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"Ihr seit also eine Gang?"

"Nein, wir sind keine Gang. Wir ... keine Ahnung, was wir sind. Es ist kompliziert."

"Klingt wie ein Beziehungsstatus."

Mit einem Schmunzeln steckt Harry den Zapfer ins Auto und füllt den Tank auf. "Und warum hat dieser Jace dich geschlagen?" Nervös beißt er sich auf die Lippe und sieht hinab auf seine ausgelatschten Boots. "Wir haben bei uns Regeln. Und ich habe sie gebrochen. Ganz einfach." Lachend schüttle ich den Kopf. "Das ist überhaupt nicht einfach, Harry. Welche Regel hast du gebrochen, dass er dich so zurichtet? Ich will gar nicht wissen, woher das an deinem Unterarm kommt. Und der Abdruck um deinen Hals." Er steckt den Zapfer zurück und wir gehen zum Laden. "Dich." Ich hebe eine Braue. "Mich?" "Ja." Er zahlt das Benzin und legt zwei Snickers dazu. "Etwas mehr Erklärung bitte.", knurre ich. "Es gefällt ihm nicht, wenn ich andere flachlege." Wir steigen wieder ein. "Das klingt mir weniger nach einer Regel als nach furchtbarer Eifersucht.", bedenke ich und öffne mein Snickers. Dabei fällt mein Blick auf Harry's Schritt. Wow. "Was machen wir jetzt eigentlich?", frage ich leise, als er los fährt und verberge mein Interesse weiter hinzusehen. "Wir können heute nicht mehr zurück." Er öffnet das Handschuhfach und holt Geld raus. "Wir bleiben hier?" Er schüttelt den Kopf. Wir müssen weiter weg, hier wird er uns finden und-" "Harry, ich muss heute Abend wieder zuhause sein!" Er wirft mir einen kurzen Blick zu und zückt sein Handy. "Was machst du da ...", frage ich prüfend, als er jemanden anruft. "Mrs. Tomlinson? Ja, hier ist Harry. Wäre es in Ordnung, wenn ich Louis über Nacht bei mir behalte? Ich mache ihm morgen früh auch ein reichhaltiges Lunchpaket für die Schule. Ja? Das klingt super. Bis dann!"
Okay. Woher hat er die Nummer meiner Mum?!
Er steckt das Handy wieder weg und zwinkert mir zu. "Lass mich eines klarstellen. Wir fahren nicht zurück, weil du Angst hast vor einem Typen, mit dem du dich genauso gut einfach anlegen könntest? Ich meine, deine Schläge sind legendär, mach ihn doch einfach fertig." Kopfschüttelnd atmet er tief durch. "Darum geht es nicht. Es geht nicht um ihn. Er ist wie die Erde im Gegensatz zum Universum. Klein und nichtig." Ich merke wie er versucht drum herum zu kommen. "Dann wird das hier n Roadtrip?", frage ich und lächle. Harry sieht wieder kurz zu mir und erwidert das Lächeln. Seine Grübchen, die man so selten sieht, kommen zum Vorschein. "Ja, nennen wir es Roadtrip."

Wir kehren später am Abend endlich in ein kleines Hotel ein. Harry legt der Frau an der Rezeption Geld hin und hält zwei Finger hoch. Verwirrt legt sie uns einen Schlüssel hin und trägt uns ein.

"Ich schlafe am Fenster.", stellt er klar und verschwindet im Bad. Ich lasse mich auf das Bett sinken und sehe hinaus. Auch, wenn man nicht viel erkennen kann. Das ist doch krank. Warum bin ich hier? Kann ich bitte nach Hause?
Harry ist ziemlich lange im Bad. Ich höre ihn stöhnen. Sofort stehe ich auf. Das kann doch jetzt nicht wahr sein ...
"Harry, was soll-" Ich reiße die Tür auf und komme rein. Aber er begeht keine Selbstbefriedigung, wie ich es vermutet habe. Er steht vor dem Waschbecken und reinigt die Brandblasen am Unterarm. Er hebt den Kopf und sieht mich durch den Spiegel an. Sofort überkommt mich Mitleid und ich komme rüber, um ihm zu helfen. "Das sieht schlimm aus, du solltest das verarzten lassen, Harry ...", sage ich leise. Aber er legt den Verband wieder drum und trocknet seine Hände. "Morgen.", murmelt er und dreht sich zu mir. Wir sehen uns eine ganze Weile in die Augen. Seine schreien förmlich nach Hilfe. "Jeder hat seine eigene Geschichte.", flüstere ich und nehme seine Hände. Harry sieht darauf hinab und zieht die Brauen zusammen. "Ich will deine wissen." Er schnauft und streicht mit seinem Daumen über meinen Handrücken, ehe er wieder aufsieht. "Das willst du nicht." Prüfend mustere ich seine strengen Gesichtszüge. "Du hast noch nicht versucht körperlich aktiv zu werden. Warum?" Harry legt den Kopf schräg. Der Druck um meine Hände nimmt zu. "Weil ich gemerkt habe, dass es uns von einander entfernt." Ich ziehe ihn mit mir aus dem Bad. "Als ob dich das kümmert.", knurre ich. Harry schubst mich auf das Bett und zieht sich das Shirt über den Kopf. "Warum denkst du das?" Ich krieche die rückwärts weiter bis zur Bettmitte. "Du gibst mir das Gefühl." Als er die Hose aufknöpft, ist es vorbei mit mir. Ich beiße mir heftig auf die Lippe und starre genau dort hin. "Soll ich dir das Gefühl geben, das du willst? Sex mit Bedeutung? Fühlst du dich dann besser?" Mein Unterleib zieht sich immer und immer wieder zusammen. Ich nicke und kralle mich in der Decke unter mir fest. Unter den engen Boxershorts zeichnet sich deutlich seine harte Länge ab.

Das ist alles so verrückt. Was stimmt nicht mit ihm? Warum lasse ich das alles mit mir machen? Ich ahne, dass ich in etwas verwickelt bin, wovon ich niemals hätte etwas wissen sollen. Und ich weiß, dass es hier um sehr viel mehr geht. Denn Harry hat Angst. Ich sehe es ihm an. Und ich behaupte mal, dass das die jetzige Situation ziemlich eindeutig macht.

Pretty in PunkWhere stories live. Discover now