3 - Barbie

3.9K 172 3
                                    

„Wie war's eine Woche lang schwänzen?", scherze ich amüsiert, als Addison und ich am nächsten Tag vor dem Kursraum warten und unser bester Freund Matthias uns entgegen kommt.
„Ganz ruhig, Mary.
Ich war wirklich krank!", verteidigt er sich mit erhobenen Händen und grinst mir entgegen. Das Grinsen, mit der er beinahe jede rum bekommt.
„Aber Zeit zum shoppen hattest du?"
Addison zieht die Augenbrauen hoch und mustert den schwarzhaarigen von oben bis unten.
„Bist ja eine richtige Shopping Queen", füge ich hinzu und laufe lachend rein, nachdem ich mir meinen weißen Rucksack geschnappt habe.
„Und du ein richtiger Scherz Keks", höre ich Matt hinter mir und lasse mich schmunzelnd auf meinem Platz nieder.
„Was habe ich so verpasst?"
Er zieht seine Augenbrauen hoch, als er sich ebenfalls setzt und packt seine Sachen aus.
Addison zwischen uns fängt an zu lachen und Matt seufzt auf.
„Lasst mich raten.
Einmal im Leben bin ich krank und dann bekommt Mary eine eins in Mathe, Xavier ist hilfsbereit und die Schule fackelt ab.
Schon klar."
„Alles eine Sache der Unmöglichkeit, allerdings hatte ich ein Date", verkündet meine beste Freundin und ich schüttle bei dieser Erinnerung den Kopf.
„Ein Doppel-date, wenn ich korrigieren darf.
Du darfst zwei mal raten, wer es war."
Da ich seitlich sitze und meinen Kopf auf meiner Hand abgestützt habe, klappe ich diese einfach um, sodass meine Fingerspitzen nach vorne zeigen und deute auf Seans und Xaviers Platz.
„Ich brauche gar nicht hinzusehen."
Matt ist sichtlich verzweifelt.
„Ihr habt ja nicht mehr alle Latten am Zaun.
Also wenn ihr mir jetzt noch sagt, dass Xavier Marys Date war, bin ich echt raus."
Als wir nichts sagen, blinzelt er einige Male.
„Ihr wollte mich ja wohl auf den Arm nehmen."
Da wir wieder nichts sagen, ist das eine eindeutige Antwort.
„Themawechsel.
Wir sind im Sportkurs", versucht es Addison, bevor Matt wirklich noch umkippt.
„Stimmt, der ist ja morgen."
Ich schrecke zusammen und drehe mich blitzschnell zu der Quelle um.
Xavier steht direkt neben unserem Tisch, mit seinem alltäglichen Grinsen und den unordentlichen braunen Haaren.
„Ich hätte noch eine Woche weg bleiben sollen, ich fühle mich jetzt schon wieder krank", höre ich Matt, beachte ihn im Moment allerdings weniger.
„Du bist nicht ins Gespräch eingebunden, tut mir leid", sage ich ironisch, zumindest den zweiten Teil und drehe mich wieder zu meinen Freunden.
„Vergiss den Deal nicht."
„Den Deal?"
Genervt drehe ich mich nach vorne, da er schon weiter gelaufen ist, allerdings bleibt er stehen.
„Den Deal, von dem du nicht einmal weißt, aus was genau er besteht?
Mach dir das nächste Mal zuerst Gedanken, bevor du mich erpresst!", rufe ich aufgebracht und mache mir wirklich Sorgen um Matt.
„Entspannt euch mal, was ist hier eigentlich alles noch passiert, als ich weg war?", mischt er sich nun ein und seine grünen Augen spiegeln pure Verwirrung wider.
„Komm später in die Cafeteria, ich habe die perfekte Idee!"
Xavier klatscht übermotiviert in die Hände, aber ich kann nichts anderes, als verzweifelt aufzustöhnen.

Eine halbe Stunde später lasse ich meinen Blick durch den Raum schweifen, da ich vom momentanen Thema wirklich rein gar nichts verstehe.
Mein Blick fällt auf Xavier, beziehungsweise auf seine Hand.
Er sitzt etwas nach vorne gelehnt da und nimmt den Stift ganz langsam vom Papier, während er konzentriert seine Hand mustert.
Diese fängt leicht an zu zittern, allerdings wird es immer heftiger, bis er die Finger abrupt spreizt, der Stift auf den Boden fällt und er sie mit seiner anderen Hand umschließt.
Dann springt er auf und eilt mit den Worten, er müsse auf die Toilette, aus dem Raum.
War das schon wieder sowas, von dem Sean und Aaron gesprochen haben?

