3. Kapitel: Sarah

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Dienstag, 28. Juli

Er hatte mich einfach mit dieser knappen Begründung, ohne mit der Wimper zu zucken, abgespeist. Nein, so etwas hätte er früher niemals getan und schon gleich gar nicht wegen der Arbeit. Dieser Job musste ihn wirklich unter Druck setzen, wenn man bedachte, in welchem Prunk er hier lebte. Jetzt saß ich hier also, mitten im Paradies und hatte keinerlei Sinn dafür. Hoffentlich rief später nicht noch meine Mum an, um sich zu erkundigen, wie der Flug und mein erster Abend mit Nate gewesen waren. Ich hasste es sie anzulügen, aber es blieb mir wohl keine andere Wahl.

Ich seufzte, als ich daran dachte, dass ich mir diesen Abend in tausend verschiedenen Farben ausgemalt hatte, aber bestimmt nicht in dieser. Plötzlich packte mich eine schier unstillbare Neugierde und meine Lippen formten sich zu einem breiten, schelmischen Grinsen. Etwas Schnüffeln hatte noch nie jemandem geschadet oder? Wenn mein Onkel nun sowieso für längere Zeit außer Haus war, konnte ich mich ja auch etwas umschauen.

Ich hörte gerade noch, wie sich das Garagentor schloss und das Motorengeräusch des Pick-Ups sich dann schließlich immer weiter entfernte. Das war meine Gelegenheit. Irgendwo weit hinten in meinem Kopf sagte mir eine Stimme, dass ich besser meine Finger von seinen Sachen lassen sollte, doch ich konnte mich einfach nicht mehr davon abhalten.

Er hatte zwar gemeint, dass das auf der Arbeit einige Zeit beanspruchen würde, doch trotzdem würde ich mich beeilen, dann würde er schon nichts davon mitbekommen. Ich hechtete in Windeseile hoch in das obere Stockwerk und zu Nates Schlafzimmer. Als ich die Tür öffnete, blieb mir erneut fast die Luft weg. Ich wusste nicht genau wie, aber das Zimmer war viel größer, als ich es in Erinnerung hatte. Generell irritierte es mich immer stärker, dass das Haus auf einmal so unglaublich modern geworden war. Stirnrunzelnd trat ich ein und war ein stückweit erleichtert, dass Nate hier nicht wie im Rest des Apartments alles ordentlich verräumt hatte. So hatte ich meinen Onkel im Gedächtnis: Unordentlich und meistens viel zu faul, um seinen Kram wegzuräumen. So wie es aussah hatte er nur mir zuliebe aufgeräumt und geputzt, doch hier nicht, schließlich war dies gänzlich sein Reich. Vielleicht würde mir es jetzt zugutekommen, dass es hier aussah, als ob eine Bombe eingeschlagen hatte.

Ich blieb vor dem Bett stehen und bewunderte den Berg an Klamotten, der sich rund um das große und sehr gemütlich aussehende Doppelbett angesammelt hatte. Mit großer Wahrscheinlichkeit fand sich dort nichts wirklich Interessantes, also steuerte ich direkt auf den begehbaren Kleiderschrank zu, der sich über einen Großteil des Raumes erstreckte, aber dennoch nicht zu viel des Zimmers verschluckte. Schon fast gelangweilt schaute ich durch die verschiedenen Sachen, die teilweise einfach achtlos in ihn hineingeschmissen worden waren. Vermutlich, weil Nate nicht mehr genug Zeit gehabt hatte, um aufzuräumen. Wieder fand ich etwas über meinen Onkel heraus, das ich niemals erwartet hätte. Er hatte wohl seit Neuestem einen offensichtlichen Shoppingtick. Ich betätigte den separaten Lichtschalter, um noch mehr erkennen zu können und meine Stirn legte sich immer mehr in Falten. In den verschiedenen Fächern und an den Kleiderbügeln hingen Unmengen an unterschiedlichen Hemden, Hosen und Jacken. Ganz zu schweigen von dem riesigen Schuhfach, welches randvoll war. Das Schlimmste an der ganzen Geschichte war jedoch: Nichts sah wirklich leger oder für Hawaii passend aus. Eine Typberatung wäre dringend von Nöten.

Alles in allem war das Ganze aber für mich uninteressant und nachdem ich einige Fächer durchgesehen hatte, entschied ich mich dafür, lieber mal noch das direkt an Nates Schlafzimmer angrenzende Badezimmer zu inspizieren. Auch dieses wirkte um einiges pompöser seit ich es das letzte Mal gesehen hatte, was wohl ohne Zweifel an den teuren verbauten weißen Marmorplatten und dem überdimensionalen Jacuzzi lag. An sich wirkte das Bad ansonsten komplett in Ordnung. In einer Ecke lag ein Haufen augenscheinlich dreckiger Wäsche – hauptsächlich blütenweiße Hemden. Seit wann dieser Hemdentick? Es schien auch in diesem Raum nichts Spannendes zu finden zu sein und ich wollte mich bereits wieder abwenden, doch da stieg mir dieser seltsame chlorähnliche Geruch in die Nase. Ich zögerte und ließ meinen Blick nun erneut durch das riesige Bad schweifen. Langsam ging ich vorwärts und sog in regelmäßigen Abständen immer wieder stark die Luft ein, um herausfinden zu können, woher diese ungewohnte Note herkam. Suchend ging ich um den Jacuzzi herum und sah sofort eine große weiße Plastikflasche auf dem Boden stehen, die bisher von diesem riesigen Ding verdeckt gewesen war. Der Geruch wurde beißender und ich rümpfte angewidert die Nase, jedoch ließ ich es mir dennoch nicht nehmen, mir das näher anzusehen. Es handelte sich laut der Banderole um chlorhaltiges Bleichmittel, also hatte ich damit richtig gelegen. Vielleicht zum Reinigen seines Jacuzzis? Ich stellte die Flasche wieder an ihren ursprünglichen Platz zurück, als ich beim Weggehen beinahe ausgerutscht und hingefallen wäre. Der Boden war an dieser Stelle verdammt glatt. Als ich den Kopf etwas schräg legte, bemerkte ich, wie nass die Marmorplatten über eine weite Fläche noch waren. Was hatte Nate hier bloß getrieben? Kopfschüttelnd machte ich nun einen großen Schritt über die feuchte Fläche und verließ das Badezimmer wieder. Zurück im Schlafzimmer fiel mein Blick auf Nates Bett und den danebenstehenden Nachttisch. Unschlüssig kaute ich auf meiner Unterlippe herum, da ich mir einfach nicht sicher war, ob ich wirklich noch einen Blick riskieren oder es besser sein lassen sollte. Bevor ich noch einmal richtig darüber nachdenken konnte, stand ich auch schon vor dem kleinen Tischchen mit der Schublade und zog diese vorsichtig auf.

Keepers of Fate [abgeschlossen] #UrbanFantasyWhere stories live. Discover now