Kapitel 10

88 7 0
                                    

Morgenröte

Kapitel 10

Liebste Anna,

Es tut mir so unendlich leid, dass du das alles noch immer durchleben musst. Ich träume nicht, ich glaube die Tabletten verantworten das. Sehr gerne würde ich von dir träumen, dir zumindest so wieder nahe sein.

Aber Entschuldigungen werden wohl nicht helfen, richtig?

Ich freue mich sehr darüber, dass du mir antwortest. Zumindest so wie ich das kann, du weißt ja was ich damit aussagen möchte. Genauso gefällt es mir, dass du mich noch immer liebst. Ich hatte geglaubt, dass du dir jemanden anders gesucht hast. Ich war schließlich nicht mehr bei dir....

Denn der beste und wahrscheinlich fürsorglichste Ehemann bin ich nicht. Ich habe das Gefühl ich betrüge dich indem ich hier bin und mich nicht um dich kümmern kann. Bitte sei mir deshalb nicht sauer, ich liebe dich doch schließlich und möchte niemals, dass du mich hasst. Bitte liebe mich ewig und komm mich hier besuchen. Ich wünsche mir so sehr, dass du mich mitnimmst und dich um mich kümmern kannst. So gerne würde ich dich wieder bei mir spüren und von dir gepflegt werden. Du würdest dich sicher gut um mich kümmern, besser als die Ärzte und Pfleger hier.

Ich freue mich sehr über das Bild, das du mir geschickt hast. Du siehst noch genauso hübsch aus wie früher, fast wie an unserer Hochzeit. Ich sehne mich selber daran zurück. Damals ging es uns noch gut und es war alles so wundervoll. Du hattest mich geliebt, ich dich auch und zusammen haben wir so viele tolle Dinge getan. Nur einmal durfte ich mit dir in Japan sein, es war unsere Hochzeitsreise auf Okinawa. Leider habe ich mich schon lange nicht mehr daran erinnert. Es fällt mir wirklich gerade erst wieder ein. Schade eigentlich...

Otis dagegen ist schon groß geworden. Als ich ging da passte er gerade so in meine Armbeuge, sein Kopf in meinem Ellenbogen und die Füße hielt ich mit meinen Fingern. Und nun werde ich ihn kaum so auf die Arme nehmen können, wahrscheinlich würde er sich dann einfach auf meinen Arm setzen und ich mit der anderen Hand seinen Rücken streicheln. Ich freue mich sehr darauf ihn so halten zu können.

Ich weiß nicht ob du es vorher von Dr. Baker erfahren wirst. Ich hatte einen Nervenzusammenbruch. Zumindest gehen sie davon aus.

Ich wusste einfach nicht was mit mir los war, wie als würden meine Sinne wo anders sein. Ich war nicht ich selbst, ich war wütend auf mich, auf viele Dinge. Ein anderer Mann, er ist Patient hier, hatte es geschafft mich irgendwie dazu zu bekommen. Er verwirrt mich. Ich mag ihn, er ist nett und doch irgendwie weiß ich, dass ich das alles nicht tun sollte. In meinem Hinterkopf spuckt immer der Gedanke, dass du die einzige Frau bist, die ich in meinem Leben attraktiv finde. Und du weißt ja, dass ich eigentlich schwul bin. Manchmal frage ich mich wie sich Sex mit einen Mann anfühlt...

Einfach immer wollte ich perfekt sein und schließlich bin ich wirklich daran zerbrochen. Ich weiß nicht wem ich die Schuld dafür geben soll. Soll ich sie dir geben? Oder mir? Doch du würdest wieder sagen, dass ich es nicht tun soll und ich denke, dass du mir nur geholfen hast. Ob es meine Eltern waren? Ich hatte einfach keinen Mumm es ihnen zu sagen. Wahrscheinlich bleibt doch nur die Gesellschaft über. Es war ihr Druck.

Ich fühlte mich trotzdem schlimm aus diesem Grund. Bitte versteh das und sei niemals sauer aus solchen Gründen.

Ich liebe dich.

Mike

Langsam legte ich das Papier weg und reichte dieses Chester. Er wollte es unbedingt lesen. Inzwischen hatten wir uns beide wieder angezogen, ich saß mit dem Rücken an dem Kopfteil, das an der Wand mit dem Fenster stand, und er genauso an die Wand gelehnt auf der anderen Seite. Unser Essen teilten wir uns, nur den Beruhigungstee und die Tablette überließ er mir. Gerne hätte er sie mit dem Tee nehmen können.

MorgenröteWhere stories live. Discover now