21. Kapitel

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An einem verregneten Donnerstagmorgen war es so weit. Nachdem sie noch einen letzten Rundgang durch das Haus und über die ausgedehnten Parkanlangen gemacht hatten, bestiegen sie die Kutsche und ließen ihr ehemaliges Leben zurück. Miss Sophie war nun nicht mehr die reiche Tochter eines Earls. Natürlich würde sie immer adliger Abstammung sein, doch eines hatte sich entscheidend geändert, sie war arm.

Früher war sie einmal eine gute Partie gewesen. Mit einem guten Namen und einer äußerst großzügigen Mitgift.

Ann hatte besonders hart zu spüren bekommen, dass sie nun in den Augen der Männer weniger begehrenswert war.

Einen Tag vor ihrer Abreise war Mr Cole, ihr verlobter unangemeldet zum Tee erschienen. Er war in ihren Salon gestürzt und hatte wirres Zeug geredet. Doch eines hörten sie sehr deutlich heraus. Er wollte die Verlobung mit Ann beenden.

Eigentlich war es zu der damaligen Zeit äußerst unüblich dass ein Mann eine Verlobung löste. Denn dies galt als höchst unanständig. Nur die Damen besaßen das Recht eine bestehende Verlobung zu beenden.

Mr Cole nutzte das erschrockene Schweigen der Damen aus, um sich so schnell wie er gekommen war wieder aus dem Raum zu entfernen ohne auch nur ein weiteres Wort zu verlieren....


"Nie wieder werden wir in einem solch komfortablen Heim leben, nie wieder prächtige Kleider tragen auf einem Ball tragen und nie wieder wird ein Mann um die Hand von einer von euch beiden anhalten" jammerte Lady Elinor, als das Haus langsam hinter den sanften Hügeln von Hertfordshire verschwand.

Auf dem ganzen Weg nach London legten Miss Ann und Lady Badford keine Pause in ihrem Selbstmitleid ein.

Sophie übte sich in Geduld. Wortlos blickte sie aus dem Fenster und versuchte die Gespräche ihrer Mutter und Schwester auszublenden. Und innerlich bereitete sie sich darauf vor, das ihr das selbe Schicksal wie ihrer Schwester zuteil werden würde.

Mr Kingsley war ein sehr vernünftiger junger Mann, der seine zukunftsaussichten nicht mit einer unvorteilhaften Heirat aufs Spiel setzen würde. Es war Sophie von vornherein schleierhaft erschienen, warum ein Mann wie er sie heiraten wollte. Nun da sie weder ein Vermögen noch sonst etwas besaß, das sie in seinen Augen attraktiv machen würde, würde er ihre Verlobung so rasch wie möglich lösen.

***

Die Familie McAlsiter war von den schlechten Nachrichten ebenso betroffen wie Sophies Familie.

Als die drei Frauen nach ihrer langen Reise, in London eintrafen, konnten sie aus den Gesichtern ihrer Verwandten die selbe Trauer und Anteilnahme lesen, die auch sie in sich spürten. Für die McAlisters war es eine Selbstverständlichkeit gewesen, ihre Verwandten fürs erste bei sich aufzunehmen.

"Meine liebe Schwester." Mrs McAlister schloss ihre Schwester, die sie schon seit geraumer Zeit nicht gesehen hatte liebevoll in die Arme. Die Damen zogen sich bis zum Nachmittag in die Gemächer der Damen zurück.

Während die beiden Schwestern sich über alle Neuigkeiten austauschten, hatten Sophie und Amalia sich in ihr Ankleidezimmer verkrümelt, um ungestört ein Gespräch unter vier Augen führen zu können.

"Die arme Ann" murmelte Amalia als sie es sich bequem gemacht hatten.

"Mir wird es wohl bald genauso ergehen" flüsterte Miss Sophie und schluckte tapfer ihre Tränen herunter.

Amalia blickte sie erschrocken an, "du meinst doch nicht etwa, dass Mr Kingsley eure Verlobung lösen wird?"

Sophie nickte, "auch wenn er noch so verliebt sein mag, wird er vernünftig handeln. Und wenn er dazu nicht in der Lage sein sollte, bezweifle ich, dass seine Eltern tatenlos zusehen würden, wie ihr Sohn die Familienehre besudelt."

Miss SophieWhere stories live. Discover now