Kapitel 27 - Murder

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"We make decisions based on what we think we know."
~Simon Sinek


Am nächsten Tag heftete sich Leo an seine Fersen, den ganzen Weg nach Hause lang. Thomas ignorierte ihn erst, aber nach einiger Zeit, in der der Dunkelblonde ihm weiterhin nachschlich, wurde es ihm zu bunt. Kurz bevor sie den Friedhof kreuzen konnten, blieb er abrupt stehen, was Stolpergeräusche und leises Keuchen hinter ihm verursachte.

Er hätte es vermutlich lustig gefunden, wäre da nicht die kleine Tatsache, dass er wütend war. Sehr wütend. Thomas hatte es nie abgekonnt, wenn man ihm hinterherspionierte. Er war einfach generell vorsichtiger damit geworden, wem er sein Vertrauen schenkte. Mit Schwung wirbelte er herum und starrte direkt in die überraschten Augen seines Sitznachbarn, dessen Blick verdattert und erschrocken auf ihm lag, und verkniff sich ein Schmunzeln über den Ausdruck auf dem Gesicht des Jungen.

„Was soll das? Warum rennst du mir nach?", fauchte er stattdessen und fletschte leicht die Lippen. Eine Angewohnheit, bei der er sich in letzter Zeit des Öfteren ertappte, vor allem wenn er verdeutlichen wollte, dass er in Ruhe gelassen werden wollte. Leos Mund klappte einige Male auf und zu ohne dass ein Laut aus ihm drang, was Thomas stark an einen Fisch erinnerte, bis er es endlich schaffte, einen Satz zu bilden.

„Ich-...ich hab dich vor der Schule gesehen und...und...keine Ahnung, ich dachte, vielleicht erfahre ich, wieso du immer so schlecht drauf bist, wenn ich dir folge,", gab der Dunkelblonde schließlich zu und Thomas seufzte entnervt. Naja, wenigstens war Leo ehrlich.

„Du hättest auch einfach fragen können, Trottel.", murmelte er grummelig und verschränkte die Arme vor der Brust. Ein herausfordernder und neugieriger Blick trat in die Augen seines Gegenübers.

„Hättest du es mir denn dann gesagt?" Der Dunkelhaarige schmunzelte leicht und hob eine Braue. Irgendwie mochte er den Jungen und das konnte er kaum leugnen. Er hatte etwas Erfrischendes an sich, etwas Keckes, das er sonst hier nirgends finden konnte. Seine Jugend trübte nicht seinen Verstand und auch das war etwas Besonderes, das Thomas sonst nur von Stiles kannte. Schnelle Gedanken, ein kluger Kopf. Jemand, der ihm ebenbürtig war.

„Nein, vermutlich nicht.", meinte er also leise und diesmal konnte er das angedeutete Lächeln, das sich auf seine Lippen schlich, nicht verstecken. Auch Leos Mundwinkel zogen sich nach oben, als er das sah und er grinste leicht.

„Willst du vielleicht mit zu mir? Videospiele zocken, oder sowas?", fragte er und Thomas glaubte für einen kleinen Moment, Unsicherheit in dem Ton des anderen gehört zu haben, ignorierte es aber gekonnt und zog die Stirn in Falten.

„Was ist mit deinem Detektiv-Sinn passiert? Wolltest du nicht eigentlich mein Leben stalken?", antwortete er schmunzelnd und musterte sein Gegenüber, das ein kurzes Kichern ausstieß, hell und doch verschmitzt. Es erinnerte ihn abermals an Stiles. Viel zu sehr, als es ihm momentan lieb war.

„Das Stalken kann warten.", erwiderte Leo und nickte mit dem Kopf in Richtung einer kleinen Gasse, die offenbar zu seinem Zuhause führte. „Was ist, kommst du jetzt mit?"

Und Thomas war gewillt, nein zu sagen und weiter in seiner Trauer zu verwesen und weiter jeden und alles auszuschließen, weil er schlicht Angst hatte wieder verlassen zu werden. Er war gewillt, eine potenzielle Freundschaft abblitzen zu lassen um sich voll und ganz seinen verstorbenen und für ihn gestorbenen Familienmitgliedern zu widmen, weiterhin auf jegliche soziale Kontakte zu verzichten. Aber irgendwas in Leos Augen, irgendwas in seinem Grinsen und seinem funkelnden Blick, sagte ihm, dass er das nicht tun sollte, nicht tun konnte. Dass er das, wovor er am meisten scheute, vielleicht am meisten brauchte. Dass er sich nicht ewig verstecken konnte, dass er sowieso irgendwann wieder anfangen musste, zu leben. Und sei es nur seiner Mutter Willen.

Never Trust A Fox (Newtmas)Where stories live. Discover now