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Hermine's Sicht

Die Luft war Lauwarm und die Sonne ging langsam unter, während ich einen Spaziergang am Wald entlang machte. Ich wohnte seit der Schlacht bei den Weasleys, da ich meinen Eltern vor der Schlacht um Hogwarts das Gedächtnis, zu ihrer eigenen Sicherheit, löschte. Sie konnten sich nicht mehr an unsere Urlaube erinnern. Nicht mehr an die schönen und witzigen Dinge, die wir immer erlebten. Nicht einmal an mich. Und das machte mich immer wieder unfassbar traurig. Ich redete mir immer wieder ein, dass es ihnen doch gut ginge, doch es war zwecklos. Immer wieder kamen die alten Erinnerungen hoch. Wie sie sich um mich kümmerten, wenn es mir nicht gut ging. Wie sie lachten, wenn sie ihre Lieblingssendung im Fernsehen sahen. Wie sie sich freuten, wenn ich ihnen stolz meine guten Noten zeigte. All das konnte ich jetzt nicht mehr erleben. Es blieben nur die Erinnerungen.

Langsam ging ich zurück zum Fuchsbau. Molly machte sich immer schreckliche Sorgen, wenn ich mal kurz weg war, ohne ihr oder Arthur Bescheid zu sagen. Seit der Schlacht hatte sich vieles verändert. Vor allem die Menschen. George ging es nicht gut, da Fred gestorben war. Wir halfen uns immer gegenseitig. Ich tröstete ihn, wenn er an Fred und an die schönen Dinge mit ihm denken musste, und er tröstete mich, wenn ich mal wieder um meine Eltern trauerte. Ginny und Harry waren schon seit längerem zusammen. Zwischen Ron und mir lief nichts. Wir spielten einst mit dem Gedanken es vielleicht doch auszuprobieren, aber wir blieben bei der Freundschaft, was mir gerade Recht war, denn mit einem Freund hat man oft auch Stress, und noch mehr konnte ich davon nicht gebrauchen. Luna und George waren zur Zeit die einzigen, mit denen ich über alles reden konnte. Sie hörten mir zu und stellten keine dummen Gegenfragen. Manchmal wollte ich das alles nicht mehr. Manchmal wollte ich einfach sterben. Ich sah keinen Grund mehr,  weiterzuleben, doch dann schlug ich mir diesen Gedanken schnell wieder aus dem Kopf. Die Weasleys brauchten mich. Vor allem George. Und außerdem konnte ich ab dem ersten September endlich das siebte Schuljahr in Hogwarts wiederholen. Hogwarts. Diese Schule war für mich immer ein zweites zu Hause. Ich kannte das Schloss wie mein Bücherregal, und das musste etwas heißen. Heute war der 26. August, also hieß es noch eine Woche warten, bis ich endlich wieder den alten, vertrauten Geruch Hogwarts' einatmen konnte. Ich wollte versuchen dieses Schuljahr erneut nur O's zu schreiben, denn das machte mich ja so besonders. Auch wenn es eingebildet klang - ich war nunmal die beste meines Jahrgangs. Aber mal abgesehen davon, war ich wirklich gespannt, wer das siebte Schuljahr wiederholen würde. Sowohl Harry und Ron, als auch Luna wollten es wiederholen. Ginny aber nicht. Ich fand es zwar schade, dass eine meiner besten Freundinnen das Jahr nicht wiederholte, aber es war kein Weltuntergang. Ich hatte schließlich noch Luna, Harry und Ron. In Gedanken versunken betrat ich auch schon den Fuchsbau. Dort erwartete mich auch schon eine erleichterte Molly. »Kind, wo hast du denn gesteckt? Ich habe mir sorgen gemacht.«, sagte sie leicht aufgewühlt. Wie schon gesagt, war Molly oftmals sehr besorgt, doch das störte mich nicht. Im Gegenteil. Jeder Zauberer, jede Hexe, und auch jeder Muggel hatte irgendwelche Macken. Sei es Stolz, Naivität, Aggression, oder in Mollys Fall, starke Fürsorge. »Ich war nur spazieren.«, antwortete ich knapp, lächelte sie an und ging nach oben, in das Zimmer von mir und Ginny.
»Oh hey, Mine!«, begrüßte mich Ginny glücklich und stand von ihrem Bett auf. Ich lächelte ihr nur zu und setzte mich auf meins. »Und? Läuft da nun was zwischen dir und Ron?«, fragte sie mich plötzlich und grinste mich an. Ich verstand schon, was sie damit meinte. »Wie oft denn noch, Ginny? Ich und Ron sind bloß Freunde. Mehr nicht. Vor allem würde ich niemals mit ihm... Du weißt schon.«, antwortete ich und spürte, wie mir die röte ins Gesicht stieg. »Bitte, Mine. Sag' einfach das Wort. Sex. Das muss dir doch mit deinen siebzehn Jahren nicht mehr peinlich sein!«, redete sie mir empört ein. Ich verstand das nicht. Sex war immer so ein riesen Thema in meinem Umfeld, außer für mich. Ich habe mir immer gesagt, dass ich damit bis zur Ehe warte. Nicht, weil ich Angehörige einer bestimmten Kultur oder Religion war, sondern weil ich einfach nur Sex mit dem Mann haben wollte, den ich wirklich liebe, und der mich wirklich liebt. Schade nur, dass ich die einzige in meinem Umfeld war, die so dachte. Außerdem, was war Sex schon? Es diente einfach nur dazu, seine Bedürfnisse zu stillen, und Nachwuchs zu erzeugen. Mehr nicht, oder? Ich hatte zur Zeit nicht mal einen Freund, also war es sinnlos, sich darüber Gedanken zu machen.

