20. Kapitel: Nathan

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Dienstag, 11. August

Lange Zeit sprach niemand von uns. Ich für meinen Teil war damit beschäftigt, sie einfach nur stolz zu mustern – ein Gefühl, was mir so fremd und gleichermaßen aber auch bekannt vorkam. Kaden stand immer noch hinter ihr, gab ihr Halt durch seine Nähe. Ja, ich musste zugeben, irgendwie mochte ich diesen Kerl, auch wenn es immer noch zugegebenermaßen echt schwer war, ihn nicht mehr mit der von Nauk aufgezwungenen Blickweise zu betrachten. Ich bemerkte immer öfter, wie die beiden sich ansahen und wie viel sie einander bedeuteten. Es war wohl tatsächlich etwas sehr Ernstes zwischen ihnen und zum ersten Mal fühlte ich mich stolz und war glücklich darüber, dass Sarah ihr Glück gefunden hatte. Langsam begann ich mich wieder fast ganz wie ich selbst zu fühlen, zumindest ging der Einfluss von Nauk merklich zurück, doch dafür hatte ich stark mit all den widerwärtigen Taten, die schleichend zurück in mein Gedächtnis vorrückten, zu kämpfen. Ich musste sie so gut es ging in die Schatten zurückdrängen, bevor sie drohten mich ganz zu übermannen und mich erneut in die Dunkelheit zu ziehen. Ich war mir sicher, dass mich all die quälenden Erinnerungen lähmen würden, sobald ich ihr wirkliches Ausmaß anfangen würde zu begreifen.

„Erm... ich werde mich dann mal zurückziehen. Ich bin immer noch sehr müde, habe fast kaum ein Auge zu bekommen. Lasst uns das... später besprechen", murmelte Sarah und rieb sich dabei unschlüssig über den Unterarm, während ich ihr ansah, wie sie ein herzhaftes Gähnen unterdrückte.

„Leg dich ruhig noch etwas schlafen, wir halten hier schon die Stellung", erwiderte Sam auf ihre typische Art und Weise sanft, woraufhin Sarah nur schwach lächelte und sich kurz darauf durch den offenen schmalen Türschlitz schob, während Kaden ihr stumm folgte. „Willst du ihr nicht nach?", fragte Samantha mich irritiert, als ich einfach nur wie angewurzelt in dem nun doch recht leeren Raum stehen blieb und ihr nachsah.

„Denkst du, dass das aktuell eine gute Idee ist? Sie vertraut mir nicht mehr. Ich will ihr keine Angst machen, verstehst du? Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn...", sprudelte es geradezu aus mir heraus, als ich ihr meine Ängste im Bezug auf Sarah mitteilte, doch sie kam nur auf mich zu und nahm mich kurzerhand in den Arm.

Komplett überrumpelt und verwundert riss ich meine Augen weit auf und verkrampfte mich innerlich sofort so dermaßen, dass mir beinahe in jedem Teil meines Körpers die Muskeln schmerzten. Ich schaffte es nicht, ihre Umarmung zu erwidern, all das war mir noch viel zu fremd, auch wenn es sich richtig anfühlte. Obwohl ich es schaffte, all das Verrückte auszublenden, was gerade heute hier passiert war, konnte ich meine Arme nicht um ihren schmalen Oberkörper legen und ehe ich mich selbst dazu ermutigen konnte, war diese beinahe schon so intime Berührung wie früher auch schon wieder vorbei.

„Du musst ihr Zeit lassen, ja, aber irgendwann wird sie dieses Vertrauen in dich und ihre Unbeschwertheit dir gegenüber wiederfinden. Das kann ich dir garantieren, Nate. Na los, geh einfach zu ihr, mach den ersten Schritt und wiederhole das immer wieder, bis sie anfangen kann, dich wieder mit den Augen zu sehen, mit denen sie dich auch früher gesehen hat", ermutigte Samantha mich, es einfach zu riskieren, es zu versuchen und es lag so viel Überzeugung in ihrer Stimme, dass ich es beinahe sofort selbst geglaubt hätte, doch mein immer noch nicht ganz abgeschalteter Verstand machte mir sehr schnell klar, dass es absolut dumm gewesen wäre zu glauben, dass das ernsthaft so schnell gehen konnte. „Über alles andere reden wir später."

„In Ordnung, ich werde es versuchen", antwortete ich schlicht, warf ihr noch einen letzten dankbaren Blick zu und machte mich dann ebenfalls auf nach draußen.

Das Haus erinnerte mich sehr an mein eigenes, allerdings wirkte ihres lange nicht so steril und doch pompös und einladend. Ich fragte mich wie sie an dieses Haus gekommen und wieso ich es zu meiner Zeit nie zu Gesicht bekommen hatte, aber ich wusste, dass es jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um sich über so etwas Gedanken zu machen. Ich fühlte mich zwar lange nicht so unwohl hier wie wenn es meine eigenen vier Wände wären, aber meine Umgebung und die Ähnlichkeit hatten dennoch eine nicht abstreitbare Wirkung auf mich, weshalb ich versuchte, nicht länger darüber nachzudenken.

Keepers of Fate [abgeschlossen] #UrbanFantasyWhere stories live. Discover now