18. Kapitel: Nathan - Teil 1

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Sonntag, 22. Februar – 1856

„Sir, Sie haben Besuch", kam es von James, meinem Dienstboden, als er um die Ecke in mein Herrenzimmer trat.

„Ich hatte doch gesagt, dass ich nicht gestört werden möchte, James. Was ist daran so schwer zu verstehen?", murrte ich, nippte an meinem Chardonnay und blickte gedankenverloren in die züngelnden Flammen in meinem Kamin, dessen Holz langsam aber sicher zur Neige ging.

„Sie sagte es sei dringend", entgegnete James, was mich dann doch aufhorchen ließ, obwohl ich gerade überhaupt nicht in der Stimmung für Besuch war.

Sie?", hakte ich nach, während ich eine Augenbraue hochzog und dann doch den Kopf zur Seite drehte, um meinen Hausboten direkt ansehen zu können. Jetzt hatte er meine volle Aufmerksamkeit.

„Ja, Sir. Miss Collins wünscht Sie zu sprechen", berichtete er und sah mich abwartend an. Die Hände hinter dem schwarzen Frack verschränkt.

„In Ordnung, bring sie in den Salon, ich komme gleich", beschloss ich schließlich, woraufhin James sich leicht verbeugte, umdrehte und zurück in die große Empfangshalle meines Anwesens schritt.

Ein letztes Mal lehnte ich mich zurück, führte mein Weißweinglas erneut an die Lippen und nippte zaghaft daran, um keinen zu großen Schluck auf einmal zu nehmen. Die Flasche die ich vorhin geöffnet hatte, war schon sehr alt und unter Weinkennern sehr begehrt. So wie fast alle meine Weine, die ich über die Jahre hinweg in meinem Weinkeller gesammelt und eingelagert hatte.

James arbeitete schon seit Anfang an für mich, seit ich dieses Anwesen erstanden hatte. Es lag etwas außerhalb von New Orleans, in den Tiefen von Louisiana und in der unmittelbaren Nähe des Bayou. Dieser Kolonialstil und die klassischen weißen großen griechischen Säulen vor der Veranda, hatten mich sofort fasziniert. Eigentlich war das Haus für eine Person viel zu groß und ich war mir auch ziemlich sicher, dass sich bereits einige Leute gefragt hatten, wieso ich hier ganz allein fernab vom Zentrum der Stadt lebte, doch was kümmerte es mich schon was andere Leute von mir hielten oder über mich dachten? Ich mochte diesen Flecken Erde sehr und ich konnte mich nicht daran erinnern, mich bisher wo anders so wohl gefühlt zu haben wie hier und außerdem mochte ich das rege Treiben der Menschenmassen im Zentrum der Stadt einfach nicht. Ich war durchaus gerne dort, aber keineswegs so gern, dass ich dort wohnen wollte. Selbst im French Quarter war es mir zu umtriebig.

Mein Hausbote war ein treuer Gefährte, fast schon wie ein Freund für mich geworden. Ich hatte zwar auch noch Hausmädchen, aber keiner sonst in diesem Haus gab mir so das Gefühl, nicht gänzlich alleine in diesem großen Haus zu sein, was mir in so manchen einsamen Stunden doch schon sehr geholfen hatte. Ab und an konnte man sich durchaus in interessante Unterhaltungen mit James vertiefen.

Ich wusste, dass es hier mal Sklaven gegeben hatte. An dieser Stelle vor dem Kamin war vielleicht vor einigen Jahren noch der Mann gesessen, der diese Menschen so niederträchtig behandelt hatte. Wahrscheinlich auf keinem so bequemen Sofa wie ich heute, aber trotzdem hier. Anscheinend war dieses Monster allerdings pleite gegangen aus welchen Gründen auch immer. Die Männer, Frauen und Kinder, die auf der früheren Apfelbaumplantage gearbeitet hatten... ich kannte ihr Schicksal nicht. Das Einzige was von ihrer Seele in diesem alten Kolonialhaus übrig geblieben war, waren die mittlerweile uralten knorrigen Apfelbäume, die derart viele Früchte trugen, dass ich sie auf keinen Fall alleine essen konnte. Nicht einmal zusammen mit dem Personal, denen ich oft einige schenkte. Das war schon seit Jahren eine Art Tradition geworden. Die restlichen Äpfel brachten meine Angestellten oft auf den Markt.

Das Leuten zur vollen Stunde der hohen Wanduhr, die links vom Kamin in der Ecke stand, machte mir bewusst, dass ich Samantha nicht mehr länger warten lassen konnte. Es war bereits sieben Uhr. Ich hatte wirklich beim besten Willen keine Ahnung, was diese Frau nun wieder von mir wollte, aber dummerweise war mein Chardonnay nun sowieso zur Neige gegangen und ich wollte das so schnell wie möglich hinter mich bringen, denn eigentlich wollte ich ja meine Ruhe haben. Egal vor wem.

Keepers of Fate [abgeschlossen] #UrbanFantasyWhere stories live. Discover now