Ich konnte die Nacht gut schlafen und dachte am Morgen ausnahmsweise nicht an meine Eltern. Gut gelaunt ging ich die Treppen herunter in die Küche, doch meine gute Laune verflog sogleich wieder, als ich auf einem Stuhl einen weinenden George sah. Ich ging schnell zu ihm und legte eine Hand auf seine Schulter. Er schien mich vorerst nicht bemerkt zu haben, denn er schreckte zusammen, als ich seine Schulter berührte. Schnell wischte er sich die Tränen weg und stützte seinen Kopf in seine Hände. Ich setzte mich auf einen Stuhl, der neben ihm stand und musterte ihn besorgt. »George? Hey, was ist los? Ist... Ist es wegen Fred?«, fragte ich ihn vorsichtig. Er schniefte einmal und sag mich mit roten Augen an. »Ich kann das nicht mehr, Hermine. Ich... Ich kann ihn einfach nicht vergessen. Nicht einmal einen Patrons kann ich herauf beschwören, weil alle schönen Dinge, an die ich mich erinnere, mit ihm passiert sind.« Mir zerriss es das Herz ihn so zu sehen. Ich wusste wie sich das anfühlte jemanden zu verlieren. Ich kannte die Schmerzen, die Heulkrämpfe und die Angst, dass es vielleicht nicht der einzige Mensch im Leben ist, den man verlieren wird. »Hey, alles wird gut. Du kannst mir alles sagen, okay? Ich bin für dich da.« George nickte und ich nahm ihn in den Arm. Er war für mich seit Freds Tod wie ein großer Bruder. »Aber versprich mir eins, Mine.«, sagte er und sah mich an. Ich nickte bloß. »Pass' auf dich auf, denn dich will ich nicht auch noch verlieren.« Merkwürdig. Damals fand ich es immer toll ein Einzelkind zu sein, doch jetzt erkenne ich, wie schön es sein kann Geschwister zu haben. George war zwar nicht mein biologischer Bruder, aber es fühlte sich so an. Ich vertraue ihm und er vertraute mir. Ich liebte ihn wie einen Bruder, und er mich wie eine Schwester. Ich war wirklich froh ihn zu haben.

Tie me upWhere stories live. Discover now