„So ein Mist!", fluche ich, als ich nach dem vorerst letzten Kurs den Gang entlang laufe und ein paar Komplikationen habe, all meine Ordner während dem Laufen in meinen Rucksack zu stopfen.
Als mir dann auch noch meine Haare ständig nervig ins Gesicht fallen, bin ich erst recht in Stimmung die Türen neben mir aus den Angeln zu reißen und durch die Gegend zu werfen.
Keine guten Voraussetzungen für ein Treffen mit dem größten Provokateur überhaupt.
„Da bist du ja."
Mein Blick hebt sich und ich entdecke Xavier, der vor mir zum Stehen kommt und seine Hände in die Hosentaschen steckt.
„Ich dachte in der Cafeteria?
Und wo warst du überhaupt?
Dein Toilettengang hat sicher keine dreiviertel Stunde gedauert", stelle ich fest, allerdings ignoriert er dies gekonnt und ich folge ihm in die Richtung, aus der ich komme.
„Der Deal steht übrigens nicht mehr."
Mit dieser Aussage ziehe ich dann doch seine Aufmerksamkeit auf mich und sein Kopf dreht sich zu mir.
„Ich kann schließlich auch Sean sagen, dass du im betrunkenen Zustand seine Schwester angemacht hast."
Seine dunklen Augen formen sich zu Schlitzen.
„Woher weißt du davon?"
„Habe ich vor ein paar Wochen auf der Party mitbekommen, allerdings warst du damals so ziemlich uninteressant.
Von dem her habe ich da nicht weiter drüber nachgedacht.
Jetzt allerdings ist das was anderes."
„Also bin ich jetzt interessant?"
Seine Augen sind immer noch klein, sein Grinsen dafür doppelt so breit.
„Hör auf so bescheuert zu schauen und nein, bist du nicht!
Nur jetzt kann ich dich eben damit zurück erpressen", erkläre ich und schlage ihm in den Bauch, nachdem wir stehen geblieben sind.
„Festen Schlag hast du da drauf, Barbie."
„Das schmeichelt mir nun total."
„Denk daran, dass die braunhaarigen Barbies immer die Zicken sind in den Filmen."
Mit offenem Mund sehe ich ihn an, was ihn allerdings nicht all zu sehr zu beeindrucken scheint.
Er läuft lieber kichernd an mir vorbei.
„Ist ja gut, eins zu null für dich, du Vollpfosten!", rufe ich und jogge ihm hinterher.
„Das wirst du dir jetzt dein Leben lang von mir anhören müssen", meint er mit einem viel zu großen Selbstbewusstsein und grinst mich von der Seite an.
„Ich habe nicht vor mein Leben mit dir zu verbringen."
„Ach, Mary!"
Er schiebt die Unterlippe vor und verschränkt die Arme.
„Sei doch nicht immer so fies!", jammert er und schlägt mir leicht in die Seite, sodass ich einen Schritt auf die andere Seite gehe.
So hätte das wahrscheinlich ablaufen sollen.
In Wirklichkeit stolpere ich dabei über meine eigenen Füße, falle auf eine Schülerin, reiße ihre Tasche mit, leere dessen Inhalt aus und schlage mir bei meinem Aufprall auf dem Boden den Kopf am Mülleimer an.
Das erste was ich wahrnehme ist Xaviers lautes Gelächter.
„Du ... !", rufe ich und rapple mich langsam auf.
„Soll ich dir helfen?"
So nett habe ich ihn ja noch nie mir gegenüber erlebt.
Naja, schließlich ist das ja gerade auch nicht mir gegenüber, da er dem Mädchen die Hilfe anbietet und nicht mir, während er ihre Sachen aufsammelt.
„Arsch", murmle ich und stelle mich wieder aufrecht hin, bevor ich meine Jeans und meinen Pullover abklopfe und mich bei dem relativ verständnisvollen Mädchen entschuldige.
„Danke für die Hilfe", sage ich ironisch und schnappe meine Tasche.
„Hättest du sie denn angenommen?"
„Nein."
„Also kann ich den behalten?", fragt er und hält grinsend meinen Lippenstift hoch, der allen Anschein nach aus meiner Tasche gefallen ist.
„Wenn er dir gefällt."
„Rosa war schon immer meine Farbe!"
„Du spinnst", lache ich und nehme ihm den Lippenstift aus der Hand, was kein Problem darstellt, da wir so gut wie gleich groß sind.
„Wie lief deine Mathe Klausur eigentlich?", will ich wissen, als wir unseren Weg ohne Ziel fortsetzen und er seine Hände in die Hosentaschen steckt.
„Ganz okay eigentlich und bei dir?"
„Ist die Rückfrage nötig?", meine ich amüsiert.
„Mathe ist der letzte Müll, ich kann das überhaupt nicht."
„Ich könnte dir ja Nachhilfe geben, dann verlieben wir uns, während ich dir Algebra erkläre und nutzen Nachhilfe bloß als Ausrede um miteinander zu schlafen. Allerdings bin ich in Mathe genauso beschissen wie du."
„Ich dachte es war ganz gut?", frage ich nach und schmunzle kopfschüttelnd über den Rest seiner Aussage.
„Eine fünf ist ganz gut."
„Ach, ja", lache ich und wir kommen dann doch vor der Cafeteria zum Stehen.
„Wie wäre es, wenn wir uns zusammen auf etwas einigen, was wir machen?
Jetzt, wo wir beide etwas gegen den anderen in der Hand haben", schlägt er vor.
„Wie wär's, wenn wir einfach gar nichts tun?"
"Und wie wär's, wenn du einmal im Leben nicht so nervig bist?"
Ich seufze und denke nach.
Was will ich denn bitte mit Xavier machen?
Mir kommen ziemlich absurde Dinge in den Sinn, bis ich dann letztendlich auf etwas passendes komme.
„Du gehst zum Arzt und ich begleite dich."

Das letzte halbe Jahr Where stories live. Discover now