Tag 853 - Geheimnis

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„Roman?“, fragte Annie schüchtern. Sie lag mit ihm auf dem neuen weißen Zottelteppich, der den Boden des Kinderzimmers nun ausleg. Bevor sie die Frage stellte, hatten sie still die fluoreszierenden Sterne betrachtet, wie sie ihr sanftes grünes Licht im Zimmer verteilten. „Hm?“, brummte Roman, zu erschöpft, um ihr richtig zu antworten. In letzten Zeit war er oft erschöpft, stellte er fest, sofern das für einen Geist überhaupt möglich war.„Carla und Minna glauben mir nicht, dass es dich gibt“, sagte sie leise.

Sofort fuhr Roman hoch, plötzlich hellwach. Gleichzeitig sprangen alle Lampen im Zimmer an, und Annie zuckte mit großen Augen verschreckt zusammen. Roman merkte es nicht. „Du hast ihnen von mir erzählt?“, fuhr er sie schon fast an, dann schien er seinen Ton zu bemerken und fuhr sanfter fort. Die Lichter dimmten sich ab. „Was hast du ihnen denn gesagt?“

Einen Moment starrte Annie ihren Freund erschrocken über seinen Ausbruch an; so etwas war noch nie passiert. Dann riss sie sich zusammen, es war schon cool, sagte sie sich. „Nur das du auch hier bist. Dass du ein Geist bist und nur mit mir redest“, fügte sie widerstrebend hinzu und wandte ihr Gesicht ab, sodass er sie nicht sehen konnte. Roman schluckte, sein Adamsapfel hüpfte unter seinen Bartstoppeln auf und ab. Er schloss kurz die Augen.

„Annie“, setzte er dann an, „Du bist doch schon ein großes Mädchen. Du weißt doch bestimmt, dass es Dinge gibt, die man anderen nicht erzählen darf; Dinge, die dir anvertraut wurden, oder Dinge, die besser niemand sonst weiß, oder?“ Das kleine Mädchen drehte sich zu ihrem besten Freund um, dessen Augen traurig wirkten. Ihre glänzten. „Wie ein Geheimnis?“, fragte sie, und ihre Stimme klang plötzlich viel jünger, unschuldiger als sonst. Roman nickte und wandte ihr sein Gesicht zu. „Ich bin dein Geheimnis“, sagte er.

Midnight SongWhere stories live. Discover now