2. Kapitel: Nathan

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Dienstag, 28. Juli

Was für ein Tag. Erst der Auftrag, der ausgerechnet mitten in der Nacht noch hatte erledigt werden müssen, das Aufräumen und Putzen für Sarah und dann das Hetzen zum Flughafen. Sie war zwar in den letzten Jahren wirklich erwachsen geworden, aber ich sah in ihr immer noch meine kleine Sarah. Es tat gut, sie nach all dieser Zeit wiederzusehen.

Früher hatte ich immer sehr gerne gekocht und Sarah hatte mir immer wieder gesagt, dass ich in ihren Augen ein ziemlich guter Koch war, doch in letzter Zeit hatte ich oft gar keinen Appetit und somit erübrigte sich der Rest von selbst. Nun war sie aber hier, also musste auch etwas Anständiges auf den Tisch. Kein BBQ, nichts Traditionelles, aber immerhin etwas, was sie zumindest das letzte Mal, als sie hier gewesen war, noch sehr geliebt hatte. Meine selbstgemachten Gnocchi mit Cocktailtomaten, frischem Basilikum und Zwiebeln. Das Ganze abgerundet mit meiner speziellen Würzung.

Auch wenn die Situation, hier mit ihr erneut die Ferien zu verbringen, sehr seltsam war, da sich so einiges verändert hatte und ich nicht einmal genau wusste, wie ich mit ihr überhaupt umgehen sollte, konnte ich mir jetzt ein leichtes Schmunzeln doch nicht verkneifen. Gerade wollte ich Sarah Bescheid geben, dass das Essen fertig war und noch den Tisch decken, als mein Handy anfing zu klingeln.

Mein Lächeln, worum ich in letzter Zeit stets kämpfen musste, weil es mir immer schwerer fiel, war von einer Sekunde auf die nächste verschwunden. Ich hielt mitten in meiner Bewegung inne und starrte auf den hell aufleuchtenden Bildschirm, welcher unweit des Kochfelds lag. Mir entging nicht, wie sich jeder einzelne Muskel in meinem Körper ohne mein Zutun völlig verkrampfte. Es war nur Damien, doch trotz allem ahnte ich, dass ich heute nicht wie geplant den Abend mit meiner Nichte verbringen konnte.

„Ja?", fragte ich leise und blickte sofort Richtung Treppe, da ich auf gar keinen Fall wollte, dass meine Nichte etwas von diesem Gespräch mitbekam.

Während ich angestrengt zur oberen Etage in meinem Apartment starrte und Damien geduldig lauschte, spürte ich bereits selbst, dass sich mein Gesichtsausdruck immer mehr verfinsterte. So viel zum Thema einen Abend mal in Ruhe und Frieden mit meiner Nichte verbringen, doch ich konnte es nicht ändern. Das stand nicht in meiner Macht. Niemanden interessierte es, ob Sarah gerade hier war oder nicht. Warum auch?

„In Ordnung, sag ihr, dass ich da sein werde", sagte ich schließlich und legte ohne weitere Worte auf.

Ich pfefferte das Smartphone auf die Arbeitsfläche und unterdrückte nur knapp ein wütendes Knurren. Stattdessen krallte ich meine Finger so fest um die Arbeitsplatte, dass bereits jegliches Blut aus meinen Knöcheln wich. Wieso machte mich das auf einmal wieder so wütend?

„Nate? Ist alles in Ordnung?", hörte ich da Sarah besorgt fragen, als sie schon fast die gesamte Treppe heruntergekommen war. Ich hatte sie nicht einmal bemerkt.

„Ja, alles gut", antwortete ich durch fest zusammengebissene Zähne, holte tief Luft und versuchte, mich wieder etwas zu entspannen. „Mach dir keine Sorgen, nur ein Anruf von der Arbeit."

„Okay, wenn du meinst", antwortete Sarah, sah mich aber immer noch skeptisch von der Seite an.

„So, na wie sieht es aus? Hast du Hunger? Es gibt dein Lieblingsgericht à la Onkel Nate. Setz dich doch schon mal auf die Terrasse, ich mache den Rest", bot ich ihr an und versuchte somit schnell das Thema zu wechseln. Es schien fast schon wieder wie vor dem Anruf zu sein, doch natürlich wusste ich, dass Sarah sehr wohl gemerkt hatte, dass ich aufgebracht gewesen war.

Die Sonne ging gerade unter und legte einen schönen Glanz über das Land unterhalb meiner hoch gelegenen Terrasse. Sarah und ich hatten größtenteils schweigend gegessen, doch ich hatte ihr angesehen, dass ihr dieses Gericht immer noch sehr schmeckte. Ich hätte mich eigentlich gerne mit ihr unterhalten, doch ich wusste um ehrlich zu sein einfach nicht worüber. Wir hatten kurz über die Schule gesprochen, aber auch bei diesem Thema waren wir bald in einer Sackgasse gelandet. Vermutlich war das alles für sie ebenso eigenartig und ungewohnt wie für mich. Ich starrte einige Zeit auf die tosenden Wellen, die man auch von hier oben deutlich sehen konnte und räusperte mich dann schließlich.

„Hör mal, Sarah, es tut mir leid, aber ich kann heute nicht bei dir bleiben. Das vorhin war ein Kollege und ich muss nochmal ins Büro. Vermutlich wird es ziemlich spät, tut mir leid", erklärte ich ihr dann also, doch sie sah mich nicht an, sondern blickte so wie ich bis eben auch einfach nur stumm auf das reflektierende und glänzende Meer.

„Kein Problem, ich weiß mich schon zu beschäftigen hier", gab sie dann schließlich zurück und ihre Stimme wirkte auf mich stark verändert. Sie schien noch enttäuschter zu sein, als ich angenommen hatte.

„Du weißt ja, wo du alles findest", murmelte ich noch, stapelte die Teller und nahm dann alles wieder mit in die Küche.

Keepers of Fate [abgeschlossen] #UrbanFantasyWhere stories live. Discover now