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Die Kommentare sind tot. Gefällt es euch nicht?


Harry ist nicht in der Schule. Er antwortet nicht auf meine Nachrichten. Ich hole tief Luft und sehe wieder und wieder auf mein Handy.
"In zwei Wochen sind Sommerferien, ich würde gerne für diese letzten Stunden noch eure Aufmerksamkeit haben. Wir haben nur einmal in der Woche zusammen.", beschwert sich Mrs. Johnson. Ich stecke mein Handy weg und sehe durch den Raum. Brian sucht meinen Blickkontakt. Dann klingelt es und ich gehe zu ihm rüber. "Harry?", fragt er simpel und ich nicke. "Du hattest seine Nummer ... bist du mit ihm befreundet?", will ich wissen. Brian lacht kurz. "Naja, so ähnlich." "Weißt du, wo er ist? Er meinte gestern Abend, dass er wahrscheinlich wieder einen drauf bekommen wird, wenn er nicht pünktlich zurück ist." Der schwarzhaarige runzelt die Stirn. "Er war bei dir?" Ich werde rot und nicke kurz. Er atmet tief durch, scheint irgendwie sauer zu sein. "Gut, soll ich dich mitnehmen? Er wohnt mit mir zusammen." Überrascht von seinem Angebot ziehe ich meine Jacke über und nicke.
Auf dem Weg aus dem Gebäude treffe ich auf Gav. Er sieht erst mich, dann Brian prüfend an. "Können wir?", fragt mein bester Freund. Ich beiße mir auf die Wange. "Ich fahre nicht nach Hause." Sein Blick schweift wieder zu mir. "Sind die jetzt deine neuen Freunde? Diese Punks?" Kopfschüttelnd zieht er ab und lässt Brian aufseufzen.

Wir fahren nur fünf Minuten, wenn überhaupt. Es ist der schwarze Mini, den Harry sonst fährt. Brian parkt an der Straße und ich steige aus. Ich sehe an dem alten Fachwerkhaus auf. "Wow.", murmle ich und folge meinem Mitschüler die Treppen hinauf. Es ist alles Altbau, aber es sieht wunderschön aus. "Harry müsste in seinem Zimmer sein. Das letzte hinten rechts.", murmelt Brian und öffnet den Kühlschrank. Bis auf Schlaf-und Badezimmer scheint alles in dem großen hier Raum zu sein. Wohnzimmer, Küche, Flur, sogar Sportgeräte.
Ein seltsamer Duft liegt in der Luft. Aber ich kann ihn nicht deuten.

Vorsichtig klopfe ich an der Tür. Keine Antwort. Ich klopfe nochmal. Wieder nichts. Ich höre ihn leise summen. Er ist da drin. Zögernd drücke ich die Klinke runter und schiebe die breite Tür auf. Harry sitzt an einem kleinen Tisch und schmiert sich etwas auf den Unterarm. Sieht aus wie Salbe. Ich kann aber nicht viel mehr erkennen.
Er hat Kopfhörer drin und bemerkt mich nicht. Ich gehe vorsichtig um den Tisch und stelle mich hinter ihn. Dann erkenne ich auch die Verletzungen an seinen Unterarmen. Es sind Verbrennungen. Ziemlich heftige. Ich beobachte über seiner Schulter, wie er mit zitternden Fingern die Creme verteilt, ehe er den Kopf in den Händen aufstützt und tief durchatmet.

Sanft lege ich meine Hand auf seine Schulter.

Harry springt auf, wirbelt herum und schiebt mich sofort gegen die Wand. Sein Gesicht zieren wieder neue Verletzungen. Um seinen Hals zeichnet sich ein Händeabdruck. Verängstigt sehe ich an ihm hinab. Harry schnappt nach Luft und lässt mich sofort los.

"Louis?! Fuck, wie bist du hergekommen?! Wer hat dich reingelassen?! Woher weißt du wo ich-" Er stoppt und sieht zur Zimmertür. "Der Wixxer ist dran." Ehe ich ihn aufhalten kann, stürmt Harry raus. Ich laufe hinterher. Brian reißt die Augen auf, als er Harry mit dem wutverzerrten Gesicht auf sich zugelaufen kommen sieht. "Du absolutes Arschloch, warum zur verdammten Hölle hast du ihn hergebracht!", brüllt er so laut, dass seine Adern an seinem Hals hervortreten. Anstatt Brian eine Chance zu geben zu antworten, schlägt Harry einmal kräftig auf ihn ein. Ich mache aus lauter Schreck einen Satz zurück und schlage die Hände vor den Mund. Ich habe noch nie gesehen, wie jemand auf so eine Art und Weise geschlagen wird.
"Weißt du was passiert, wenn Jace ihn sieht?! Hast du eine Ahnung was dann passiert?!", brüllt er weiter und packt den schwarzhaarigen am Kragen, nur um nochmals zu zuschlagen. Aus dem Impuls heraus springe ich zu Harry hinüber und will ihn wegziehen. "Hör auf ihn zu schlagen, Harry!" Eine Armbewegung und er schleudert mich zurück. Ich kann mich noch fangen. "Jace ist doch nicht da! Wir sind alleine!", keucht Brian und versucht sich aus dem Griff zu befreien. "Aber das konntest du nicht wissen!" Harry hat sich mittlerweile vor ihm richtig aufgebaut. Er holt ein letztes Mal aus und schlägt wieder in das ohnehin blutige Gesicht. Ich drehe mich weg und vergrabe das Gesicht in den Händen. Ich muss hier weg. "Du wirst mir nicht das letzte bisschen Glück in meinem Leben nehmen.", fügt er leise hinzu und lässt seinen Mitbewohner dann zu Boden sinken. Ich horche auf und drehe mich wieder um. Harry wischt sich die Hände an einem Tuch ab und geht dann wutentbrannt an mir vorbei zurück ins Zimmer.

Pretty in PunkWhere stories live. Discover now