fällt auf die weißgestrichene Decke des Raumes.

"Aber natürlich..." ich bemerke wie Dr.Peters sich erhebt. "Es tut mir leid, dass ich keine besseren Nachrichten für dich habe." entschuldigt er sich und ich höre aus seiner Stimme heraus, wie Wahr diese Entschuldigung ist und wie sehr es ihm leid tut.

Kurz darauf ist nur das öffnen und schließen der Tür zu hören. Augenblick als das geschieht, lasse ich den Tränen einfach freien Lauf. Ich presse meine Hand vor meinen Mund,um meine Schluchzer etwas zu dämpfen.

Bald ist mein 17.Geburtstag und keiner weiß, ob ich an meinem 18. auch noch hier sein werde. Ich werde nie volljährig sein und als Teenager sterben.

Obwohl ich damals bei meiner Diagnose wusste, dass der Tod auch eine Option ist, bestand immer noch Hoffnung. Die Hoffnung auf Heilung.

Doch auch diese hat sich nun in Luft aufgelöst und ich stehe vor vollendeten Tatsachen. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nichts mit meinen Gefühlen anzufangen. Soll ich trauig sein? Wütend? Ängstlich? Ich weiß es nicht.
Auch wenn ängstlich gerade am ehesten zutrifft.

Ich habe Angst vor der Zeit die mir noch bleibt. Werde ich starke Schmerzen haben? Wie wird es mir körperlich ergehen? Und seelisch? Werde ich nur vor mich hin wegitieren oder werde ich  noch ich sein?
Wird meine Familie an meiner Seite sein? Werden es meine Freunde? Wird Nash bei mir bleiben?

Ein lauter Schluchzer entweicht doch meiner Kehle, als eine Welle von Trauer überollt.

Wie soll ich das den Menschen, die ich liebe, mitteilen? Seinen Eltern die Nachricht zu überbringen, dass ihr Kind vor ihnen sterben wird? Das meine jüngeren Geschwister ohne mich weiter aufwachsen werden? Das ich nie erleben werde, wie mein älterer Bruder eine eigene Familie gründet? Das meine beste Freundin, nach all unseren gemeinsamen Jahren, ein Leben ohne mich führen soll? Das ich nicht dabei sein werde, wenn Sammy den großen Durchbruch in seiner Karriere schafft und jeder seinen Namen kennt? Das Nash und ich nie eine gemeinsame Zukunft haben werden?

Wie bringt man ihnen soetwas bei? Das wird wohl das Schwerste sein, dass ich je in meinem Leben gemacht habe.

Meine Gedanken schweifen zu Nash. Dem blauäugigen Jungen, dem ich komplett verfallen bin und dem mein Herz gehört.
Ich will ihn nicht verlassen,nicht jetzt.

Es läuft fantastisch zwischen uns beiden. Oh Gott, ich liebe das Gefühl, was ich in seiner Nähe verspüre und ich liebe es, wie er mich ansieht, als wäre ich das schönste und kostbarste auf dieser Welt. Ich liebe sein Lächeln, seine Augen, seine Tollpatschigkeit, sein ansteckendes Lachen...einfach ihn.

Das Schicksal hasst mich. Es hasst mich abgrundtief. Aber ich sollte mich nicht davon unterbringen lassen. Ich werde nicht in Depressionen oder Ähnliches verfallen. Diese Genugtuung werde ich dem Krebs nicht geben und auch nicht dem Schicksal.

Ich werde noch jede Sekunde ausnützen und werde ich selbst bleiben. Egal was auch passiert.  Egal wie die nächste Zeit auch für mich aussehen wird. Ich werde kämpfen.

Auch wenn ich noch nicht wirklich bereit bin zu sterben, werde ich es wohl einfach akzeptieren müssen. Es wird nicht leicht werden, aber ich werde es schaffen.

Aufeinmal läutet mein Handy. Schnell wische ich mir die Tränen von meinen Wangen und sehe auf dem Bildschirm. Es ist meine Mom. Ich atme noch einmal tief durch und hebe dann ab.

"Hey, Mom." begrüße ich sie. "Oh Gott, Brooklyn. Wie geht es dir, Schatz? Ist alles in Ordnung?" plappert sie drauf los, wieder bilden sich Tränen in meinen Augen.

"Um ehrlich zu sein...nein." antworte ich ihr und schließe kurz meine Augen. "Es gibt schlechte Neuigkeiten, Mom." murmle ich und sehe auf meinen Schoß.

"Welche Neuigkeiten?" sofort klingt sie ängstlich und besorgt. Mir wird klar, dass ich das jetzt nicht über ein Telefongespräch besprechen kann. "Wann werdet ihr hier sein?" frage ich sie.

"Wir sind gerade am Flughafen. Aber was ist los, Brooklyn?" hakt sie nach. "Wir sehen uns dann nachher." verabschiede ich mich schnell und lege auf. Das wird ein verdammt schweres Gespräch.

Pinky Promise (Magcon FF)Where stories live. Discover now