Kapitel 11

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Morgenröte

Kapitel 11

Etwas unsicher klemmte ich die Kiste unter meinen Arm. Panisch, so als wäre sie ein unbezahlbarer Schatz, sah ich umher als würde ich nach Feinden, die sie mir wegnehmen konnten, Ausschau hielt. Leider hatte ich keine Zeit mehr sie in mein Zimmer zu bringen, da ich mit Chester etwas beim Essen getrödelt hatte, weshalb ich sie jetzt mitnehmen musste. Ich glaubte aber nicht, dass sie mit mir sprechen wollten, denn Baker war mit Anna beschäftigt, Scott eventuell auch. Es wäre also niemand da um mich zu behandeln. Trotzdem ging ich aus Gewohnheit zu dem Behandlungszimmer in dem ich sonst immer war.

Es war ganz still im Flur, nur einer der Ventilatoren schnitt durch die Luft und eine der Klimaanlagen rauschte leise. Monoton hörte ich meine hinkenden Schritte auf dem Linoleumboden. Schließlich war ich an der passenden Tür angekommen. Nur was sollte ich zu dem Karton sagen, wenn jemand fragen würde? Oder würden sie es schon wissen?

Nach einigem Hin und Her drückte meine Hand schließlich die Klinke hinunter. Ich ging nicht davon aus, dass wirklich offen war und doch gab das Holz nach. Langsam öffnete sich die Tür. Etwas schüchtern sah ich umher, es schien leer zu sein. Nur war es etwas seltsam, dass weiter hinten der Ohrensessel des Arztes nach hinten dem Fenster entgegen gedreht worden war. Auch der zweite war so hingestellt worden. Dazwischen stand ein kleiner Beistelltisch mit zwei Tassen und einer Teekanne.

„Komm ruhig näher, Mike." Ich erschrak etwas als die Stimme zu mir dröhnte, fast wäre die Kiste hinuntergefallen. Ich atmete auf als sich dann Bakers Lockenschopf mit der leichten Tolle vorne zu mir nach hinten drehte.

„Wollen Sie einen Tee? Es ist guter Earl Grey." Ich nickte und kroch immer weiter zu ihm heran, sah umher und setzte mich auf den freien Platz neben ihm. Die Jalousien waren geöffnet und man hatte trotz der Gitterstäbe einen weitreichenden Blick über das Gelände. Der Tee war ein wenig bitter auf der Zunge. Ich hatte kurz das Bedürfnis etwas Zucker dort hinein zu geben, doch hier waren noch nicht einmal Löffel, weshalb ich ihn so trank. Bei Kaffee konnte ich das schließlich auch ohne Probleme.

„Ich dachte wir unterhalten uns mal wieder." ,erklärte Baker schnell. Ruhig nahm er danach einen Schluck Tee. Ich beobachtete wie sein Blick währenddessen über das Gelände streifte.

„Ich habe mit ihrer Frau eben schon gesprochen. Jetzt gerade sind Scott und Miss Clark an der Reihe." Ich schwieg in mich hinein. Anna würde in aller Ausführlichkeit von dem ganzen Schlamassel, von allen Beteiligten, ausgenommen Chester und mir, erfahren. In mir verbreitete sich die Angst, dass sie mich verlassen könnte.

„Dürfte ich erfahren, was sie Ihnen da mitgebracht hat?" Interessiert sah ich auf und schwieg. Es hätte alles Mögliche darin sein können, Dinge von denen ich gar nicht träumen konnte.

„Sie haben noch gar nicht reingeguckt." Ergeben nickte ich. Wenige Sekunden später nahm er den Karton von meinem Schoß und öffnete diesen. Neugierig sah ich zu ihm hinüber und erspähte etwas, was mich zum staunen brachte. Baker bemerkte es und reichte mir das Bild. Anna und ich lächelten breit. Ich konnte mich gut daran erinnern, dass es gar nicht gespielt war. An diesem Tag hatte ich mich kein einziges Mal verstellt. Es war schließlich unsere Hochzeit gewesen. In ihrem dunklen Haar waren tausende von kleinen rosa Blüten eingeflochten gewesen, der Schleier hatte über ihr, mit so einer besonderen Anmut, gelegen. Ihre Lippen stachen rot aus der bleichen Haut hervor, an das Kleid konnte ich mich gar nicht mehr so recht erinnern. Es war einfach perfekt gewesen. Die Spitze passte zu deren des Schleiers, der weiße Stoff schmiegte sich perfekt an ihren Körper an und fiel dann in tausenden weichen Falten. Ich dagegen hatte nur einen schwarzen Anzug mit weißen Hemd und roter Fliege getragen. Irgendwie kam ich mir schlecht vor, so miserabel neben ihr zu stehen.

MorgenröteWhere stories live. Discover now