26.Kapitel

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Beth wurde wieder gesund. Nach knapp einer Woche in der Phillip und Sophie jeden Tag zum Hospital liefen um sie zu sehen, aber nie zu ihr vorgelassen wurden, durften sie die alte Dame wieder mit nach Hause nehmen.

Beth war noch immer äußerst schwach, sodass Phillip sie stützen musste, doch sie hatte bereits ihre gute Laune zurück gewonnen, was Sophie als ein gutes Zeichen deutete.

***

Sophie hatte zunächst angenommen, dass es sie nicht schwermütig stimmen würde, wenn sie die Stadt verließe. Doch da hatte sie sich gewaltig geirrt.

Schweren Herzens hatte sie sich am Morgen von ihrer Familie, Phillip und Beth verabschiedet, um dann die Kutsche zu besteigen, welche sie nach Hertfordshire bringen sollte.

Sophies Sorge galt vor allem Beth, die Sophie während der letzten Woche gepflegt und kaum aus den Augen gelassen hatte.

Beth war wieder gesund oder zumindest so gesund, wie eine vom Alter gebeugte Frau, die ihr ganzes Leben hart gearbeitet hatte, eben sein konnte.

Trotzdem hatte Phillip, der ihre Unruhe bemerkt hatte, versprochen vor und nach der Arbeit nach ihr zu sehen.

Erst als Sophie am nächsten Tag die sanft geschwungenen Hügelkuppen, die vertrauten Wälder und malerischen Dörfer ihrer Heimat erblickte, gelang es ihr, ihre Sorgen vollends abzuschütteln.

Aufmerksam betrachtete sie die Landschaft, die am Fenster der Kutsche vorbei zog. Jeder Baum, jeder Strauch und jedes Haus waren ihr so vertraut, dass ihr Herz, das während der letzten Monate unter Trübsal gelitten hatte wieder aufblühte.

Es fühlte sich beinahe so an, als wäre sie keine Sekunde weg gewesen, als soe mit der Kutsche vor dem kleinen Pfarrhaus hielten und die beiden Freundinnen sich glücklich in die Arme schlossen.

Carolines Schönheit war in den vergangenen Monaten zu einer stolzen Rose erblüht. Die Pfarrerrs Tochter, die früher eher blass und unscheinbar gewirkt hatte, wirkte nun frisch, lebendig und bildschön.

Ihr Haar glänzte, die Augen strahlten und ihre Wangen waren nicht mehr blass und hohl sondern rosig.

"Das macht die Liebe" antwortete Caroline, als Sophie sie auf diese durchaus positive Veränderung ansprach.

Caroline musste wirklich verliebt sein und Sophie hoffte, dass Mr Wragsdale das selbe für ihre Freundin empfand.

Bei einer guten Tasse Tee erzählte Caroline ihrer Freundin, die sie lange und schmerzlich vermisst hatte, alle Neuigkeiten die es in der Gegend gab.

Caroline Kings war eine Meisterin der Erzählkunst. Sie brachte es fertig den trivialsten Vorgang, wie Beispielsweise den Kauf eines Kleides, so aufregend klingen zu lassen, als wäre dies das kulturelle Ereignis des Jahres.

"Aber nun möchte ich alles über den mysteriösen Mr Phillip erfahren" erklärte Caroline, nachdem sie ihre Berichterstattung beendet hatte.

"Eigentlich heißt er Mr Robinson" korrigierte Sophie ihre Freundin und genehmigte sich noch ein weiteres Gebäckstück.

Caroline grinste, "so so ein Mr Robinson also..."

"Eigentlich gibt es nicht viel über ihn zu erzählen. Er ist nur ein Lagerarbeiter, der zufällig mit uns im selben Haus wohnt..."

"Tatsächlich" fragte Caroline und klang dabei fast ein wenig enttäuscht, "aber ich bin mir sicher, dass er trotzdem gut aussieht."

"Das könnte man schon sagen" antwortete Sophie, die vermutete, dass Caroline sich hinter Phillip einen weiteren glamourösen Gentleman vorgestellt hätte. "Aber er ist kein Gentleman" fügte Sophie hinzu, "und ich bitte dich mir und Phillip keine romantische Beziehung anzudichten. Wir sind nur Freunde."

Ein wenig verlegen blickte Caroline aus dem Fenster. Sie war fest davon ausgegangen, dass Sophie ihr etwas verheimlichte, was diesen jungen Mann betraf und nun war sie beschämt, da sie ihre Freundin so sehr bedrängt hatte.

"Aber es muss doch jemanden geben" wagte sie einen erneuten Versuch ein Gespräch in die Wege zu leiten, das ihre Gelüste nach Romantik befriedigen könnte.

"Nein, es gibt niemanden" antwortete Sophie knapp, "ich habe momentan nicht einmal die Zeit an eventuelle Verehrer zu denken."


Von da an vermied Caroline dieses Gesprächsthema so gut, wie ihre Neugier es erlaubte. Und sie tat alles, um Sophies Besuch so angenehm wie möglich zu gestalten.

Die Familie King war schon immer äußerst liebenswürdig zu der Heldin unserer Geschichte gewesen, doch bei diesem Besuch übertrafen sie sich selbst.

Mit offenen Armen wurde die junge Frau in der Familie empfangen, sie erhielt das beste Schlafzimmer des Hauses und zu jeder Mahlzeit wurde ein wahres Festmahl aufgetischt.

"Während ihrem Besuch soll sie nur das Beste vom Besten bekommen" erklärte Mrs Kings ihrem Gatten, "damit sie wieder etwas auf die Rippen bekommt."

"Da hast du wohl Recht, meine Liebe" pflichtete ihr Mr Kings bei, "sie wirkt so erschöpft, bleich und abgemagert... Wie eine Rose, die zu früh verblüht ist."

"So wie sie aussieht wird keiner das junge Ding mehr heiraten" murmelte die Köchin, welche das Gespräch ihrer Herrschaft belauscht hatte, mürrisch. Es behagte ihr keineswegs jeden Tag ein solch opulentes Mahl zubereiten zu müssen.

***

Die Freude der Dorfbewohner war groß, als sie Miss Sophie wieder sahen.

Die junge Dame hatte viele Besuche abzustatten und auch zu empfangen. Sophie gestand sich nur selten ein, wie sehr sie ihre Bekannten und Freunde während ihrer Zeit in London vermisst hatte. Und nun hatte sie die Gelegenheit alle wieder zu sehen und in Erinnerungen zu schwelgen.

Außerdem war sie erpicht darauf zu erfahren, wie es Mr Cole ergangen war, den ihre Schwester Ann einst hatte heiraten wollen.

Ann brachte zum ersten Mal seit ihrer Ankunft ihre Gedanken wieder zu den Menschen, die in London auf sie warteten. Sie dachte an ihre Mutter und Schwester, an Beth und an Phillip. Auf der einen Seite freute sie sich all diese Menschen wieder zu sehen, doch ihre Angst vor dem schlechten Leben in der Enge der Stadt schnürte ihr die Kehle zu. Aber eines war klar wie Kristall, irgendwann würde sie in ihre Realität zurückkehren müssen...

Miss SophieWhere stories live. Discover now